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50 Jahre Roma-Bewegung
Der lange Kampf um Anerkennung

Der 8. April wird seit 1990 weltweit als Internationaler Roma-Tag gefeiert. Zugleich wird an den ersten internationalen Roma-Kongress vor 50 Jahren in London erinnert. Seitdem haben die Roma politisch viel erreicht, aber die Vielfalt der Gemeinschaft führt auch zu Problemen.

Von Dirk Auer |
"Gemeinsam Antiziganismus bekämpfen" steht am 25.10.2013 vor dem Mahnmal für Sinti und Roma in Berlin bei einer Kundgebung auf einem Banner. Mit einer Demonstration unter dem Motto "Friedrich, es reicht! Schluss mit der rassistischen Hetze gegen Menschen aus Rumänien, Bulgarien und Asylsuchende!" protestierte eine Gruppe gegen die Politik der Bundesregierung. Foto: Florian Schuh/dpa ++
Seit Jahrzehnten gehen Roma für ihre Rechte und gegen Diskriminierung auf die Straße (picture alliance / dpa | Florian Schuh)
Dass aus einer kleinen Versammlung in Orpington, einem Vorort von London ein großes Ereignis für die internationale Roma-Bewegung werden sollte, war zunächst noch nicht abzusehen: Vor 50 Jahren, am 8. April 1971, trafen sich in einem alten Schulgebäude 23 Roma-Aktivistinnen und -Aktivisten. Sie waren aus neun europäischen Ländern angereist, aus dem Westen und Osten des Kontinents, um grenzübergreifend die Probleme von Roma in Europa zu diskutieren. Grattan Puxon, heute 82 Jahre alt, erinnert sich.
"Wir waren durch den sogenannten Eisernen Vorhang getrennt, Reisen war schwierig. Aber indem wir damals all diese Menschen nach London gebracht haben, haben wir die Grenzen zu einem gewissen Grad überwunden. Wir wollten zusammenarbeiten – um so eine stärkere Stimme zu bekommen."

Versammlung votierte für Roma-Flagge

Die Beschlüsse der Versammlung lassen sich schnell zusammenfassen: Die diskriminierenden Worte "Gipsy" oder "Zigeuner" sollten durch die Eigenbezeichnung "Roma" ersetzt werden. Und die neue Gemeinsamkeit sollte dann auch symbolisch sichtbar werden: "Wir haben uns eine Flagge gegeben, die obere Hälfte blau für den Himmel und unten grün für das Land. Und in der Mitte haben wir ein "Ashok Chakra" hinzugefügt, ein rotes Rad, das die Herkunft der Roma aus Indien symbolisieren sollte."
Die Roma-Flagge auf einer Demonstration im Jahr 2010 im belgischen Brüssel
Der erste internationale Roma-Kongress vor 50 Jahren
Am 8. April 1971 trafen sich erstmals Vertreter der Roma aus mehreren europäischen Ländern in London und gründeten den Welt-Roma-Kongress. Im Mittelpunkt stand unter anderem die Ablehnung diskriminierender Bezeichnungen.
Dann: Die Hymne, "Djelem, djelem", basierend auf der Melodie eines traditionellen Roma-Liebeslieds. "Der Text wurde von Žarko Jovanović auf einer Busfahrt geschrieben. Wir waren auf dem Weg von London nach Birmingham, wo wir gegen die Räumung einer Wohnwagensiedlung protestieren wollten. Und als wir ankamen und ausgestiegen sind, haben wir Djelem Djelem gesungen."
Der Londoner Kongress gilt heute als Grundstein für die Roma-Bürgerrechtsbewegung. Acht weitere sollten folgen. Als Meilenstein gilt der Kongress im Jahr 2000 in Prag, auf dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer offiziell die Anerkennung der Roma als Nation forderten: "Eine Nation, die kein Territorium und keinen Anspruch auf Grenzen hat. Tatsächlich möchten wir ja, dass alle Grenzen verschwinden; wir sind eine Nation, die Respekt und Gleichheit unter allen Völkern der Welt fordert. Und als solche hoffen wir, eines Tages auch eine Stimme in der UNO zu bekommen."

