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Aachener Oberbürgermeister Franz Oppenhoff
Ermordet auf Befehl Himmlers

Die amerikanischen Truppen setzten nach der Einnahme von Aachen im Herbst 1944 den Rechtsanwalt Franz Oppenhoff als Oberbürgermeister ein. Er wurde auf Befehl von Heinrich Himmler am 25. März 1945, vor 75 Jahren, von einem NS-Spezialkommando ermordet – wirklich gesühnt wurde dieses Verbrechen nicht.

Von Wolfgang Stenke | 25.03.2020
    Der NS-Verbrecher Heinrich Himmler, im Hintergrund Soldaten.
    Heinrich Himmler ordnete den Mord an Franz Oppenhoff an (picture-alliance / dpa)
    Heinrich Himmler: "Unsere Gegner müssen begreifen lernen: Auch in dem Gebiet, das sie glauben, erobert zu haben, wird immer wieder in ihrem Rücken der deutsche Widerstand wieder auflodern."
    Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Reichsinnenminister, am 18. Oktober 1944.
    "Und wie die Werwölfe werden todesmutige Freiwillige dem Feinde schaden und seine Lebensfäden abschneiden."
    Nur drei Tage nach Himmlers Propagandarede, am 21. Oktober 1944, eroberten amerikanische Truppen Aachen. Der Krönungsort Karls des Großen war die erste deutsche Großstadt, die in die Hände der Alliierten fiel. In den Trümmern Aachens lebten noch etwa 6.000 Zivilisten. Das US-Militär stand vor der Aufgabe, Versorgung und Verwaltung wieder in Gang zu bringen.
    Franz Oppenhoff wurde zum Oberbürgermeister ernannt
    Durch Vermittlung des katholischen Bischofs von Aachen stellte sich der Rechtsanwalt Franz Oppenhoff den Besatzern zur Verfügung. Sie ernannten den gläubigen Katholiken, der Priester und Ordensleute gegen das NS-Regime verteidigt hatte, Ende Oktober 1944 zum Oberbürgermeister, da er unbelastet war. Den Nazis galten der Chef der Notverwaltung und seine Mitarbeiter als feindliche Kollaborateure. Robert Murphy, Berater des alliierten Oberbefehlshabers Eisenhower, schrieb damals in einem Bericht an das State Department:
    "Die Männer, die jetzt die Führung der Stadt übernommen haben, wissen, wenn sie auf die Straße gehen, nicht genau, ob nicht irgend jemand einen Anschlag auf sie vorhat."
    Zwar versprachen die Amerikaner Oppenhoff Geheimhaltung, doch aufgrund von Berichten der internationalen Presse sickerte sein Name bald durch. Er war noch keine fünf Monate im Amt, als ihn am 25. März 1945 auf Himmlers Befehl ein Mordkommando in seinem Aachener Haus erschoss.
    "Der Werwolf wird nicht ruhen und nicht rasten, bis jeder deutsche Gau wieder vom Feind gesäubert ist. Jetzt rufen wir Werwölfe alle revolutionären Herzen auf: Den Feind vernichten, schlagen und wieder schlagen! Tod unseren Feinden, Sieg unserer Freiheit!"
    NS-Regime ließ Oppenhoff ermorden
    Anschläge, die Goebbels’ Radiopropaganda als Widerstand einer im Volk verankerten Guerilla verkaufte, waren in Wirklichkeit bloß vom NS-Regime befohlene Terrorakte, die den Krieg verlängerten. Im Falle Oppenhoff lief das Unternehmen unter dem Decknamen "Karneval". Das Mordkommando bestand aus vier SS-Männern, einem 16-jährigen Hitlerjungen und einer ortskundigen Führerin aus dem Bund Deutscher Mädel. Ein in Hildesheim gestartetes Beuteflugzeug vom US-Typ B 17, eine sogenannte "Fliegende Festung", setzte sie per Fallschirm dicht hinter der belgischen Grenze ab. Von dort schlug die Gruppe sich nach Aachen durch. Im Dreiländereck tötete sie einen niederländischen Zöllner. Als das Kommando Oppenhoff an seinem Haus begegnete, ermordete einer der SS-Leute ihn mit einem Kopfschuss. Das geschah am Palmsonntag des Jahres 1945, spätabends. Tags darauf informierte die Stadtverwaltung die Bürger Aachens mit einem Plakat über das Attentat:
    "Der Verstorbene hat das Verdienst, in bitterster Kriegszeit unter Hintansetzung aller persönlichen Interessen den Verwaltungsaufbau in der schwer zerstörten Stadt Aachen in Angriff genommen zu haben. Die Stadt Aachen dankt ihm dies über das Grab hinaus."
    Franz Oppenhoff wurde nur 42 Jahre alt. Als er ermordet wurde, stand er kurz vor der Absetzung durch die Amerikaner. Da der Oberbürgermeister sich vor allem auf katholische Honoratioren gestützt hatte, warf ein US-Nachrichtendienstler ihm vor, Oppenhoff habe unbelastete Politiker aus SPD und KPD übergangen, um in Aachen ein klerikal-faschistisches Regime zu errichten.
    Oppenhoffs Mörder wurde auf der Flucht ins unbesetzte Gebiet durch eine Mine getötet, zwei andere aus dem Kommando erlitten Verletzungen. Das Aachener Schwurgericht sprach 1949 zwei der Überlebenden, die zur Tatzeit noch Jugendliche waren, frei. Die anderen bekamen Haftstrafen von ein bis vier Jahren. In folgenden Verfahren wurden die Strafen abgemildert – wegen "Befehlsnotstands" - und 1954 schließlich ganz erlassen. Der Vorsitzende Richter war 1937 in die NSDAP eingetreten und hatte auch als Mitglied eines NS-Sondergerichts amtiert.