Graefe zu Baringdorf: Die Europäer haben ein Angebot gemacht, dass alle Agrarexportsubventionen zur Disposition stehen, also nach der Vorstellung der Europäer abgebaut werden können, und das ist ein vernünftiger Vorschlag, weil Europa zu den größten Importgebieten für Lebens- und Nahrungsmittel der Welt gehört und mit den 450 Millionen Menschen jetzt den größten Binnenmarkt darstellt. Von daher war die Exportsubventionierung, dieses Dumping mit Agrarprodukten schon seit langem eine sehr unverständliche und unwirtschaftliche Geschichte, sodass das auch im Interesse Europas liegt. Dieses könnte Bewegung bringen, bringt aber die Amerikaner in Schwierigkeiten, die ihrerseits ja nun zu einem Überschussgebiet für Nahrungsmittel gehören und versuchen, über Dumping, Exportsubventionen oder über Versicherungszuwendungen an die Landwirtschaft und die Agrarwirtschaft diese Exportsubventionierung, die abgebaut werden wird, zu unterlaufen, und da liegt der eigentliche Konflikt. Die Amerikaner wollen aber ihrerseits, dass sich die Länder der Dritten Welt nun öffnen ihren Dienstleistungen, ihren Versicherungen und Banken. Da liegt der Konflikt, weil die Länder der Dritten Welt natürlich auch vorsichtig sind, weil sie ihre eigene Grundernährung sichern wollen und nicht von den gesamten Agrarexporten der Amerikaner abhängig werden wollen.
Koczian: Das erweckt den Eindruck, als ginge es fast ausschließlich um Agrarpolitik. Ist das andere alles wirklich nebensächlich?
Graefe zu Baringdorf: Na ja, die Ernährung ist nun einmal für uns Menschen a priori eine wichtige Sache und für die Länder der Dritten Welt ganz besonders. Man könnte ja meinen, sie sollten sich nicht so querstellen. Wenn Amerika sie ernährt, wäre es doch gut. Aber Amerika kann die Welt nicht ernähren, Europa erst recht nicht, sondern die Ernährung muss von diesen Ländern selbst geleistet werden. Von daher ist die Ernährungsfrage für die Länder der Dritten Welt wichtig, aber wichtig ist natürlich auch, dass sie nicht überstülpt werden im Aufbau ihrer industriellen und Dienstleistungswirtschaft, und da wollen die Amerikaner reingehen, bevor überhaupt dieser Aufbau losgegangen ist, um die Finger da drin zu haben. Das ist das große amerikanische Kapital, was hier die Interessen bestimmt.
Koczian: Sie haben vorhin das europäische Interesse genannt, ein Markt, der importieren muss. Aber ist denn die Interessenlage in Deutschland und Frankreich beispielsweise wirklich vergleichbar?
Graefe zu Baringdorf: Nein, sie ist nicht vergleichbar, weil innerhalb der Europäischen Union Frankreich ein Agrarüberschussgebiet ist. Insgesamt ist die Europäische Union ein Defizitgebiet, aber für Frankreich spielt die Agrarwirtschaft eine große Rolle. Für Deutschland nicht: Deutschland ist wiederum das größte Importgebiet für Lebensmittel in der Europäischen Union, und da gibt es Interessengegensätze. Immer wenn wir auch aus Exportinteressen für die Industrie sagen, wir können hier ein Angebot machen im Agrarbereich, dann sagen die Franzosen, es gab aber mal nach dem Krieg eine Übereinkunft innerhalb der europäischen Agrarpolitik, dass es einen bestimmten Schutz für die Agrarprodukte gab und damit einen Schutz für die französische Agrarwirtschaft. Das spielt jetzt in dieser innereuropäischen Diskussion eine Rolle.
