Simonis: Guten Morgen.
Remme: Frau Simonis, wurden Sie von diesen konkreten Plänen für die neue Steuer am Wochenende genauso überrascht wie wir?
Simonis: Ich war überrascht. Das gebe ich gerne zu. Wir sind über das Konzept und den Rahmen unterrichtet worden. Ich kann nicht genau sagen, ob das alles so aufgeht, wie man sich das vorstellt und wie man sich das wünscht, vor allem ob das Einkommen für die staatlichen Hände damit erzielt wird, wie ich mir das jedenfalls vorstelle, was wir zum Beispiel auf der Länderseite dringend brauchen, um unsere Aufgaben erfüllen zu können. Da meine beiden Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen die Federführung in dieser Frage übernommen hatten, muss man die jetzt fragen: haben euere Leute das mal durchgerechnet oder werden euere Leute das durchrechnen.
Remme: Glauben Sie denn, dass die offenkundige Absicht, den politischen Aspekt dieses Vorschlags vom Tisch zu kriegen, das heißt den Streit um die Vermögenssteuer, ob das gelingen kann?
Simonis: Das wird man sehen. Es muss in dieser Woche entschieden werden. Es muss auch möglichst schnell entschieden werden, damit Geld in unsere Kassen kommt. Es hat natürlich diese Abschlagssteuer gegenüber der Vermögenssteuer den Nachteil, dass diejenigen, von denen ich glaube, dass sie sich auch aus Gerechtigkeitsgründen am Aufbau unseres Staates beteiligen müssten, dass wir wieder flott kommen, dass es wieder nach vorne geht, höchstwahrscheinlich weniger dran sind mit der Abschlagssteuer als mit der Vermögenssteuer.
Remme: Ich brauche Geld, egal woher. Das ist ja verkürzt die Position Ihres Amtskollegen Siegmar Gabriel. Schließen Sie sich dem an?
Simonis: Im Grundsatz ja. So ist das beim Staat leider immer. Es geht nicht darum, irgendwelche Leute zu schröpfen, sondern wir stellen fest: die Konjunktur ist eingebrochen, die Körperschaftssteuer ist mehr als zusammengebrochen und hat noch die Höhe der Biersteuer und andere Steuerarten fließen auch nicht. Der Staat soll aber seine Aufgaben erfüllen, was insbesondere Bildung und ähnliche Fragen anbetrifft. Dann muss man gucken, wo ist die Steuer am gerechtesten. Ich hatte immer das Gefühl, bei der Vermögenssteuer ist eine gewisse Gerechtigkeit.
Remme: Das wollte ich Sie eben fragen. Sie haben diesen Vorschlag vermutlich aus Gerechtigkeitsgründen gemacht. Sehen Sie, dass dieses Motiv in den Plänen für die Abgeltungssteuer ebenso gut zum Ausdruck kommt?
Simonis: Es kommt zum Ausdruck, aber vielleicht nicht ebenso gut wie bei der Vermögenssteuer.
Remme: Beharren Sie also auf dieser Idee?
Simonis: Jetzt warten wir erst einmal ab, wie wir unterrichtet werden, was dabei herauskommt, was meine beiden Kollegen errechnen, ob das Geld zusammenkommt, was wir brauchen, oder wenigstens halbwegs zusammenkommt, was wir uns bis jetzt aus der Vermögenssteuer errechnet hatten. Dann muss die Entscheidung im Kabinett gefällt werden.
Remme: Herr Peffekoven hat eben gesagt, nein, das kann er sich überhaupt nicht vorstellen. Können Sie denn nachvollziehen, warum Leute, die Steuern vermeiden wollen und bisher genug kriminelle Energie gehabt haben, das Geld ins Ausland zu schaffen, nun reuig zurückkommen sollen?
Simonis: Ich glaube eher, der kleine Einkommensempfänger oder der Mittelständler wird sein Geld nicht nach Luxemburg tragen. Der hat auch gar keine Zeit für so etwas. Vielleicht hat er auch nicht die Nerven. Das sind eher andere Größenordnungen und ganz andere Einkommensempfänger. Nein, ich glaube nicht so sehr, dass sie mit reuigem Herzen an der Grenze stehen und nur auf das Zeichen warten, dass sie das Geld zurücktransferieren können. Aber vielleicht ist so ein Vorschlag wie die Abschlagssteuer geeignet, um weitere Fluchten ins Ausland zu verhindern.
Remme: Es gibt einen zweiten Aspekt dieses Vorschlags. Amnestie und Straffreiheit haben ja meistens einen etwas bitteren Beigeschmack. Sind sie dennoch gerechtfertigt, wenn es dringend benötigte Milliarden ins Land zurückholt, Frau Simonis?
