Donnerstag, 25. April 2024

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Abmahnungen für Downloads
"Verbraucher werden stark unter Druck gesetzt"

Wer sich im Internet Musik oder Filme herunterlädt, merkt oft nicht, dass er die Dateien dadurch auch manchmal selbst im Netz anbietet. Das ist illegal und kann teuer werden. Wer eine Abmahnung einer Kanzlei erhält, sollte sich sofort beraten lassen, rät Netzpolitik-Spezialist Martin Madej im DLF.

Martin Madej im Gespräch mit Georg Ehring | 07.10.2016
    Der Download-Button auf der Internetseite eines Anbieters.
    Wer eine Abmahnung von einer Kanzlei bekommt, sollte das Schreiben mit seinem Anwalt durchgehen, rät Martin Madej. (dpa/picture-alliance/Karl-Josef Hildenbrand)
    Georg Ehring: Das Internet macht’s möglich. Mit wenigen Klicks können Nutzer Texte, Musikstücke oder Filme anderen Nutzern zur Verfügung stellen. Technische Hürden gibt es meist nicht. Dafür allerdings rechtliche. Wenn ein Werk urheberrechtlich geschützt ist, dann kann die unbefugte Nutzung oder Verbreitung ins Geld gehen. Spezialisierte Kanzleien verteilen Abmahnungen, schnell kommen da Hunderte Euros zusammen oder mehr.
    Die Bundesregierung hat die Höhe solcher Gebühren per Gesetz begrenzt, denn immer wieder gab es Berichte, nach denen Anwälte zu hohe Gebühren forderten. Doch dieser Versuch ist gescheitert, das meint jedenfalls die Verbraucherzentrale Bundesverband. Und seinen Netzpolitik-Spezialisten Martin Madej habe ich vor dieser Sendung gefragt, um welche Art von Urheberrechtsverletzungen es dabei geht.
    Martin Madej: In aller Regel geht es um sogenannte Fälle des Filesharings. Das sind Verletzungen, die dadurch zustande kommen, dass zum Beispiel Verbraucher sich im Internet Filme oder Musik herunterladen über sogenannte BitTorrent-Netzwerke. Das Problem ist bei diesen Netzwerken, dass die Verbraucher gar nicht unbedingt merken, dass sie nicht nur etwas herunterladen, sondern auch gleichzeitig etwas anbieten. Und gerade dieses Anbieten dürfen Verbraucher nicht und daraus ergeben sich auch dann diese hohen Forderungen für die Verbraucher.
    "Sechs Prozent der Deutschen haben seit 2014 eine solche Abmahnung erhalten."
    Ehring: Wie häufig kommt so was denn vor?
    Madej: Wir hatten 2012, bevor dieses neue Gesetz, was Oktober 2013 verabschiedet wurde, schon mal eine repräsentative Umfrage gestartet und haben gefragt, wie häufig haben Sie dieses Problem. Und wir haben seinerzeit schon festgestellt, dass sechs Prozent der Deutschen bereits eine solche Abmahnung erhalten haben. Wir haben jetzt im Zuge unserer eigenen Untersuchung noch mal repräsentativ gefragt. Wir haben feststellen müssen, dass die Zahl der Abgemahnten überhaupt nicht abgenommen hat. Es sind weiterhin sechs Prozent der Deutschen, die seit 2014 eine solche Abmahnung erhalten haben.
    Ehring: Und wieviel müssen sie dann zahlen?
    Madej: Es ist so, dass man das nicht eindeutig sagen kann, weil das Gesetz gibt dem Abmahnen sehr viel Spielraum. Es geht da zum einen um eine Zahl, die in den Raum gestellt wird bei den Abmahnungen, die sehr hoch ist. Es waren ehemals über 2.000 Euro; jetzt bewegen wir uns im Bereich von 1.200, 1.300 Euro im Durchschnitt. Diese Summe ist aber nicht die, die tatsächlich gefordert wird, sondern es wird eine Art "Drohszenario" aufgemacht und gesagt, das alles können wir machen, Abgemahnter, jedoch bieten wir Dir die Möglichkeit an, Dich auf einen Vergleich einzulassen, und da ist die Summe dann niedriger. Früher war dieser Vergleich in der Summe von 760 Euro, 757 Euro, wie wir im Durchschnitt errechnet haben. Jetzt haben wir aber leider festgestellt, dass diese durchschnittlichen Vergleichsforderungen leider nicht abgenommen haben. Die sind sogar um 15 Prozent gestiegen und betragen jetzt leider rund 872 Euro.
    Ehring: Ist die Forderung aus Ihrer Sicht denn an sich berechtigt? Es ist ja eine Urheberrechtsverletzung.
