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Start des Deutschlandtickets
Das Wirrwarr beenden

Nun ist es da: Deutschlandweit kann man den ÖPNV mit einem Ticket nutzen. Ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings werde das Deutschlandticket von Sonderregeln in den einzelnen Bundesländern gehemmt, kommentiert Georg Ehring.

Ein Kommentar von Georg Ehring |
Eine rote S-Bahn fährt am Gleis ab.
Den Nahverkehr deutschlandweit mit einem Ticket nutzen: Seit dem 1. Mai ist das möglich. (imago / Lobeca / Felix Schlikis)
Einsteigen, Anschnallen, den Zündschlüssel umdrehen und los: Autofahren ist so einfach. Es ist also kein Zufall, dass in Deutschland rund drei Viertel der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Wer Bus oder Bahn nutzt, braucht eine Fahrkarte, muss sich bisher durch Tarifsysteme kämpfen, Automaten verstehen und mitunter lange warten.
Für den einzelnen mag Autofahren angenehm sein – selbst im Stau sitzt man schließlich bequem. Für für die Gesellschaft ist die Masse der Autos fatal: Viele Städte erleben täglich den Verkehrsinfarkt und der Verkehrssektor reißt wegen der Dominanz des Autos Jahr für Jahr die Klimaziele.

Das Potenzial ist da

Das Deutschlandticket zum Einführungspreis von 49 Euro könnte ein guter Ansatz zum Gegensteuern sein: Ein Ticket gilt für den Nahverkehr im ganzen Land, ob auf der Straße oder auf der Schiene, und das zu einem deutlich niedrigeren Preis als er üblicherweise für eine Monatskarte im Nahverkehr fällig wird.
Die drei Monate, in denen im vergangenen Jahr das Neun-Euro-Ticket galt, haben gezeigt, dass das Potenzial für eine intensivere Nutzung von Bussen und Bahnen da ist, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. [*]
Dafür muss Bus- und Bahnfahren einfacher werden. Doch einfach ist das Deutschlandticket nur auf den ersten Blick. Wer genauer hinsieht, findet Einschränkungen und Ausschlüsse. Sie können Menschen abschrecken, die nicht so viel Erfahrung mit öffentlichen Verkehrsmitteln haben – also, genau die, die neu gewonnen werden sollen.

Deutschlandticket muss einfacher werden

So gilt das Ticket regulär ausschließlich in Regionalbahnen der DB Regio. Manche Regionalstrecken werden aber von der DB Fernverkehr betrieben wer nicht genau hinschaut, steht schnell als Schwarzfahrer da. Der Kauf des Tickets läuft überwiegend digital, das hängt Menschen ab, die das Internet nicht nutzen oder kein Smartphone haben.
Regionale Verkehrsverbünde geben auch Chipkarten aus, doch das muss man erstmal in Erfahrung bringen. Wer eine schlechte Bonität hat, muss für den Kauf einen Anbieter suchen, der auf eine Schufa-Abfrage verzichtet. Vergünstigungen für Bezieherinnen und Bezieher von Sozialhilfe und für den Ausbildungsverkehr sind Ländersache.
Und dann noch der Wirrwarr bei den Konditionen: In Hessen dürfen Fahrräder und Hunde kostenlos mitgenommen werden, im Saarland nur Hunde. Mecklenburg-Vorpommern punktet dafür mit Seniorenrabatt. In Sachsen bietet der Verkehrsverbund Oberelbe ein Zusatzticket für zehn Euro, es erlaubt die Mitnahme entweder eines weiteren Erwachsenen oder eines Fahrrads, eines Hundes oder von bis vier Jugendlichen bis zum Alter von 15 Jahren.

49 Euro sind noch zu teuer

Haben Sie noch den Überblick? Vermutlich nicht, und das ist ein Problem. Einheitliche und klare Regeln könnten die Akzeptanz des Deutschlandtickets deutlich verbessern. Ebenso ein Verzicht auf Preiserhöhungen: Wer Gelegenheitsfahrer in öffentliche Verkehrsmittel lenken will, muss ein billiges Ticket anbieten und dafür ist auch das Deutschlandticket für 49 Euro nicht billig genug.
Wer die Monat für Monat zahlt, sollte wenigstens ein gutes und auch pünktliches Angebot haben. Heute fahren viel zu wenige Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, trotzdem sind die häufig überfüllt. Dichtere Taktfolgen könnten das ändern. Busse und Bahnen müssen auch auf dem Land so häufig fahren, dass sie eine ernsthafte Alternative zum eigenen Auto werden.
Das kostet viele Milliarden Euro. Zur Finanzierung finden sich Sparmöglichkeiten auch im Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr. Noch immer fließt viel zu viel Geld in den Ausbau von Autobahnen, und Bundesverkehrsminister Volker Wissing will den jetzt noch beschleunigen. Mehr Straßen erzeugen mehr Autoverkehr und damit mehr anstatt weniger Staus. Um die Verkehrswende zu schaffen, muss ein großer Teil dieses Geldes in öffentliche Verkehrsmittel investiert werden.
Einsteigen, hinsetzen und sich in Ruhe transportieren lassen – die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel muss bequemer und einfacher sein als Autofahren. Das Deutschlandticket ist ein Anfang, der auch den Blick darauf lenkt, wie viel noch fehlt.

[*] Anmerkung der Redaktion: Wir haben an dieser Stelle eine fehlerhafte Zeitangabe korrigiert.