Eigenbezeichnung "Roma" nicht unumstritten

Aber sind Roma wirklich eine eigene Nation, wie es auch die Symbole der Flagge und Hymne nahelegen? Roma haben nicht nur kein Land. Auch ihre Kultur unterscheidet sich mitunter stark, sie gehören unterschiedlichen Religionen an. Selbst die Sprache, das Romanes, wird nur von knapp der Hälfte der zehn bis zwölf Millionen in Europa lebenden Roma gesprochen.
08.12.2018, Rheinland-Pfalz, Bingen: Romeo Franz, Mitglied Bündnis 90/Die Grünen in Rheinland-Pfalz, nimmt an der Landesdelegiertenversammlung der Grünen Rheinland-Pfalz teil. Foto: Andreas Arnold/dpa
Romeo Franz ( picture alliance/dpa | Andreas Arnold)
Und noch nicht einmal die Eigenbezeichnung "Roma" ist unumstritten, betont Romeo Franz. Er ist seit 2018 Abgeordneter für die Grünen im Europäischen Parlament. "Ich zum Beispiel selbst: Ich gehöre den deutschen Sinti an. Es gibt wiederum in Frankreich die Gruppe der Manouche, oder in Spanien und Portugal leben über eine Million Kale, die auch Romani-Hintergrund haben. Es gibt die Kalderascha, die Lovara, die Rissende, die seit Jahrhunderten in Schweden leben.... Wir haben hier eine unglaubliche Vielfalt."
Und diese Vielfalt, sagt Romeo Franz, sollte nicht durch eine angebliche Roma-Nationalität zum Verschwinden gebracht werden. "Ich habe meine Nationalität, denn ich bin Deutscher. Auf deutschem Boden sind meine Vorfahren begraben. Das ist mein Land. Und deshalb ist für mich die Forderung nach einer eigenen Nation der Inklusion eigentlich nicht zuträglich."
RomArchive – Das Digitale Archiv der Sinti und Roma geht online: Künstlerin Delaine Le Bas und Mit-Kuratorin der Eröffnungsausstellung, beim Aufbau ihres Kunstwerks "Hexenjagd"
Digitales Archiv für Sinti und Roma
Die Kunst und Kultur der Sinti und Roma ist überwältigend vielfältig – sie sichtbar zu machen ist Ziel eines digitalen Archivs. In drei Sprachen werden Filme, Musik, Kunst und Literatur sowie historische Dokumente und Wissen präsentiert.
Von vielen anderen Aktivisten wird jedoch anders gesehen. Hamze Bytyci, Schauspieler und Kurator, geboren 1982 im Kosovo, ist Vorsitzender der Roma-Selbstorganisation "RomaTrial" in Berlin. "Ja, wir sind eine Nation ohne Staat. Und darauf können wir auch stolz sein."
Die Vielfalt der Roma-Identitäten und -gruppen stehe dazu in keinem Widerspruch. "Was ist denn überhaupt Identität? Das ist fluide. Und ich glaube auch, dass man nicht nur eine Identität hat. Unsere Community spricht mindestens mehrere Sprachen, ist bewandt in mehreren Kulturen, hat verschiedene Einflüsse, aber auch Religionen, Zugehörigkeiten. Wir sind nicht nur Roma, wir gehören nicht nur zu einer bestimmten Identität, sondern haben diese Multi-Identität. Das ist ein Reichtum, aus dem wir schöpfen müssen."

Porajmos - der Holocaust an den Sinti und Roma

Doch für die politische Interessenvertretung hat sich diese Vielfalt als Problem erwiesen. Alle Versuche, eine stabile internationale Dachorganisation zu gründen, sind am Ende gescheitert. Wahrscheinlich ist das einzige Thema, das die Aktivisten der internationalen Roma-Bewegung mehr oder weniger vereint, der Holocaust – auf Romanes: Porajmos. Hunderttausende Sinti und Roma sind vom NS-Regime umgebracht wurden.
Ein Verbrechen, das lange nicht als solches anerkannt wurde. In Deutschland hatten Aktivisten um Romani Rose – heute Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma – bereits seit den 1970er-Jahren für die Anerkennung des nationalsozialistischen Völkermords gekämpft, für Entschädigung und gegen die andauernde Diskriminierung von Sinti und Roma. Ihren öffentlichen Durchbruch erzielten sie 1980 mit einem Aufsehen erregenden Hungerstreik in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Zwei Jahre später wurde der Zentralrat gegründet.
Romani Rose.
Warum Sinti und Roma nach dem Holocaust in Deutschland blieben
Romani Rose war 1982 einer der Gründer des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Im Dlf erklärt er, warum seine Eltern nach dem Holocaust in Deutschland blieben und was ihn zum Aktivisten machte.
Doch spätestens mit den Umbrüchen seit 1989, den Migrations- und Fluchtbewegungen in den 90er- und 00er-Jahren, ist nicht nur Deutschland vielfältiger geworden, sondern auch die Roma-Gemeinschaft, betont Hamze Bytyci.
"Es gibt mehrere Communities aus verschiedenen Ländern mit verschiedenen kulturellen und religiösen Einflüssen. Es gibt hier die deutsche Minderheit der Sinti und Roma, es gibt Gastarbeiter seit über 50 Jahren. Es gibt die Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, zu der ich und meine Familie gehören. Dann gibt es die neuen EU-Zuwanderer, die sind aber auch schon über 10 Jahren hier."