    Madej: Das kommt ganz darauf an. Es kommt natürlich vor, dass Urheberrechtsverletzungen passieren. Das Ganze ist aber hoch komplex und niemals recht eindeutig zu beantworten. Es wird immer so getan, als ob diese Forderungen dieser Abmahnkanzleien immer in dieser Form so berechtigt sind. Das ist aber in aller Regel nicht so. Wir müssen das immer ganz genau prüfen und schauen, ob der, der abgemahnt wurde, auch tatsächlich der Täter, also der ist, der heruntergeladen hat. Wenn er zum Beispiel nicht Täter ist, dann gelten schon mal ganz andere Voraussetzungen und dürfen auch bestimmte Summen - wir beschreiben das in der Studie; da geht es vor allem auch um die Schadensersatzforderung, wo die Abmahnenden sehr viel Spielräume haben - so gar nicht geltend gemacht werden.
    Aber das wird einfach pauschal behauptet, das sei so, weil er ist ja der Anschlussinhaber, insofern muss er auch quasi der Täter sein. Jedoch wissen Sie und auch ich, dass gerade in Familien oder in Wohngemeinschaften durchaus mehrere Menschen heutzutage in der Regel Zugang zum Internet haben, sodass es gar nicht ausgemacht ist, dass der Anschlussinhaber auch gleichzeitig derjenige ist, der diese illegalen Downloads vorgenommen hat. Es gibt durchaus genug Anhaltspunkte, wo man sagen kann, das müsste man im Detail prüfen.
    Madej: Auch die Schadensersatzforderung muss gedeckelt werden
    Ehring: Was müsste denn passieren, um Missbrauch, den Sie da beobachten, zu verhindern?
    Madej: Es ist so, dass wir seinerzeit im Gesetz schon auf gewisse Lücken aufmerksam gemacht haben. Uns ist vor allem aufgestoßen, dass es Spielräume gab dahingehend, wann denn diese Streitwertminderung, um die es ja geht - die Idee des Gesetzgebers war ja, den Streitwert zu deckeln auf tausend Euro. Jedoch hat der Gesetzgeber gesagt, das können wir auch ein Stück weit nachvollziehen, wenn das Ganze unbillig ist, weil besonders aufwendig für den Anwalt zum Beispiel, darf er von dieser Streitwertdeckelung absehen und eine höhere Forderung geltend machen.
    Das Problem ist, dass diese Unbilligkeit nicht definiert wurde vom Gesetzgeber, und insofern haben wir festgestellt, dass in einem hohen Ausmaße von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht wurde. Es waren circa 35 Prozent der Fälle, wo diese Ausnahmeregelung angewandt wurde, sodass wir von Ausnahmeregelung im klassischen Sinne da überhaupt nicht mehr sprechen können. Das ist das Erste.
    Das Zweite ist, dass wir immer sehen: Diese Deckelung der Kosten, die bezieht sich lediglich auf die Anwaltskosten. Die ganzen Positionen, die über die Schadensersatzforderung geltend gemacht werden, die sind ausgenommen. Und da sagen wir, es muss nicht nur diese Unbilligkeitsregelung abgeschafft werden beziehungsweise klar definiert werden, es muss andererseits auch klargestellt werden, dass diese Schadensersatzforderung mit gedeckelt wird. Weil sonst gibt es weiterhin genau das, was wir haben: Wir haben zu viel Spielraum für den Abmahnenden und dadurch haben die Abmahnenden die "bequeme" Position, dass sie den Verbraucher oder den Abgemahnten sehr stark unter Druck setzen können mit einem Szenario, was sehr kostenintensiv ist, und entsprechend eine Bereitschaft beim Abgemahnten zu schaffen, sich auf diesen Vergleich einzulassen.
    "Sie sollten auf keinen Fall die Unterlassungserklärung so unterschreiben wie sie ist."
    Ehring: Wenn ich jetzt mit einer Abmahnung konfrontiert bin, was sollte ich tun?
    Madej: Sie sollten auf keinen Fall die Unterlassungserklärung, die in der Regel dabei ist, so unterschreiben wie sie ist, sondern sie sollten sich beraten lassen. Die Verbraucherzentralen vor Ort bieten einerseits spezialisierte Beratungen in diesem Bereich an. Andererseits lohnt es sich, da auch vielleicht den Anwalt Ihres Vertrauens aufzusuchen und von dem Hilfe zu erhalten.
    Ehring: Soweit Martin Madej vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Das Interview haben wir heute Vormittag aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.