Eisele: Ich glaube, 'Katastrophe' wäre nicht der richtige Begriff. Ich bin tatsächlich mit den ersten Wehrpflichtigen am 1. April 1957 eingerückt und halte aus Überzeugung die allgemeine Wehrpflicht für die richtige Antwort Deutschlands auf die Kernfunktion des Staates - Sicherung der Gesellschaftsordnung gegen jegliche Bedrohung von außen -. Ich meine auch, dass die heute laut werdenden Gegner der allgemeinen Wehrpflicht wenig andere Gründe als opportunistische ins Feld führen können, denn aus den Ländern, die die Wehrpflicht abgeschafft haben, hört man keine ermutigenden Signale, die einen dazu anregen könnten, ihrem Beispiel zu folgen.
Gerner: Dennoch, in acht von 15 EU-Staaten ist die Wehrpflicht mittlerweile abgeschafft worden oder es steht kurz bevor. Kann sich Deutschland diesem Trend langfristig entziehen?
Eisele: Durchaus. Jedes Land muss seine eigene Antwort auf die gesellschaftlichen Kernfragen finden.
Gerner: Auch wenn eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik angestrebt wird? Eisele: Auch dann, denn wir dürfen nicht vergessen, dass bei den Ländern, die die allgemeine Wehrpflicht beibehalten - etwa die Skandinavier -, unsere Nachbarn im Osten sind, und dass die Länder, die die Wehrpflicht abgeschafft haben, damit in allen Fällen negative Erfahrungen gemacht haben.
Gerner: Nämlich?
Eisele: Insbesondere, was die Rekrutierung eines qualifizierten Nachwuchses für ihre sogenannten Freiwilligen Streitkräfte angeht, und damit die Frage der Professionalität. Das heißt, wer professionelle Soldaten haben will, muss an der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland dringend festhalten.
Gerner: Nun heißt es ja, dass die Armeen immer hochtechnologisierter werden, auch im Zuge der Kriege, wie sie geführt werden, und wir sehen das an den jüngsten Kriegen in Afghanistan und auf dem Balkan. Weist das nicht in Richtung Professionalisierung, Berufsarmee?
Eisele: Ich glaube, nicht unbedingt. Nun muss man sehen, dass die Wehrpflichtigen aufgrund einer politischen Entscheidung in Deutschland ja in derartigen Einsätzen zumeist nur dann an die Front geschickt werden, wenn sie sich dazu freiwillig bereit finden und dann auf ihre neunmonatige Wehrpflicht eine entsprechende Verlängerungszeit aufsetzen. Darüber hinaus wird die Bedienung vieler hochtechnologischer Geräte immer einfacher. Wir brauchen nur an unsere eigenen PCs zu denken. Darüber hinaus muss man feststellen, dass gerade die jungen Leute heutzutage mit einem technischen Ausbildungsniveau in die Streitkräfte eintreten, das man sich vor 20 Jahren noch gar nicht vorstellen konnte.
Gerner: Nun ist ja im Gespräch - hier und da bereits zu lesen - eine Wehrpflicht von fünf bis sechs Monaten. Würde das überhaupt noch Sinn machen?
Eisele: Es gibt sicher eine Untergrenze, und ich glaube, dass wir diese Untergrenze mit den derzeitigen neun Monaten schon sehr nahe sind. Der Staat muss eben eine eindeutige Entscheidung treffen, ob er die Wehrpflicht am Bedarf der Streitkräfte oder am Aufkommen wehrpflichtiger junger Männer orientieren will. Wenn er das letztere tut, dann bleibt ihm wenig anderes übrig, als die Dauer der Wehrpflicht weiter zu verkürzen. Damit wird ihre Sinnhaftigkeit aber grundsätzlich in Frage gestellt.
Gerner: Herr Eisele, Sie haben eben von Opportunisten gesprochen, die jetzt die Abschaffung der Wehrpflicht das Wort redeten. Gehört das Landgericht Potsdam dazu, wenn es sagt - und vor dem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht kommende Woche zu entscheiden -, vor der veränderten sicherheitspolitischen Lage sei die Wehrpflicht nicht mehr zu halten. So argumentiert das Gericht.