Simonis: Jein. Wie bringe ich beispielsweise dem braven Steuerzahler bei, der nie im Traum daran gedacht hat, Geld zu hinterziehen, Steuern zu hinterziehen, dass andere, die das gemacht haben, nun auch noch eine Amnestie kriegen dafür, dass sie das tun, was er die ganze Zeit gemacht hat. Ich glaube aber, da muss man eher mit kühlem Herzen als Pragmatiker herangehen und sagen, wenn man es haben will, dass das Geld zurückkommt, dann ist das höchstwahrscheinlich das einzige Angebot, was man machen kann.
Remme: Sie glauben also jetzt, dass sich die Länder und der Bundeskanzler einigen können, oder steht da weiterer Streit ins Haus? Wir haben von Kakophonie und von Schlingerkurs viel gehört in den vergangenen Wochen.
Simonis: Ach wissen Sie, ich fand das immer gar nicht so schlimm. Das ist auch zum Teil sehr personalisiert worden: Simonis gegen Schröder, der gegen jenen und was weiß ich. Es ist eine schwierige Situation. Wir haben eine schwierige wirtschaftliche Situation und da fängt man natürlich an zu überlegen, was die beste Lösung ist, um da wieder herauszukommen. Da kommen unterschiedliche Vorschläge auf den Tisch. Niemand hat von einer Steuererhöhung gesprochen, keiner wollte die Mehrwertsteuer erhöhen, sondern es ging um eine Steuerart, die es übrigens immer noch gibt, die nur außer Kraft gesetzt worden ist, weil sie verfassungsrechtlich in einem Teil bedenklich ist, dass die wieder eingeführt worden wäre, was offensichtlich jetzt so aussieht, dass es dafür keine Mehrheiten im Bundesrat gibt.
Remme: Aber könnte man nicht dennoch vermuten - wir dürfen das Datum 2. Februar 20003 ja nicht ganz außer Acht lassen; die SPD muss natürlich darum bangen, mit weiteren Steuererhöhungsdebatten Wählerstimmen zu verlieren -, dass man nun sagt, mit diesem Vorschlag Abgeltungssteuer, ob er was bringt oder ob er nichts bringt, das kriegen wir bis zum 2. Februar nicht mehr heraus, wohl aber ist der Streit um die Vermögenssteuer dann vom Tisch?
Simonis: Das kann passieren und es wäre dann auch schön, wenn die Wirkung nach außen käme, dass die Leute das Gefühl hätten, wir machen uns an die Arbeit, um wieder den Karren ans Laufen zu kriegen. Aber am Ende des nächsten Jahres wird zählen, haben wir diese entsetzlichen Löcher in unseren Kassen ein bisschen dichter machen können oder nicht.
Remme: Heide Simonis war das, die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein. - Frau Simonis, danke für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio
Remme: Frau Simonis, wurden Sie von diesen konkreten Plänen für die neue Steuer am Wochenende genauso überrascht wie wir?
Simonis: Ich war überrascht. Das gebe ich gerne zu. Wir sind über das Konzept und den Rahmen unterrichtet worden. Ich kann nicht genau sagen, ob das alles so aufgeht, wie man sich das vorstellt und wie man sich das wünscht, vor allem ob das Einkommen für die staatlichen Hände damit erzielt wird, wie ich mir das jedenfalls vorstelle, was wir zum Beispiel auf der Länderseite dringend brauchen, um unsere Aufgaben erfüllen zu können. Da meine beiden Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen die Federführung in dieser Frage übernommen hatten, muss man die jetzt fragen: haben euere Leute das mal durchgerechnet oder werden euere Leute das durchrechnen.
Remme: Glauben Sie denn, dass die offenkundige Absicht, den politischen Aspekt dieses Vorschlags vom Tisch zu kriegen, das heißt den Streit um die Vermögenssteuer, ob das gelingen kann?
Simonis: Das wird man sehen. Es muss in dieser Woche entschieden werden. Es muss auch möglichst schnell entschieden werden, damit Geld in unsere Kassen kommt. Es hat natürlich diese Abschlagssteuer gegenüber der Vermögenssteuer den Nachteil, dass diejenigen, von denen ich glaube, dass sie sich auch aus Gerechtigkeitsgründen am Aufbau unseres Staates beteiligen müssten, dass wir wieder flott kommen, dass es wieder nach vorne geht, höchstwahrscheinlich weniger dran sind mit der Abschlagssteuer als mit der Vermögenssteuer.
Remme: Ich brauche Geld, egal woher. Das ist ja verkürzt die Position Ihres Amtskollegen Siegmar Gabriel. Schließen Sie sich dem an?
Simonis: Im Grundsatz ja. So ist das beim Staat leider immer. Es geht nicht darum, irgendwelche Leute zu schröpfen, sondern wir stellen fest: die Konjunktur ist eingebrochen, die Körperschaftssteuer ist mehr als zusammengebrochen und hat noch die Höhe der Biersteuer und andere Steuerarten fließen auch nicht. Der Staat soll aber seine Aufgaben erfüllen, was insbesondere Bildung und ähnliche Fragen anbetrifft. Dann muss man gucken, wo ist die Steuer am gerechtesten. Ich hatte immer das Gefühl, bei der Vermögenssteuer ist eine gewisse Gerechtigkeit.
