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Abgase im Flugverkehr
Feinstaub kommt auch von oben

Nicht nur Diesel-Fahrzeuge produzieren Feinstaub, sondern auch Flugzeuge beim Verbrennen von Kerosin. Eine neue Analysetechnik aus der Schweiz macht die Messung im heißen Abgasstrahl nun möglich. Die Schweizer haben auch Ideen, wie der Rußausstoß drastisch reduziert werden könnte.

Von Volker Mrasek | 31.05.2016
    Ein Passagierjet fliegt bei klarer Sicht am blauen Himmel und zieht vier lange Kondenzstreifen hinter sich her.
    Wasser kondensiert an den Abgasen in großer Höhe zu Kondenzstreifen. Die Rußpartikel selbst sind unsichtbar, weil sie so klein sind. (dpa-Zentralbild / Patrick Pleul)
    "Ein bisschen höher fahren vielleicht noch. Dieses surrende Geräusch ist die Abgassonde, die vertikal und horizontal verfahren werden kann."
    Ein Triebwerksprüfstand am Flughafen Zürich. Frithjof Siegerist ist hier der Verantwortliche. Auf einer Hebebühne fährt er ein Stück nach oben. Neben ihm Benjamin Brem, Umweltingenieur bei der EMPA. Das ist das staatliche Institut für Materialwissenschaften in der Schweiz. Im Blick der beiden Männer: Ein klobiger, abgewinkelter Metallarm direkt unter der Decke.
    "Man kann es beschreiben wie einen Riesenrüssel. Er wiegt im Gesamten etwa 850 Kilogramm. Vorne hat man ein spezielles Material, das ist hochtemperaturbeständig bis circa 850 Grad. Die Abgase bei höchstem Startschub werden im Schnitt bis etwa 700 Grad heiß."
    Mit dem hitzeresistenten Rüssel ist es zum ersten Mal möglich, den Rußausstoß heutiger Passagierflugzeuge hochpräzise zu bestimmen.
    "Man kann eine spezifische Position im Abgasstrom, im heißen Abgasstrom, anfahren, und dann leiten wir das Abgas über ein Leitungssystem zu unseren Messgeräten."
    Flugzeuge sind sauberer geworden
    Passagiermaschinen produzieren zwar schon lange keine dunklen Rauchschwaden mehr, wenn sie starten. Die Triebwerke sind sauberer geworden, sie verbrennen Kerosin heute effizienter. Doch Ruß stoßen sie immer noch aus. Man sieht ihn nur nicht mehr. Die Größe der Partikel liegt im unteren Nanometer-Bereich - unsichtbar auch für Benjamin Brehms Augen.
    "Man hat praktisch keine Massenemission mehr. Sie sind extrem klein, diese Partikel. Dafür hat man eine sehr hohe Anzahl."
    Die ist viel größer als zum Beispiel beim Diesel-Pkw. Selbst im sogenannten Taxischub, wenn die Maschinen zur Startbahn rollen:
    "Im Taxischub entspricht eine Sekunde Laufzeit etwa 60 Kilometer Autofahrt von einem Euro-6-Dieselfahrzeug mit Filter."
    Die ultrafeinen Staubteilchen aus den Jettriebwerken können tief in die Lunge vordringen, wenn wir sie einatmen. Sie sind sogar noch kleiner als die Rußpartikel im Dieselabgas. Und schon die gelten als gesundheitsschädlich.
    Filter lösen das Rußproblem nicht
    Ein Abgasfilter wie bei Autos kommt bei Düsenjets allerdings nicht in Betracht: Weil Flugzeuge einen Teil ihres Schubs aus dem heißen Abgas beziehen. Ein Partikelfilter würde einen Strömungswiderstand darstellen und die Flugzeuge zu viel Antriebsenergie kosten.
    "Wir stehen jetzt hier im Operator Room für diesen Prüflauf."
    Zurück zum Prüfstand am Zürcher Flughafen und zu Testingenieur Frithjof Siegerist:
    "Ein Operator bedient den Schubhebel, der analog wie im Flugzeug ist. Der zweite Operator gibt die Testsequenz vor, bedient aber nicht den Schubhebel."
    Auch ohne Partikelfilter könnten Flugzeuge bald deutlich weniger Feinstaub ausstoßen. Das haben Benjamin Brem und seine Kollegen bei ihren Abgasmessungen mit der neuen Analysetechnik herausgefunden:
    "Der größte Einfluss ist der Treibstoff. Und unsere Forschung hat eigentlich gezeigt: Wenn man die Aromaten reduzieren könnte im Flugzeugtreibstoff, zur Zeit sind die etwa bei 18 Prozent, könnte man auch die Feinstaub-Emissionen nach unten bringen."
    Aromaten sind ringförmige Kohlenwasserstoffe, die aus dem Rohöl stammen. Typischer Vertreter seien Naphthalin und Benzolverbindungen, sagt Lukas Durdina, Maschinenbau-Ingenieur und Doktorand an der ETH Zürich:
    "Wir haben gefunden: Wenn man die Aromaten nur um fünf Prozent reduziert, können die Emissionen halbiert werden."
    Bio-Kraftstoff aus Pflanzen verbrennt sauberer
    Besonders rußarm verbrennt auch Bio-Kerosin, das aus Algen oder anderen Pflanzen produziert wird. Eigentlich enthält es gar keine Aromaten. Nur aus technischen Gründen werden sie dem Bio-Sprit zugemischt. Oft sind es nur acht Prozent und nicht 18 wie beim Standard-Kerosin. Es gäbe also einen Weg, um Feinstaub-Emissionen auch bei Flugzeugen zu verringern.
    Benjamin Brem: "Die Luftfahrt ist eigentlich in dieser Sache ein wenig ins Hintertreffen geraten." Doch jetzt bietet sich die Chance, aktiv zu werden. Raffinerien könnten ein Kerosin produzieren, das weniger rußbildende Aromaten enthält.
    Normalerweise dauert es zwar lange, neue Treibstoffe für Flugzeuge einzuführen. Das weiß auch Umweltingenieur Brem:
    "Es hat viel mit Sicherheitsaspekten zu tun. Man muss aber sagen: Alternative Treibstoffe werden schon gebraucht. Also, man darf jetzt eigentlich schon runter bis acht Prozent."