Eisele: Das ist eine Frage, mit der sich die Weizsäcker-Kommission, der ich angehören durfte, intensiv auseinandergesetzt hat. Und wir sind mehrheitlich zu der Entscheidung und Empfehlung an die Bundesregierung gekommen, die Wehrpflicht beizubehalten und sie am Bedarf zu orientieren, und nicht etwa am Aufkommen. Ich glaube, dass das Landgericht in Potsdam diese Überlegungen nicht gekannt hat.
Gerner: Mit was für einem Urteil rechnen Sie?
Eisele: Ich will hier keine Kaffeesatzleserei betreiben. Die Frage der Wehrgerechtigkeit ist sicher ein grundsätzliches Problem, und damit wird sich das Verfassungsgericht auseinandersetzen. Ich hoffe, dass es dabei den Überlegungen der Weizsäcker-Kommission folgen wird und insbesondere auch die Frage der Gleichberechtigung von Männern und Frauen - angesichts der Verpflichtung zum Wehrdienst - untersucht und in dem Sinne entscheidet, wie es bisher in Deutschland geregelt ist.
Gerner: Wir haben ja in den Geschichtsbüchern noch gelernt, das Berufsheer als Staat im Staate als Gefahr - historisch gesehen in Deutschland. Sehen Sie das Risiko?
Eisele: Nein. Ich glaube, die Bundeswehr hat in mehr als 45 Jahren ihres Bestehens bewiesen, dass sie ein integraler Bestandteil unserer demokratisch verfassten Gesellschaft ist, und es gibt überhaupt keine Ansätze, dass sich das in einer voraussehbaren Zukunft ändern könnte.
Gerner: Für die Beibehaltung der Wehrpflicht war das General a.D. Manfred Eisele. Und mitgehört hat Andrea Nahles, Mitglied im SPD-Vorstand und ehemalige Juso-Vorsitzende. Frau Nahles, Sie stehen hinter einem Antrag - einem Papier mehrerer SPD-Landeschefs. Da wird für die Abschaffung der Wehrpflicht plädiert. Mit welchen Argumenten?
Nahles: Ja, guten Morgen. Es ist so, dass es zwei Gründe gibt. Zum einen hat sich die Auftrittslage der Bundeswehr doch erheblich verändert. Seit der kalte Krieg beendet werden konnte und Deutschland wiedervereinigt wurde, kann das Argument einer Landesverteidigung in dem allgemeinen Sinne in der Form nicht mehr aufrechterhalten werden. Zum zweiten hat es durch die Verkleinerung der Bundeswehr dazu geführt, dass sehr willkürlich teilweise ausgewählt wird, wer von den jungen Männern jetzt eingezogen wird. Es ist so, dass auch die Zahl der Verweigerer ständig steigt und insgesamt hier die Frage der Wehrgerechtigkeit im Raume steht.
Gerner: Ein Berufsheer, sagen Kritiker, wird teurer als das bisherige Heer. Wer soll das zahlen?
Nahles: Es geht zunächst für mich darum: Brauchen wir tatsächlich eine professionelle, internationale - im besonderen europäische Armee in den nächsten Jahren. Und das glaube ich, mit 'ja' zu beantworten. Die Ausgangslage weltweit und auch die Einsätze, die die Bundeswehr zur Zeit hat, sprechen dafür.
Gerner: Was ist denn mit dem Argument, das Herr General a.D. Eisele eben gebracht hat, dass die ausländischen europäischen Erfahrungen bisher durchweg negativ seien?
Nahles: Das bezieht sich ausschließlich auf die Frage der Rekrutierung von Nachwuchs. Es ist natürlich richtig, dass, wenn man auf Freiwillige setzt - die sich freiwillig melden -, auch die Bundeswehr ihre Rekrutierungen deutlich verändern müsste. Meiner Meinung nach müsste stärker auf eine gute Ausbildung mit Perspektive für die jungen Männer gesetzt werden, es müsste stärker geworben werden als das bisher der Fall war. Und man müsste vor allem versuchen, auch die Kapazitäten, die die einzelnen europäischen Armeen haben, stärker ineinander zu verzahnen. Und das sind die Probleme, das heißt, es ist die Frage, wieviel junge Leute sich freiwillig melden, wieviel Qualifizierte. Aber die Funktionsfähigkeit der Berufsarmee - auch in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Frankreich - ist keinesfalls in Frage gestellt.