Remme: Das wollte ich Sie eben fragen. Sie haben diesen Vorschlag vermutlich aus Gerechtigkeitsgründen gemacht. Sehen Sie, dass dieses Motiv in den Plänen für die Abgeltungssteuer ebenso gut zum Ausdruck kommt?
Simonis: Es kommt zum Ausdruck, aber vielleicht nicht ebenso gut wie bei der Vermögenssteuer.
Remme: Beharren Sie also auf dieser Idee?
Simonis: Jetzt warten wir erst einmal ab, wie wir unterrichtet werden, was dabei herauskommt, was meine beiden Kollegen errechnen, ob das Geld zusammenkommt, was wir brauchen, oder wenigstens halbwegs zusammenkommt, was wir uns bis jetzt aus der Vermögenssteuer errechnet hatten. Dann muss die Entscheidung im Kabinett gefällt werden.
Remme: Herr Peffekoven hat eben gesagt, nein, das kann er sich überhaupt nicht vorstellen. Können Sie denn nachvollziehen, warum Leute, die Steuern vermeiden wollen und bisher genug kriminelle Energie gehabt haben, das Geld ins Ausland zu schaffen, nun reuig zurückkommen sollen?
Simonis: Ich glaube eher, der kleine Einkommensempfänger oder der Mittelständler wird sein Geld nicht nach Luxemburg tragen. Der hat auch gar keine Zeit für so etwas. Vielleicht hat er auch nicht die Nerven. Das sind eher andere Größenordnungen und ganz andere Einkommensempfänger. Nein, ich glaube nicht so sehr, dass sie mit reuigem Herzen an der Grenze stehen und nur auf das Zeichen warten, dass sie das Geld zurücktransferieren können. Aber vielleicht ist so ein Vorschlag wie die Abschlagssteuer geeignet, um weitere Fluchten ins Ausland zu verhindern.
Remme: Es gibt einen zweiten Aspekt dieses Vorschlags. Amnestie und Straffreiheit haben ja meistens einen etwas bitteren Beigeschmack. Sind sie dennoch gerechtfertigt, wenn es dringend benötigte Milliarden ins Land zurückholt, Frau Simonis?
Simonis: Jein. Wie bringe ich beispielsweise dem braven Steuerzahler bei, der nie im Traum daran gedacht hat, Geld zu hinterziehen, Steuern zu hinterziehen, dass andere, die das gemacht haben, nun auch noch eine Amnestie kriegen dafür, dass sie das tun, was er die ganze Zeit gemacht hat. Ich glaube aber, da muss man eher mit kühlem Herzen als Pragmatiker herangehen und sagen, wenn man es haben will, dass das Geld zurückkommt, dann ist das höchstwahrscheinlich das einzige Angebot, was man machen kann.
Remme: Sie glauben also jetzt, dass sich die Länder und der Bundeskanzler einigen können, oder steht da weiterer Streit ins Haus? Wir haben von Kakophonie und von Schlingerkurs viel gehört in den vergangenen Wochen.
Simonis: Ach wissen Sie, ich fand das immer gar nicht so schlimm. Das ist auch zum Teil sehr personalisiert worden: Simonis gegen Schröder, der gegen jenen und was weiß ich. Es ist eine schwierige Situation. Wir haben eine schwierige wirtschaftliche Situation und da fängt man natürlich an zu überlegen, was die beste Lösung ist, um da wieder herauszukommen. Da kommen unterschiedliche Vorschläge auf den Tisch. Niemand hat von einer Steuererhöhung gesprochen, keiner wollte die Mehrwertsteuer erhöhen, sondern es ging um eine Steuerart, die es übrigens immer noch gibt, die nur außer Kraft gesetzt worden ist, weil sie verfassungsrechtlich in einem Teil bedenklich ist, dass die wieder eingeführt worden wäre, was offensichtlich jetzt so aussieht, dass es dafür keine Mehrheiten im Bundesrat gibt.
Remme: Aber könnte man nicht dennoch vermuten - wir dürfen das Datum 2. Februar 20003 ja nicht ganz außer Acht lassen; die SPD muss natürlich darum bangen, mit weiteren Steuererhöhungsdebatten Wählerstimmen zu verlieren -, dass man nun sagt, mit diesem Vorschlag Abgeltungssteuer, ob er was bringt oder ob er nichts bringt, das kriegen wir bis zum 2. Februar nicht mehr heraus, wohl aber ist der Streit um die Vermögenssteuer dann vom Tisch?
Simonis: Das kann passieren und es wäre dann auch schön, wenn die Wirkung nach außen käme, dass die Leute das Gefühl hätten, wir machen uns an die Arbeit, um wieder den Karren ans Laufen zu kriegen. Aber am Ende des nächsten Jahres wird zählen, haben wir diese entsetzlichen Löcher in unseren Kassen ein bisschen dichter machen können oder nicht.
Remme: Heide Simonis war das, die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein. - Frau Simonis, danke für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio