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Abfall
Müll verwerten, aber richtig

Die Deutschen haben 2012 eine halbe Million Tonnen weniger Hausmüll produziert als im Jahr zuvor, insgesamt aber immer noch 36 Millionen Tonnen. Das teilte das Statistische Bundesamt heute mit. Tipps, wie man Müll besser verwertet, gab der Naturschutzbund bei einer Veranstaltung in Berlin.

Von Philip Banse | 16.01.2014
    Als Erstes - das klingt banal - sollten wir Abfall vermeiden, sagt Benjamin Bongardt vom Naturschutzbund:
    "Die Verbraucher sollten eigentlich frei nach dem Motto 'Ich bin zum arm, um billig zu kaufen', hochwertige Ware kaufen, diese lange nutzen. Wenn sie sie nicht weiter nutzen, können sie sie weiter verkaufen oder sie an solche Wiederverwendungsbetriebe geben."
    "Solche Wiederverwendungsbetriebe", damit sind Unternehmen gemeint, die Sperrmüll aufarbeiten, wieder verkaufen, so den Lebenszyklus eines Gegenstands weiter verlängern und die Umwelt schonen. Allein bei großen Elektrogeräten kann es ökologisch sinnvoll sein, sie nach acht, neu Jahren auszutauschen, obwohl sie noch funktionieren, einfach weil neue Geräte so viel sparsamer mit Strom umgehen. In der Regel gilt jedoch: So lange nutzen wie möglich, Verbrennen und Recyceln sind nur die zweitbeste Lösung, sagt Benjamin Bongardt vom NABU.
    "Es gibt aus Umweltsicht sehr viele Argumente, Dinge nicht zu recyceln, sondern sie vorab schon länger zu nutzen. Dafür müssen sie häufig aufgearbeitet, repariert und schöner gemacht werden. Der Effekt, die natürlichen Ressourcen zu schonen, der ist so groß, dass es einen wesentlichen Vorteil zum Recycling gibt aber natürlich auch gegenüber der Verbrennung."
    Recyling als Geschäftsmodell
    Aufarbeitung von Abfall hat viele Formen: Kommunale Müll-Betrieb verschenken gute Sofas, Kirchen sammeln Sperrmüll für Arme, Entrümpler versilbern Wohnungsauflösungen. Auf einer Tagung in Berlin will der NABU jedoch eine ganz spezielle Wiederverwertungs-Szene vernetzen und stärken:
    "Uns geht es auf der Tagung darum, diese Betriebe zu stärken, die auch ein Business-Modell dahinter haben."
    Wie zum Beispiel Claudio Vendramin vom Arbeitskreis Recycling aus Herford. Wer in Herford Sperrmüll loswerden will, kann den Arbeitskreis Recycling anrufen, der schickt dann Lkw und Personal vorbei:
    "Im Elektroschrott-Bereich läuft das so: Wir machen erst eine optische Prüfung. Zerkratzt? Kaputt? Geknickt? Dann gibt es eine elektrische Prüfung, das heißt, ist es sicher? Und als Drittes noch Funktion und dann geht es in den Verkauf."
    In Vendramins "Second Hand Supermarkt" werden so jeden Monat rund 100.000 Artikel verkauft, sagt er. Tassen, Töpfe, Spielzeug, Rasenmäher bekommen eine zweite Chance, leben länger. Mit dem Geld werden 150 Mitarbeiter bezahlt, die meisten davon sind jedoch Langzeitarbeitslose, die Zuschüsse vom Staat bekommen. Da ist Jörg Bernhardt schon weiter. Er ist Geschäftsführer der Stilbruch GmbH, einer Tochter der Hamburger Stadtreinigung. Auch Stilbruch sammelt verwertbaren Sperrmüll und verkauft ihn. 60 Mitarbeiter machten letztes Jahr einen Umsatz von 2,5 Millionen Euro. Mit Sperrmüll.
    Verwertbarer Sperrmüll wird verkauft
    "Das trägt sich. Wir haben drei Jahre gebraucht, bis wir aus den Miesen raus gekommen sind; haben am Anfang auch noch Förderung gehabt über Personal, was arbeitslos war, was also von der ARGE gefördert wurde, auch davon haben wir uns vor zweieinhalb Jahren verabschiedet und arbeiten jetzt nur noch mit angestelltem Personal, also als ganz normale Firma."
    Der Clou bei Stilbruch: Wenn Hamburger bei der Stadtreinigung ihren Sperrmüll entsorgen wollen, bringt die sofort Stilbruch ins Spiel und bittet darum, wieder verwertbaren Sperrmüll auf einen extra Haufen zu legen. Dann schickt die Hamburger Stadtreinigung zwei LKW: einen Müllwagen und einen von Stilbruch. Solche Unternehmen und Kooperationen müssten viel stärker gefördert werden, fordert der Naturschutzbund - schließlich schreibt ein Gesetz vor, das Abfall erst vermieden, dann wieder verwertet werden muss und erst dann verbrannt oder recycelt werden darf.
    "Der Bund und die Länder sind einzigen Institutionen, die das ganze in die Fläche bringen können und darum geht es uns bei dieser Tagung. Zum Beispiel kann man als Bund oder Land seine Effizienzagenturen - die gibt es, das sind Beratungsinstitutionen - darauf trimmen, auch die Wiederverwertung in den Fokus zu nehmen. Man kann innerhalb der landesweiten Abfallwirtschaftspläne Ziele festschreiben: Was will ich erreichen? Und wenn diese Ziele da sind, dann funktionieren auch die Kommunen und die kommunalen Unternehmen und sagen, ja, hier müssen wir was machen."
    So könnte auch eine bisher kaum genutzte Quelle angezapft werden: Auf Recyclinghöfen landen sehr viele Geräte, die sich noch nutzen und verkaufen ließen.