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Ab ins tiefe Blau

Technologie.- Pinguine in der Antarktis, Aale in Indonesien, Meeresschildkröten in Japan: Verschiedene Tiere wurden bereits mit sogenannten Biologgern ausgestattet. Dabei handelt es sich um Sensoren, die Tempo, Temperatur und Bewegungen erfassen.

Von Jenny von Sperber | 24.01.2011
    In seiner Hand hält der Wissenschaftler einen schwarzen Zylinder, etwas kleiner als ein Lippenstift. Er wiegt keine 20 Gramm. Katsufumi Sato hat dieses winzige Gerät entwickelt und wenn er es an ein Meerestier klebt und auf Reisen schickt, spuckt es ihm anschließend Informationen aus, von denen Verhaltens- und Meeresbiologen seit vielen Jahren nur träumen konnten.

    "Dieser Logger hat vier Kanäle. Ein Parameter ist die Tiefe, also zum Beispiel die Tauchtiefe eines Pinguins. Auf dem zweiten Kanal messen wir die Beschleunigung. Einerseits die Beschleunigung der Körperachse, aber auch die Flügelschläge von Seevögeln. Der letzte Parameter ist die Wassertemperatur. Wenn ich den Logger also wiederbekomme, weiß ich wirklich im Detail Bescheid über das Verhalten des Tieres."

    Wenn! Manchmal gehen die 4000-US-Dollar Logger auch verloren. Wobei Pinguine und Seevögel die verlässlichsten Träger sind, da sie meist an genau die gleichen Punkte zurückkehren.

    "Ich klebe die Logger auf den Rücken oder den Bauch von Seevögeln. Das mache ich mit wasserdichtem tape. Mit Klebeband aus Deutschland übrigens! Es ist das beste, um die Logger fest anzubringen."

    Sato wollte herausfinden, wie schwer ein Vogel maximal sein darf, damit er noch fliegen kann. Seit vielen Jahren versuchen Wissenschaftler das zu berechnen. Aber es ist schwierig, da Gestalt und Flugmuster von Vögeln sehr verschieden sind.

    Zu den größten flugfähigen Vögeln der Erde gehören Albatrosse. Deswegen befestigte der Forscher seine sogenannten Bio-Logger auf verschiedenen Arten von Albatrossen und Sturmvögeln. Beide haben lange schmale Flügel und nutzen beim Fliegen den dynamischen Segelflug. Sie nutzen also Winde, um darauf wie ein Segelflugzeug tausende von Kilometern durch die Luft zu gleiten.

    "Meine Messungen zeigten, dass sie zwar einen großen Teil der Flugzeit im Segelflug verbrachten, aber niemals 100 Prozent des Flugs! Alle Vögel mussten selbst im Segelflug ab und zu mit den Flügeln schlagen, um ihr Tempo zu halten."

    Es ist also ein minimaler Flügelschlag nötig, um in der Luft zu bleiben. Ebenso gibt es einen maximalen Flügelschlag, der durch die Muskelkraft des Vogels begrenzt ist. Stärker flattern schafft er einfach nicht. Sato maß nun Seevolgelarten ähnlicher Gestalt und stellte fest, dass die Flügelschlagfrequenzen mit steigender Größe linear abnahmen. Je schwerer der Vogel, desto langsamer sein Flügelschlag. Setzte er nun diese Gleichung für Tiere fort, die noch schwerer als Albatrosse wären, so kam er auf ein eindeutiges Maximalgewicht: 41 Kilogramm. Denn dort wären maximal möglicher und minimal nötiger Flügelschlag gleich.

    Nun soll es aber vor vielen Millionen Jahren sehr viel größere fliegende Tiere gegeben haben. Den 70 Kilogramm schweren Flugsaurier Quetzalcoatlus zum Beispiel.

    Sato zweifelt das jetzt an:

    "Ich denke, es war unmöglich für ihn über längere Strecken zu fliegen. Seine Größe war weit über dem Limit. Natürlich ist der Flugsaurier etwas anderes als ein Seevogel, aber ihre Fossilien zeigen, dass sie ganz ähnliche Flügel hatten wie der Albatros, lang und schmal. Die meisten Paläontologen glauben ja, dass sie nicht zum aktiven Schlagflug in der Lage waren, sondern auf dynamischen Segelflug angewiesen waren. Aber meine Daten zeigen jetzt, dass sie auch den nicht nutzen konnten. Meine Schlussfolgerung ist nämlich die: Der große Flugsaurier konnte nicht genug mit den Flügeln schlagen, um in der Luft zu bleiben. Auch nicht im Segelflug."

    Deshalb vermutet Sato, dass die Größe des Quetzalcoatlus bisher weit überschätzt wurde. Die Flügelspannweite von zehn Metern wurde schließlich nur aus einzelnen fossilen Fragmenten berechnet. Eine andere denkbare Erklärung wäre, dass der Flugsaurier nicht den Segelflug nach Art des Albatrosses, sondern im Stil eines anderen großen Vogels flog: des Kondors. Der nutzt Aufwinde in den Bergen, um darauf zu segeln. Als nächstes möchte Sato deswegen auch den Kondor mit seinen kleinen leichten Bio-Loggern ausstatten, um auch dessen Flug zu vermessen.

    Übersichtsseite zum Japanschwerpunkt in Forschung aktuell