Kritik am Zentralrat

Und diese Vielfalt werde vom Zentralrat nicht repräsentiert, kritisiert Hamze Bytyci. Während die deutschen Sinti und Roma seit 1995 als nationale Minderheit anerkannt sind, kämpften geflüchtete Roma, vor allem aus dem ehemaligen Jugoslawien, in den 1990er Jahren noch für ein Recht auf Asyl: mit Kirchenbesetzungen, sogenannten "Bettelmärschen", Straßenblockaden bis hin zu einem Hungerstreik auf dem Gelände der ehemaligen KZ-Gedenkstätte Neuengamme – organisiert von der "Rom und Cinti Union" um Rudko Kawczynski.
Der Zentralrat, der sich nur als Vertreter der deutschen Sinti und Roma versteht, hatte sich an diesen Protesten nicht beteiligt, erzählt Hamze Bytyci. "Und ich glaube, dass ein frischer Wind nicht nur der Bewegung guttut, sondern auch der Mehrheitsgesellschaft. Und da gibt es mehrere Ansprechpersonen. Und das ist auch richtig so, dass da jetzt ein Neubeginn starten muss."
Hamze Bytyci, Schauspieler, Sozialarbeiter und Roma-Aktivist, Vorstandsmitglied des "Bundes Roma Verband" zu Gast in der ARD Talkshow "Menschen bei Maischberger" am 26.02.2013 in Köln. Foto: Horst Galuschka
Hamze Bytyci (picture alliance / dpa | Horst Galuschka)
Einen Neubeginn fordert auch Mensur Haliti von der Open Society Foundation, vor allem mit Blick auf Ost- und Südosteuropa. Dort leben die meisten der gut zehn bis zwölf Millionen Roma Europas – fast immer in bitterer Armut, diskriminiert und von zentralen Bereichen der Gesellschaft ausgeschlossen. Um die Situation der Roma zu verbessern, wird auf europäischer Ebene seit Jahren viel versucht. Es gibt Roma-Strategien, Aktionsprogramme und Konferenzen. 2008 fand ein erster europäischer Roma-Gipfel statt, es gab die sogenannte Roma-Dekade, und 2011 verpflichtete die EU ihre Mitgliedstaaten, nationale Roma-Strategien zu formulieren.
Ein rumänisches Romakind, drei Jahre alt, zwischen Müll, dass neben einem Hund steht und versucht, seine Kekse vor ihm zu verstecken.
Antiziganismus in Rumänien
Ein Beitrag aus dem Jahr 2019. Millionen Roma leben in Rumänien. Den meisten fehlt Zugang zu Wohnung, Gesundheitssystem, Bildung oder dem regulären Arbeitsmarkt. Viele sind Tagelöhner und leben in Slums am Rand der Dörfer und Städte.
Mensur Haliti: "Aber im Wesentlichen hat sich nichts geändert. Warum? Es gibt keinen politischen Willen darauf zu drängen, dass die Länder Reformen umsetzen, damit die Roma-Politik funktioniert. Kurz gesagt: Die Hoffnung, dass die EU und internationale Organisationen mit den nationalen Regierungen zusammenarbeiten, um die Situation der Roma zu verbessern – diese Hoffnung ist zerfallen."
Die Roma, schlussfolgert Haliti, müssten deshalb auf ihre eigenen Ressourcen setzen. Durch ihr Stipendienprogramm für Roma-Studierende verfolgt die Open Society Foundation diesen Ansatz schon seit Jahren. Die Idee: Durch finanzielle Unterstützung und Trainings soll vor allem in Ost- und Südosteuropa eine neue Generation gut ausgebildeter Führungskräfte und Aktivisten entstehen, damit Roma selbst eine stärkere Stimme bekommen.
"Wir haben heute mehr Roma-Hochschulabsolventen als je zuvor. Wir sehen Tausende Roma, die Ärzte, Staatsbedienstete, Politiker und Künstler werden. Und darauf sind wir wirklich stolz. Gleichzeitig bleibt es eine Herausforderung, wie das politisch genutzt werden kann. Es hat sich gezeigt, dass die akademische Förderung alleine nicht ausreicht, sondern dass wir auch mit der Basis verbunden sein müssen."