Gerner: Frau Nahles, die Deutschen mögen die Wehrpflicht unverändert, 70 Prozent Zustimmung immer noch in Umfragen. Können Sie einfach daran vorbei?
Nahles: Soviel zum Thema Opportunismus derjenigen, die sagen, die Wehrpflicht soll abgeschafft werden. Wenn die Mehrheit der Deutschen halt eben dafür ist, glaube ich, muss man sich schon mit den Argumenten auseinandersetzen. Wehrpflicht ist doch ein sehr massiver Eingriff auch in die Rechte der einzelnen und insbesondere der jungen Männer. Deswegen muss man schon sich mit dem Argument auseinandersetzen: Ist das noch gerechtfertigt? Und ich glaube, dass diese Fragen von den Befürwortern nicht mehr beantwortet werden. Warum wird der eine eingezogen, der andere nicht? Und dafür gibt es keine vernünftige Antwort zur Zeit.
Gerner: Mit was für einem Urteil rechnen Sie denn in Karlsruhe?
Nahles: Ich persönlich will mich da genau so wenig jetzt äußern. Ich glaube aber, dass es überhaupt zu dieser Klage gekommen ist, das hat schon etwas mit der veränderten Situation zu tun, die wir haben. Und deswegen wünsche ich mir auch keinesfalls eine Diskussion, die in eine Konfrontation mündet zwischen Befürwortern und Gegnern. Man muss einfach vernünftig darüber reden, wie die verschiedenen Interessen - Wehrgerechtigkeit, Interessen der jungen Männer aber auch die Bedürfnisse der Bundeswehr - miteinander in Einklang gebracht werden können.
Gerner: Das ist ja auch umstritten in Ihrer Partei, das Thema. Ich lese Unterschiedliches darüber, ob das in der SPD mehrheitsfähig ist - die Abschaffung - oder nicht. Wie stellt sich das für Sie da?
Nahles: Also ich glaube, dass es zumindestens in der SPD-Fraktion doch immer noch eine Mehrheit gegen die Abschaffung der Wehrpflicht gibt, dass es aber doch eine Situation gibt in den letzten Jahren, wo einfach die Sinnfrage der Wehrpflicht immer stärker sich in den Vordergrund rückt. Und ich glaube, dass in der Partei sich doch hier ein Stimmungsumschwung zeigt. Ich bin aber der Auffassung, dass Gegner und Befürworter sich in der SPD zur Zeit die Waage halten.
Gerner: Andrea Nahles war das, Mitglied im SPD-Vorstand - und das war die Kontra-Meinung bzw. die Meinung pro Abschaffung der Wehrpflicht. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Gerner: Dennoch, in acht von 15 EU-Staaten ist die Wehrpflicht mittlerweile abgeschafft worden oder es steht kurz bevor. Kann sich Deutschland diesem Trend langfristig entziehen?
Eisele: Durchaus. Jedes Land muss seine eigene Antwort auf die gesellschaftlichen Kernfragen finden.
Gerner: Auch wenn eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik angestrebt wird? Eisele: Auch dann, denn wir dürfen nicht vergessen, dass bei den Ländern, die die allgemeine Wehrpflicht beibehalten - etwa die Skandinavier -, unsere Nachbarn im Osten sind, und dass die Länder, die die Wehrpflicht abgeschafft haben, damit in allen Fällen negative Erfahrungen gemacht haben.
Gerner: Nämlich?
Eisele: Insbesondere, was die Rekrutierung eines qualifizierten Nachwuchses für ihre sogenannten Freiwilligen Streitkräfte angeht, und damit die Frage der Professionalität. Das heißt, wer professionelle Soldaten haben will, muss an der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland dringend festhalten.
Gerner: Nun heißt es ja, dass die Armeen immer hochtechnologisierter werden, auch im Zuge der Kriege, wie sie geführt werden, und wir sehen das an den jüngsten Kriegen in Afghanistan und auf dem Balkan. Weist das nicht in Richtung Professionalisierung, Berufsarmee?
