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80 Jahre deutscher Überfall auf Polen
Diskussion um das richtige Gedenken polnischer Opfer

Zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen fordert der polnische Botschafter deutsche Reparationszahlungen. Auch ein Mahnmal für polnische Opfer in Berlin wird diskutiert - dazu gibt es mehrere Alternativvorschläge.

Von Sebastian Engelbrecht | 30.08.2019
Hausruinen in der polnischen Hauptstadt Warschau im Jahre 1945. Im Vordergrund die umgestürzte Säule des Denkmals von König Sigismund III.
Die polnische Stadt Warschau wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört (dpa-Bildfunk / Prasa)
Zwei Themen stehen im Fokus der deutsch-polnischen Diskussionen kurz vor dem 80. Jahrestag zum Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkriegs: Die Forderungen polnischer Politiker, Deutschland müsse Reparationen an Polen zahlen und die Idee eines Denkmals für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs.
Der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przylebski, mahnte eine Lösung im Streit um deutsche Reparationszahlungen an. Wenn Deutschland ein moralisches Vorbild für die Aufarbeitung der eigenen Geschichte sein wolle, dann sollte es "von sich selbst aus" über eine Lösung des Problems nachdenken, sagte der Botschafter Polens in Berlin.
Mögliches Denkmal am Anhalter Bahnhof in Berlin
Przylebski forderte zugleich ein größeres Bewusstsein in Deutschland für das Leiden der polnischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg. Damit spielte er auch auf die Initiative an, an der Ruine des Anhalter Bahnhofs im Zentrum Berlins ein Denkmal für die polnischen Opfer zu errichten. Peter Oliver Loew, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, hält diese Idee für geeignet. Er sagte im Deutschlandfunk:
"Das ist ein Angebot an Polen, ein Zeichen, zu sagen: Hier, schaut, wir sind uns dessen bewusst. Und wir werden es sicherlich nicht vergessen, was wir euch, unseren Nachbarn, angetan haben. Denn das ist eine häufige Befürchtung in Polen, dass die Deutschen ihre Täterrolle vielleicht verringern wollen, Schuld weiterleiten wollen auf andere Schultern und so weiter."
Auf die Plünderungen und Zerstörungen, die deutsche Truppen in Polen anrichteten, macht auch der Ministerpräsident Polens, Mateusz Morawiecki, aufmerksam. In einer Anzeigensonderveröffentlichung in der Zeitung "Die Welt" schreibt Morawiecki, die "polnische materielle Kultur" habe "auf außergewöhnliche Art und Weise" gelitten. Polen habe "nie Reparationskosten für die Verbrechen des Dritten Reiches erhalten". Das "lange polnische Jahr 1939" sei erst vor 30 Jahren, mit dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa, zu Ende gegangen.
Gleichwohl ist sich die polnische Regierung offenbar bewusst, dass sie kaum Aussichten hätte, Reparationszahlungen Deutschlands juristisch durchzusetzen.
Weitere Alternativen stehen zur Diskussion
Ein Denkmal in Berlin wäre aus der Sicht polnischer Repräsentanten kein Ersatz für materiellen Schaden, aber ein Symbol des guten Willens der Deutschen. Die Initiative für das Denkmal wird parteiübergreifend von 240 Bundestagsabgeordneten unterstützt, auch von Bundestagspräsident Schäuble. Die Direktorin des Polnischen Instituts in Berlin, Malgorzata Bochwic-Ivanovska, begrüßte gegenüber dem Deutschlandfunk die Idee
"Sowohl ich persönlich als auch das Polnische Institut in Berlin, wir begrüßen sehr herzlich und sehr warm diese Idee, und wir sind absolut dafür."
Zweifel am Sinn eines Denkmals äußerte der frühere DDR-Bürgerrechtler und letzte Außenminister der DDR, Markus Meckel. Er befürchtet eine "Nationalisierung des Gedenkens" und schlägt statt eines Denkmals ein Dokumentationszentrum zur Erinnerung an den Vernichtungskrieg der Deutschen im Osten vor.
"Dieses ganze Geschehen in seiner Differenziertheit ist in Deutschland viel zu wenig bekannt. Und deshalb ist der Vorschlag: Lasst uns nicht nur ein Denkmal bauen und schon gar nicht nur eins für eine Nation, sondern lasst uns an diese furchtbaren Realitäten insgesamt erinnern."
Die Partei Die Linke hat zudem die Idee eines deutsch-polnischen Doppelmuseums in Berlin in die Diskussion gebracht. Es solle gegenseitiges Interesse und Verständigung im Verhältnis beider Nationen schaffen, Wissenslücken schließen und eine vertrauensvolle Nachbarschaft stärken.