Rassistische Gewalt gegen Roma

Die Basis findet sich etwa im Roma-Viertel Stolipinovo in Plovdiv, der zweitgrößten Stadt Bulgariens. Etwa 50.000 Menschen leben hier in tristen Wohnblöcken, von denen der Putz herabbröckelt, dazwischen windschiefe Hütten aus Ziegelsteinen, Wellblech, Holz und Dachpappe. Nur eine Minderheit der Bewohner hat eine regelmäßige Arbeit, die meisten verdingen sich als Tagelöhner oder halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.
2018 hatte es in Bulgarien mehrere Fälle rassistischer Gewalt und Ausschreitungen gegen Roma gegeben. Einige Priester und Pastoren von Stolipinovo wollten daraufhin ein Zeichen setzen: Mit einem interkonfessionellen "Gebet für Gerechtigkeit" sollte der Forderung nach einem sicheren Leben für Roma in Bulgarien und Europa Nachdruck verliehen werden.
Sinti und Roma osteuropäischer Herkunft in Duisburg | imago stock&people
Sinti und Roma in Deutschland - Zwischen Integration und Abschiebung
Roma und Sinti sind seit Jahrhunderten in Deutschland beheimatet, dennoch werden sie von vielen Mitbürgern abgelehnt. Verschärft wird ihre Situation durch die neue Zuwanderung und den Status ihrer Herkunftsstaaten als "sicher". Dies spotte jeder Beschreibung, kritisieren Interessenvertreter.
In einer evangelikalen Kirche hatten sich damals einige hundert Roma versammelt. Es sprachen ein evangelikaler Pastor, dann ein orthodoxer Priester und ein Imam. Auch Mensur Haliti war zur Unterstützung aus Deutschland angereist – und appellierte an die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Konfessionen.
"Wir sind Muslime, wir sind Christen. Aber ihr seid nicht 1000 Jahre als Muslime unterdrückt worden, sondern als Roma. Roma sind die größte Minderheit in Bulgarien. Es gibt einen gemeinsamen Kampf. Und wir können auf niemanden zählen."
Der offene Antiziganismus, der Rassismus gegenüber den Roma, nimmt seit Jahren in allen osteuropäischen Ländern zu. In Bulgarien kommt dieser immer wieder sogar auch von Regierungspolitikern.
Gegen den allgegenwärtigen Rassismus, so versuchte Haliti es seinen Zuhörern 2018 in der evangelikalen Kirche von Plovdiv klarzumachen, müssten Roma ihre Stimme erheben. Es geht darum, sagt Mensur Haliti, die Apathie zu überwinden und sich politisch einzumischen – und damit letztlich auch wieder an der Idee des ersten Roma-Kongresses vor 50 Jahren in London anzuknüpfen.
"Die Bewegung der 1970er-Jahre war eine politische Bewegung. Sie haben damals verstanden: Solange Roma keinen politischen Einfluss haben, wie es ihrer Anzahl in Europa entspricht, solange wird es für Roma keine Fortschritte geben."

"Wir müssen vielfältig sein"