Koczian: Vor einem Jahrzehnt gab es einmal eine wissenschaftliche Untersuchung, die herausfand, dass in manchen europäischen Regionen auf vier produzierende Landwirte ein Landwirtschaftspolitikverwalter kam. Das heißt, die Bürokratie war aus Eigeninteresse an der Regulierungsmaxime interessiert. Spielt das heute noch mit?
Graefe zu Baringdorf: Wir haben in der letzten Reform, die innerhalb Europas gelaufen ist, diese Bürokratie jedenfalls in der Tendenz zurückgenommen und haben dem Markt hier wieder stärkeres Gewicht gegeben. Das war und ist die Voraussetzung auch für eine größere Beweglichkeit, die Kommissar Fischler jetzt in Genf hat, indem er nämlich sagen kann, wenn wir hier die Subventionen abbauen, die bürokratisch dafür gesorgt haben, dass wir partiell in einem Gebiet Überschüsse erzielt haben, was grundsätzlich keine Überschüsse, sondern ein Defizit hat, haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass wir auch das Angebot machen können, die Exportsubventionen abzubauen. Mehr Markt hier bedeutet auch nach außen hin mehr Markt. Dennoch werden wir auch weiterhin einen so genannten qualifizierten Außenschutz gegenüber Dumpingprodukten - kommen sie nun aus Amerika oder aus Ländern der Dritten Welt - haben, wobei es bei der Dritten Welt in der Regel nicht um staatlich subventionierte Produkte geht, sondern, ich will es mal vorsichtig sagen, auf einer gewissen Ausbeutung in der Produktion beruhenden Dumpings geschieht.
Koczian: Sie nannten vorher Franz Fischler. Er ist von Österreich nicht mehr als EU-Kommissar nominiert worden. Verliert die Kommission damit eines ihrer farbigsten Momente? Wie beurteilen Sie die Ära Fischler?
Graefe zu Baringdorf: Kommissar Fischler war ein absoluter Profi, was die fachliche Seite anbelangt, und er war und ist ein politischer Fuchs. Wenn man ihn in Genf hat, kann man ruhig schlafen, als Agrarier, aber auch als Europäer, weil er sich auch von den Amerikanern nicht über den Tisch ziehen lässt. Denn die Amerikaner fahren die Strategie, den Ländern der Dritten Welt zu signalisieren, bitteschön, wir sorgen dafür, dass wir euch den europäischen Markt öffnen, dafür müssen wir aber die Öffnung kriegen für unsere Kapitalinteressen. Hier ist der Kommissar Fischler ein exzellenter Kenner auch der amerikanischen Strategie. Von daher verlieren wir eine der wirklich fähigsten Personen in der Europäischen Kommission. Leider ist er nicht wieder benannt worden. Es war für die Landwirtschaft und die europäische Agrarwirtschaft ein Glücksfall in den letzten zehn Jahren.
Koczian: Das erweckt den Eindruck, als ginge es fast ausschließlich um Agrarpolitik. Ist das andere alles wirklich nebensächlich?
Graefe zu Baringdorf: Na ja, die Ernährung ist nun einmal für uns Menschen a priori eine wichtige Sache und für die Länder der Dritten Welt ganz besonders. Man könnte ja meinen, sie sollten sich nicht so querstellen. Wenn Amerika sie ernährt, wäre es doch gut. Aber Amerika kann die Welt nicht ernähren, Europa erst recht nicht, sondern die Ernährung muss von diesen Ländern selbst geleistet werden. Von daher ist die Ernährungsfrage für die Länder der Dritten Welt wichtig, aber wichtig ist natürlich auch, dass sie nicht überstülpt werden im Aufbau ihrer industriellen und Dienstleistungswirtschaft, und da wollen die Amerikaner reingehen, bevor überhaupt dieser Aufbau losgegangen ist, um die Finger da drin zu haben. Das ist das große amerikanische Kapital, was hier die Interessen bestimmt.
Koczian: Sie haben vorhin das europäische Interesse genannt, ein Markt, der importieren muss. Aber ist denn die Interessenlage in Deutschland und Frankreich beispielsweise wirklich vergleichbar?
