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50 Jahre Stiftung Warentest
Nüchterne Fakten für den mündigen Verbraucher

"Ratlos stehen Käufer vor vollen Schaufenstern. Das Warenangebot wächst von Tag zu Tag." So steht es im Einführungstext des ersten Heftes der "Stiftung Warentest" 1966, deren Gründung die Bundesregierung am 16.September 1964 beschlossen hatte. Die staatliche Institution sollte den Verbrauchern sachliche und vor allem unabhängige Informationen liefern als Orientierungshilfe in der noch recht jungen Marktwirtschaft.

Von Andrea Westhoff | 16.09.2014
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Der Eingang des Sitzes der Stiftung Warentest am 07.09.2013 am Lützowplatz im Berliner Ortsteil Tiergarten im Bezirk Mitte. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    "Elf Staubsauger zwischen 50 und knapp über 200 Euro Verkaufspreis mussten auf Teppich und auf Hartböden ihre Saugkraft beweisen. Wir haben insgesamt 21 Mückenmittel geprüft Diese drei Kaffees schmeckten modrig-muffig, egal wie sie zubereitet wurden."
    Vor größeren Anschaffungen erst die Untersuchungen der Stiftung Warentest studieren, und auch beim täglichen Einkauf möglichst nach dem bekannten Testsiegel schauen: Umfragen zufolge entspricht der deutsche Durchschnittsverbraucher heute dem Idealbild, das Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard Anfang der 60er Jahre hatte:
    "Er soll wach sein, er soll auf dem Markt sich nicht so benehmen, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Er soll wählen."
    Aber damals war das gar nicht so leicht. In den USA gab es schon in den 20er-Jahren vergleichende Warentests, doch hierzulande wehrte sich die Industrie mit dem Argument, dass die Verbraucher "durch die Werbung ausreichend informiert" seien. Die 1961 gegründete Zeitschrift "DM" fand mit ihren Produktprüfungen zwar großen Anklang, wurde jedoch bald von beiden Seiten zermürbt: Weil sie sich durch Anzeigen finanzierte, gab es immer wieder Zweifel an ihrer Unabhängigkeit. Andererseits überzog die Industrie das Blatt mit Prozessen. Schließlich griff die Politik ein. Im Oktober 1962 erklärte Bundeskanzler Konrad Adenauer:
    "Die Bundesregierung wird die Einflussmöglichkeiten der Verbraucher auf das Marktgeschehen verbessern. Der Bundesminister für Wirtschaft wurde beauftragt, möglichst bald die Errichtung einer Körperschaft für neutrale Warenteste zu veranlassen."
    Nähmaschinen und Handrührer in der ersten Ausgabe getestet
    Aber es dauerte noch einmal fast zwei Jahre, bis die Bundesregierung am 16. September 1964 beschloss, die staatliche "Stiftung Warentest" einzurichten, die dann im Dezember offiziell ihre Arbeit aufnahm.
    "Das erste Testheft erschien 1966, Themen: Nähmaschinen und Handrührer, seitdem hat sich viel getan bei der Stiftung Warentest, aber manche Dinge ändern sich nie:"
    ... heißt es in einem Selbstdarstellungsvideo. Tatsächlich werden nach wie vor alle Test-Produkte und Dienstleistungen anonym gekauft beziehungsweise in Anspruch genommen. Die Prüfungen finden nach wissenschaftlichen Methoden in unabhängigen Instituten statt. Die Ergebnisse und Bewertungen - von "sehr gut" bis "mangelhaft" - erscheinen in den stiftungseigenen, anzeigenfreien Publikationen. Inzwischen sind das neben den klassischen monatlichen "Test"-Heften auch zahlreiche Bücher, die Zeitschrift "Finanztest" sowie ein großes Internetangebot.
    Auf den Prüfstand kommen kann praktisch alles: nach wie vor Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, aber auch Astrologen, Kreditinstitute oder Fußballstadien. Und alles Ess- und Trinkbare sowie Produkte des täglichen Gebrauchs wie Deosprays:
    "Für jedes Spray treten 20 Testpersonen an. Den Achselgeruch beurteilen aufs Riechen geschulte Sniffer. Jede Achsel wird von drei Sniffern abgerochen, immer im Vergleich: mit und ohne Deo."
    Fadenwürmer im Wildlachs
    Manche Untersuchungen erscheinen schon ein bisschen kurios, aber unbestreitbar ist: Die Stiftung Warentest findet, was den Verbraucher interessiert und bewegt: Gefährliches - wie Giftstoffe im Babyspielzeug, ekliges - wie Fadenwürmer in Wildlachs, oder betrügerisches - wie falsche Anlageberatung. Nicht selten zum Ärger der Anbieter und Hersteller. Aber trotz zahlreicher Klagen ist die Stiftung bislang noch nie zu Schadensersatz verurteilt worden. Gelegentlich hat eine schlechte Testnote sogar dazu beigetragen, Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern. Die Politik kann also zufrieden sein mit ihrer "Stiftung Warentest":
    "Ein Schmuckstück der Verbraucherinformation."
    ... sagte Renate Künast als zuständige Verbraucherministerin vor zehn Jahren zum 40. Jubiläum. Im fünfzigsten Jahr ist das Klima zwar etwas rauer geworden: Das Misstrauen gegenüber großen staatlichen Institutionen wächst, und im Netz tummeln sich heute unzählige "Prüfer" und Bewertungsportale. Dennoch ist die Stiftung Warentest eine "Instanz" und kann sich zu fast 90 Prozent selbst finanzieren. Und unbeirrt hält sie an der Gründer-Idee fest: Nüchterne Fakten und Daten für den mündigen Verbraucher zu liefern. Manchmal mit einer Prise Selbstironie, etwa wenn es auf der Jubiläumswebseite über den Kondom-Test 2009 heißt:
    Zitat
    "Alle Produkte sind "gut", kein einziges "befriedigend"."

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