Eisele: Ich glaube, nicht unbedingt. Nun muss man sehen, dass die Wehrpflichtigen aufgrund einer politischen Entscheidung in Deutschland ja in derartigen Einsätzen zumeist nur dann an die Front geschickt werden, wenn sie sich dazu freiwillig bereit finden und dann auf ihre neunmonatige Wehrpflicht eine entsprechende Verlängerungszeit aufsetzen. Darüber hinaus wird die Bedienung vieler hochtechnologischer Geräte immer einfacher. Wir brauchen nur an unsere eigenen PCs zu denken. Darüber hinaus muss man feststellen, dass gerade die jungen Leute heutzutage mit einem technischen Ausbildungsniveau in die Streitkräfte eintreten, das man sich vor 20 Jahren noch gar nicht vorstellen konnte.
Gerner: Nun ist ja im Gespräch - hier und da bereits zu lesen - eine Wehrpflicht von fünf bis sechs Monaten. Würde das überhaupt noch Sinn machen?
Eisele: Es gibt sicher eine Untergrenze, und ich glaube, dass wir diese Untergrenze mit den derzeitigen neun Monaten schon sehr nahe sind. Der Staat muss eben eine eindeutige Entscheidung treffen, ob er die Wehrpflicht am Bedarf der Streitkräfte oder am Aufkommen wehrpflichtiger junger Männer orientieren will. Wenn er das letztere tut, dann bleibt ihm wenig anderes übrig, als die Dauer der Wehrpflicht weiter zu verkürzen. Damit wird ihre Sinnhaftigkeit aber grundsätzlich in Frage gestellt.
Gerner: Herr Eisele, Sie haben eben von Opportunisten gesprochen, die jetzt die Abschaffung der Wehrpflicht das Wort redeten. Gehört das Landgericht Potsdam dazu, wenn es sagt - und vor dem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht kommende Woche zu entscheiden -, vor der veränderten sicherheitspolitischen Lage sei die Wehrpflicht nicht mehr zu halten. So argumentiert das Gericht.
Eisele: Das ist eine Frage, mit der sich die Weizsäcker-Kommission, der ich angehören durfte, intensiv auseinandergesetzt hat. Und wir sind mehrheitlich zu der Entscheidung und Empfehlung an die Bundesregierung gekommen, die Wehrpflicht beizubehalten und sie am Bedarf zu orientieren, und nicht etwa am Aufkommen. Ich glaube, dass das Landgericht in Potsdam diese Überlegungen nicht gekannt hat.
Gerner: Mit was für einem Urteil rechnen Sie?
Eisele: Ich will hier keine Kaffeesatzleserei betreiben. Die Frage der Wehrgerechtigkeit ist sicher ein grundsätzliches Problem, und damit wird sich das Verfassungsgericht auseinandersetzen. Ich hoffe, dass es dabei den Überlegungen der Weizsäcker-Kommission folgen wird und insbesondere auch die Frage der Gleichberechtigung von Männern und Frauen - angesichts der Verpflichtung zum Wehrdienst - untersucht und in dem Sinne entscheidet, wie es bisher in Deutschland geregelt ist.
Gerner: Wir haben ja in den Geschichtsbüchern noch gelernt, das Berufsheer als Staat im Staate als Gefahr - historisch gesehen in Deutschland. Sehen Sie das Risiko?
Eisele: Nein. Ich glaube, die Bundeswehr hat in mehr als 45 Jahren ihres Bestehens bewiesen, dass sie ein integraler Bestandteil unserer demokratisch verfassten Gesellschaft ist, und es gibt überhaupt keine Ansätze, dass sich das in einer voraussehbaren Zukunft ändern könnte.
Gerner: Für die Beibehaltung der Wehrpflicht war das General a.D. Manfred Eisele. Und mitgehört hat Andrea Nahles, Mitglied im SPD-Vorstand und ehemalige Juso-Vorsitzende. Frau Nahles, Sie stehen hinter einem Antrag - einem Papier mehrerer SPD-Landeschefs. Da wird für die Abschaffung der Wehrpflicht plädiert. Mit welchen Argumenten?
Nahles: Ja, guten Morgen. Es ist so, dass es zwei Gründe gibt. Zum einen hat sich die Auftrittslage der Bundeswehr doch erheblich verändert. Seit der kalte Krieg beendet werden konnte und Deutschland wiedervereinigt wurde, kann das Argument einer Landesverteidigung in dem allgemeinen Sinne in der Form nicht mehr aufrechterhalten werden. Zum zweiten hat es durch die Verkleinerung der Bundeswehr dazu geführt, dass sehr willkürlich teilweise ausgewählt wird, wer von den jungen Männern jetzt eingezogen wird. Es ist so, dass auch die Zahl der Verweigerer ständig steigt und insgesamt hier die Frage der Wehrgerechtigkeit im Raume steht.