Bei allen Problemen werden leicht die Fortschritte übersehen, die in den letzten 50 Jahren erzielt worden sind. Zur Zeit des ersten Roma-Kongresses gab es in ganz Europa etwa ein Dutzend Roma-Organisationen. Jetzt sind es hunderte, was aber neue Schwierigkeiten mit sich bringt: So beklagen Vertreter europäischer Institutionen und Geldgeber oft, dass es für sie praktisch keine zentralen Ansprechpartner gibt, die für alle Roma eines Landes – oder gar Europas – sprechen können.
Der grüne EU-Parlamentarier Romeo Franz weist die Erwartung, die Roma sollten sich doch selbst erst einmal einig werden, zurück. "Es sollte nicht unterstellt werden, dass die größte Minderheit in Europa mit einer Stimme sprechen muss, weil wir keine Autokraten sind. Wir müssen vielfältig sein, wie müssen demokratisch sein. Und hier besteht das Kunststück: Wie findet der Diskurs statt?"
FRA - STRASBOURG - PORTRAIT ROMEO FRANZ This MEP is a violin and guitar player. A virtuoso even. He comes from a family of musicians. He received a musical education at the age of nine and made his first public performances at the age of eleven. At the age of 23, he founded his first group, the Ensemble Romeo Franz . He then frequented great names in jazz such as Schnuckenack Reinhardt, Dorado Schmitt, Birli Lagrne and Martin Taylor. Since 1998, Romeo Franz has been working for the civil rights of Sinti and Roma. STRASBOURG FRANCE PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xAbdesslamxMIRDASSx HLAMIRDASS738399
Der pfälzische Sinto Romeo Franz kämpft für Minderheitenrechte
Der EU-Parlamentarier Romeo Franz stammt aus der Pfalz – und er ist Sinto. Für die Grünen sitzt er im EU-Parlament und setzt sich für Menschen- und Minderheitsrechte ein. Dem "preußische Sinto" geht es auch darum, innerhalb der Justiz und der Polizei für Rassismus zu sensibilisieren.
Wie also wollen sich Roma organisieren? Die Zeit des ersten Roma-Kongresses, wo einige selbsternannte Repräsentanten noch zusammensaßen und gewichtige Entscheidungen treffen konnten, ist vorbei, sagt auch Kongress-Veteran Grattan Puxon.
"Aber es gibt immer noch das Problem, dass unsere Vertreter, also etwa diejenigen, die in den EU-Institutionen für uns sprechen, nicht wirklich mit der Basis verbunden sind. Es gibt Leute wie Romeo Franz, der eine wirklich tolle Arbeit macht; er setzt sich auf eine Art und Weise für uns ein, die ich absolut begrüße. Aber Tatsache ist, dass er kein Mandat von uns hat."
Und das soll sich, wenn es nach Grattan Puxon geht, ändern. "50 Jahre nach dem ersten Kongress ermöglicht es uns die digitale Technologie, ein elektronisches Wahlsystem aufzubauen – ein System, mit dem wir unsere Roma-Vertreter aus der ganzen Welt wählen lassen können. Diese Vertreter hätten dann eine viel größere Legitimität und wir könnten damit auch einer neuen kollektiven Führung ein Mandat erteilen."

Digitale Erinnerung an ersten Kongress vor 50 Jahren

Wann es solche Wahlen geben könnte, ist unklar. Zumindest mit der elektronischen Vernetzung soll jedoch schon einmal ein Anfang gemacht werden: bei einem mehrtägigen Jubiläumskongress, der an diesem Donnerstag, dem 8. April beginnt – als Erinnerung an die Anfänge der Roma-Bürgerrechtsbewegung vor 50 Jahren nahe London.
Pandemiebedingt findet der Jubiläumskongress nur online statt. Aber dadurch könnten immerhin, erklärt der Mit-Organisator Hamze Bytyci, Roma-Initiativen und -gruppen aus der ganzen Welt zusammenkommen und jeweils vor Ort Aktionen starten – um so gemeinsam die Roma-Kultur zu feiern.
"Die meisten unserer Communitys sind in sozialen Medien aktiv. Und darauf können wir aufbauen. Da gibt es Zusendungen von verschiedenen Ländern: Wir fangen an mit Aktionen in Brüssel. Und dann haben wir Einspielungen aus Frankreich, aus Spanien, aus der ganzen Welt."
Der 8. April wird seit 1990 weltweit auch als Internationaler Roma-Tag gefeiert. In Berlin wird an diesem Donnerstag dann wieder vom Roma Holocaust Denkmal eine Roma-Parade Richtung Brandenburger Tor ziehen; es ist die erste Parade seit dem Ausbruch der Pandemie, die letzte fand 2019 statt. Am Roma-Tag werden Reden gehalten und natürlich ist immer auch die Hymne "Djelem, djelem" zu hören.
Der Politiker Romeo Franz wird den Tag in Brüssel verbringen. Auf die 50 Jahre seit dem ersten Londoner Roma-Kongress schaut er nachdenklich zurück. "Es hätte viel mehr passieren können in dieser Zeit. Wenn man jetzt die Benachteiligung der Menschen mit Romani-Hintergrund sieht: bei Bildung, Arbeit, Gesundheit, da sind wir wirklich noch ganz am Anfang."
Und doch ist auch für ihn der Roma-Tag zuallererst ein Feiertag. "Es ist der Feiertag, an dem wir alle einig sind. Wir haben ja ein Motto hier in Brüssel: We are European Romani people - divers and equal."
Sich genauso zu zeigen und sichtbar zu machen – darum geht es auch Hamze Bytyci am Internationalen Roma-Tag. "Deswegen heißt auch das Motto des 50-jährigen Jubiläums: "Amen sam akate", we are here. Es ist ein Tag, der im Endeffekt viel bunter, viel lauter, viel schriller gefeiert werden sollte - und immer mit der Mahnung, dass wir eigentlich nichts mehr wollen als dazuzugehören."