Graefe zu Baringdorf: Nein, sie ist nicht vergleichbar, weil innerhalb der Europäischen Union Frankreich ein Agrarüberschussgebiet ist. Insgesamt ist die Europäische Union ein Defizitgebiet, aber für Frankreich spielt die Agrarwirtschaft eine große Rolle. Für Deutschland nicht: Deutschland ist wiederum das größte Importgebiet für Lebensmittel in der Europäischen Union, und da gibt es Interessengegensätze. Immer wenn wir auch aus Exportinteressen für die Industrie sagen, wir können hier ein Angebot machen im Agrarbereich, dann sagen die Franzosen, es gab aber mal nach dem Krieg eine Übereinkunft innerhalb der europäischen Agrarpolitik, dass es einen bestimmten Schutz für die Agrarprodukte gab und damit einen Schutz für die französische Agrarwirtschaft. Das spielt jetzt in dieser innereuropäischen Diskussion eine Rolle.
Koczian: Vor einem Jahrzehnt gab es einmal eine wissenschaftliche Untersuchung, die herausfand, dass in manchen europäischen Regionen auf vier produzierende Landwirte ein Landwirtschaftspolitikverwalter kam. Das heißt, die Bürokratie war aus Eigeninteresse an der Regulierungsmaxime interessiert. Spielt das heute noch mit?
Graefe zu Baringdorf: Wir haben in der letzten Reform, die innerhalb Europas gelaufen ist, diese Bürokratie jedenfalls in der Tendenz zurückgenommen und haben dem Markt hier wieder stärkeres Gewicht gegeben. Das war und ist die Voraussetzung auch für eine größere Beweglichkeit, die Kommissar Fischler jetzt in Genf hat, indem er nämlich sagen kann, wenn wir hier die Subventionen abbauen, die bürokratisch dafür gesorgt haben, dass wir partiell in einem Gebiet Überschüsse erzielt haben, was grundsätzlich keine Überschüsse, sondern ein Defizit hat, haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass wir auch das Angebot machen können, die Exportsubventionen abzubauen. Mehr Markt hier bedeutet auch nach außen hin mehr Markt. Dennoch werden wir auch weiterhin einen so genannten qualifizierten Außenschutz gegenüber Dumpingprodukten - kommen sie nun aus Amerika oder aus Ländern der Dritten Welt - haben, wobei es bei der Dritten Welt in der Regel nicht um staatlich subventionierte Produkte geht, sondern, ich will es mal vorsichtig sagen, auf einer gewissen Ausbeutung in der Produktion beruhenden Dumpings geschieht.
Koczian: Sie nannten vorher Franz Fischler. Er ist von Österreich nicht mehr als EU-Kommissar nominiert worden. Verliert die Kommission damit eines ihrer farbigsten Momente? Wie beurteilen Sie die Ära Fischler?
Graefe zu Baringdorf: Kommissar Fischler war ein absoluter Profi, was die fachliche Seite anbelangt, und er war und ist ein politischer Fuchs. Wenn man ihn in Genf hat, kann man ruhig schlafen, als Agrarier, aber auch als Europäer, weil er sich auch von den Amerikanern nicht über den Tisch ziehen lässt. Denn die Amerikaner fahren die Strategie, den Ländern der Dritten Welt zu signalisieren, bitteschön, wir sorgen dafür, dass wir euch den europäischen Markt öffnen, dafür müssen wir aber die Öffnung kriegen für unsere Kapitalinteressen. Hier ist der Kommissar Fischler ein exzellenter Kenner auch der amerikanischen Strategie. Von daher verlieren wir eine der wirklich fähigsten Personen in der Europäischen Kommission. Leider ist er nicht wieder benannt worden. Es war für die Landwirtschaft und die europäische Agrarwirtschaft ein Glücksfall in den letzten zehn Jahren.