Gerner: Ein Berufsheer, sagen Kritiker, wird teurer als das bisherige Heer. Wer soll das zahlen?
Nahles: Es geht zunächst für mich darum: Brauchen wir tatsächlich eine professionelle, internationale - im besonderen europäische Armee in den nächsten Jahren. Und das glaube ich, mit 'ja' zu beantworten. Die Ausgangslage weltweit und auch die Einsätze, die die Bundeswehr zur Zeit hat, sprechen dafür.
Gerner: Was ist denn mit dem Argument, das Herr General a.D. Eisele eben gebracht hat, dass die ausländischen europäischen Erfahrungen bisher durchweg negativ seien?
Nahles: Das bezieht sich ausschließlich auf die Frage der Rekrutierung von Nachwuchs. Es ist natürlich richtig, dass, wenn man auf Freiwillige setzt - die sich freiwillig melden -, auch die Bundeswehr ihre Rekrutierungen deutlich verändern müsste. Meiner Meinung nach müsste stärker auf eine gute Ausbildung mit Perspektive für die jungen Männer gesetzt werden, es müsste stärker geworben werden als das bisher der Fall war. Und man müsste vor allem versuchen, auch die Kapazitäten, die die einzelnen europäischen Armeen haben, stärker ineinander zu verzahnen. Und das sind die Probleme, das heißt, es ist die Frage, wieviel junge Leute sich freiwillig melden, wieviel Qualifizierte. Aber die Funktionsfähigkeit der Berufsarmee - auch in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Frankreich - ist keinesfalls in Frage gestellt.
Gerner: Frau Nahles, die Deutschen mögen die Wehrpflicht unverändert, 70 Prozent Zustimmung immer noch in Umfragen. Können Sie einfach daran vorbei?
Nahles: Soviel zum Thema Opportunismus derjenigen, die sagen, die Wehrpflicht soll abgeschafft werden. Wenn die Mehrheit der Deutschen halt eben dafür ist, glaube ich, muss man sich schon mit den Argumenten auseinandersetzen. Wehrpflicht ist doch ein sehr massiver Eingriff auch in die Rechte der einzelnen und insbesondere der jungen Männer. Deswegen muss man schon sich mit dem Argument auseinandersetzen: Ist das noch gerechtfertigt? Und ich glaube, dass diese Fragen von den Befürwortern nicht mehr beantwortet werden. Warum wird der eine eingezogen, der andere nicht? Und dafür gibt es keine vernünftige Antwort zur Zeit.
Gerner: Mit was für einem Urteil rechnen Sie denn in Karlsruhe?
Nahles: Ich persönlich will mich da genau so wenig jetzt äußern. Ich glaube aber, dass es überhaupt zu dieser Klage gekommen ist, das hat schon etwas mit der veränderten Situation zu tun, die wir haben. Und deswegen wünsche ich mir auch keinesfalls eine Diskussion, die in eine Konfrontation mündet zwischen Befürwortern und Gegnern. Man muss einfach vernünftig darüber reden, wie die verschiedenen Interessen - Wehrgerechtigkeit, Interessen der jungen Männer aber auch die Bedürfnisse der Bundeswehr - miteinander in Einklang gebracht werden können.
Gerner: Das ist ja auch umstritten in Ihrer Partei, das Thema. Ich lese Unterschiedliches darüber, ob das in der SPD mehrheitsfähig ist - die Abschaffung - oder nicht. Wie stellt sich das für Sie da?
Nahles: Also ich glaube, dass es zumindestens in der SPD-Fraktion doch immer noch eine Mehrheit gegen die Abschaffung der Wehrpflicht gibt, dass es aber doch eine Situation gibt in den letzten Jahren, wo einfach die Sinnfrage der Wehrpflicht immer stärker sich in den Vordergrund rückt. Und ich glaube, dass in der Partei sich doch hier ein Stimmungsumschwung zeigt. Ich bin aber der Auffassung, dass Gegner und Befürworter sich in der SPD zur Zeit die Waage halten.
Gerner: Andrea Nahles war das, Mitglied im SPD-Vorstand - und das war die Kontra-Meinung bzw. die Meinung pro Abschaffung der Wehrpflicht. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio