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"Abschaffung des Kündigungsschutzes nicht in der Diskussion"

Wiese: Kaum hat sich CDU-Chefin Angela Merkel in den Urlaub verabschiedet, hebt sich bei der Union der Vorhang für ein neues Sommertheater. Zwar hinterließ Merkel noch schnell den Wunsch einer offenen Reformdiskussion auch während ihrer Abwesenheit, aber ob sie damit eine derartig scharfe Auseinandersetzung gemeint hatte? Ihr Intimfeind Unionsfraktionsvize Friedrich Merz nutzte jedenfalls flugs die Gelegenheit, mal wieder zu provozieren. Der Kündigungsschutz solle künftig ganz abgeschafft werden forderte er und rief damit geharnischte Reaktionen bei Freund und Feind hervor. - Am Telefon begrüße ich jetzt den Generalsekretär der CSU, Markus Söder. Guten Morgen!

Moderation: Hans-Joachim Wiese |
    Söder: Guten Morgen.

    Wiese: Herr Söder, Abschaffung des Kündigungsschutzes, ist das mit der CSU zu machen?

    Söder: Wir haben eine gemeinsame Beschlusslage ja bereits vom März, die eine moderate Modernisierung des Kündigungsschutzes vorsieht, um gerade bei älteren Arbeitnehmern mehr flexible Möglichkeiten zu schaffen, in Arbeit zu kommen. Aber eine Abschaffung ist natürlich im Moment überhaupt nicht in der Diskussion. Das führt auch nicht weiter. Wir müssen die Menschen nicht verunsichern, sondern wir müssen sie stückweise mitnehmen. Und wir dürfen auch eines nicht tun: wir dürfen die Diskussion um Reformen in Deutschland nicht auf diesen Kündigungsschutz beschränken, sondern wir brauchen ein breit angelegtes Konzept. Dieser Vorschlag geht sicher zu weit.

    Wiese: Nun ist das Motiv von Friedrich Merz ja durchaus ehrenwert. Er sagt lieber befristet beschäftigt als unbefristet arbeitslos. Will heißen: der Kündigungsschutz verhindert neue Arbeitsplätze beziehungsweise seine Abschaffung schafft neue Arbeitsplätze. Sehen Sie das auch so?

    Söder: Sozial ist in der Tat, was Arbeit schafft. Deswegen haben wir als CDU/CSU ja schon im März bereits gemeinsam auf eine moderate Modernisierung geeinigt. Damals wollte die CSU ja etwas weiter gehen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir bei Neueinstellungen eine Befristung von bis zu vier Jahren ermöglichen und bei Neueinstellung von Arbeitslosen, die über 50 Jahre und älter sind, falls eine freiwillige Abfindung gewählt wird, dann eben der Kündigungsschutz ausgesetzt wird. Das wären so Instrumente, wo wir etwas erreichen können.
    Die Forderung nach einer völligen Abschaffung des Kündigungsschutzes führt natürlich nicht zu dem Effekt. Es gibt wie man auch merkt heftige Reaktionen und das führt dann leider nicht dazu, dass wir die Menschen mitnehmen können auf diesen Weg der schrittweisen Modernisierung des Landes. Wir brauchen verschiedene Baustellen, nicht nur alleine den Kündigungsschutz. Dazu gehört zum Beispiel auch die Frage nach soliden Staatsfinanzen, um Geld für Innovationen zu bekommen. Dort sollten wir ein breit angelegtes Gesamtkonzept haben und uns nicht nur verengen auf eine Position.

    Wiese: Sie sehen das, wenn ich Sie richtig verstanden habe, also auch so, dass die Abschaffung des Kündigungsschutzes keineswegs neue Arbeitsplätze schafft oder auch nur die Lockerung. Das hat ja schon unter Kanzler Kohl nicht geklappt.

    Söder: Die komplette Abschaffung des Kündigungsschutzes steht ja im Grunde genommen auch nicht zur Debatte. Auch der CDU-Kollege Laurenz Meyer fordert das ja nicht. Das ist eine Einzelforderung in einem Interview. Es ist OK, wenn eine Partei diskutiert. Ich glaube aber, dass wir versuchen müssen, gerade in der jetzigen Phase als CDU/CSU Konzepte vorzustellen, die halten, die bewährt sind, die solide gerechnet sind und vor allen Dingen die den Menschen vermittelbar sind. Wir können uns nicht jeden Tag überbieten im Wettbewerb um neue Vorstellungen, sondern wir sollten versuchen, Stück für Stück Positionen zu erarbeiten, die dann auch über den Tag hinaus halten können.

    Wiese: Herr Söder, Sie haben nun schon auf das gemeinsame Konzept der beiden Unionsparteien zum Kündigungsschutz hingewiesen. Vom März ist das. Dann wurde vorige Woche ein CDU-Papier von Laurenz Meyer bekannt. Auch darauf haben Sie hingewiesen. Das geht nun deutlich darüber hinaus und der Kündigungsschutz soll danach in den ersten drei Jahren nach einer Neueinstellung und für Arbeitnehmer über 53 Jahre nicht mehr vorgesehen werden. Was soll das eigentlich? Was steckt dahinter? Gelten bei der CDU Vereinbarungen mit der CSU nichts mehr?

    Söder: Die CSU beteiligt sich jetzt nicht weiter an den Diskussionen über den Kündigungsschutz. Wir haben eine gemeinsame Präsidiumssitzung im März gehabt. Dort haben wir diese Beschlüsse gefasst, die für uns die Grundlage der zukünftigen Arbeit sind. Natürlich ist es so, dass man immer wieder über Erneutes nachdenken kann, aber wir haben ja nun auch viele andere Fragen, die wir lösen müssen. Schauen Sie, wenn ich überlege, dass wir tatsächlich noch in der Gesundheitspolitik uns in diesem Jahr einigen wollen, eine große Baustelle, bei der ich hoffe und auch sehr optimistisch bin, dass wir zu einem Ergebnis kommen werden. Wir müssen diskutieren über solide Staatsfinanzen, was ganz wichtig ist, wenn wir die Schuldenspirale in Deutschland anschauen. Also wir haben verschiedene Baustellen, die wir gemeinsam bearbeiten müssen. Wir müssen ein klares Ja zu modernen Technologien fixieren.
    Sie sehen: ein riesiges Programm. Insofern ist das sicherlich eine Diskussion, die da ist, aber wir dürfen uns nicht darauf verengen. Wir glauben insbesondere, dass es jetzt wichtig ist, dass wir nicht den Eindruck erwecken, es geht um sozialen Kahlschlag. Einstellungshürden müssen beseitigt werden, denn wir wollen ja die international hohen Sozialstandards halten. Das ist ja die Voraussetzung; die wollen wir schaffen. Deswegen sollten wir nicht dauernd den Eindruck erwecken, dass wir uns überbieten mit neuen Vorschlägen in dieser Frage.

    Wiese: Ich bin Ihnen dankbar für das Stichwort Gesundheitsreform. Da gibt es ja nicht nur Streit innerhalb der Union über den Kündigungsschutz, sondern eben auch über die Gesundheitsreform. Die CDU will einen Systemwechsel bei der Krankenversicherung mit einkommensunabhängigen Kopfprämien, wobei der milliardenschwere Sozialausgleich über Steuern finanziert werden soll. Sie sprachen von einer weiteren Baustelle. Die CSU ist dagegen. Wie könnte denn der Kompromiss auf dieser Baustelle aussehen?

    Söder: Wir haben die Grundlagen, die von Rürup gerechnet worden sind, wo ja sowohl die Parteivorsitzende der CDU Angela Merkel als auch Edmund Stoiber gesagt haben, dort liegt die tragfähige Brücke. Wir wollen natürlich - und das ist die volle Übereinstimmung - eine Abkoppelung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten. Das ist ein wichtiger Schritt und da sind sich CDU und CSU einig. Wir diskutieren derzeit ja über die Frage, wie wir das finanzieren, also über Steuern oder im System, und vor allen Dingen wie wir den sozialen Ausgleich definieren können, denn ich glaube gerade bei der Gesundheitsreform ist es wichtig, dass die Menschen auch verstehen, dass dieses Ganze in einer sozialverträglichen, in einer sozialgerechten Form passiert. Da glauben wir, dass eben ein Bezug zum Einkommen dringend notwendig ist, weil es letztlich nicht darstellbar ist, dass der Großmanager beispielsweise einer Bank genauso viel zur Gesundheit zahlt wie eine Kassiererin. Also brauchen wir dort diesen Ausgleich. Ich denke, dass jetzt mit den Vorschlägen von uns dort eine gute Grundlage geschaffen ist. Die Arbeitsministerin bei uns aus Bayern, Christa Stewens, und von der CDU aus Niedersachsen und Hessen berechnen jetzt die Zahlen nach und dann werden wir uns im Herbst zusammensetzen. Ich bin sehr, sehr optimistisch, dass auf der Grundlage dieser Berechnungen dann ein gemeinsames Konzept erfolgen kann.

    Wiese: Also wäre das der Zeitrahmen. Herbst sagen Sie. Im nächsten Jahr stehen wichtige Wahlen an. Da will die Union sicherlich nicht als zerstrittener Haufen antreten?

    Söder: Das wird sie ganz bestimmt nicht. Sie ist auf jeden Fall die Alternative für die Zukunft, denn wenn man rot/grün ansieht, dann sieht man, dass dort nichts fürs Land erreicht wird. Es ist eine Spirale nach unten. Die Bundesregierung ist eine kraftlose Installation. Jeder Tag ohne diese Regierung wäre ein guter Tag für Deutschland, denn wir könnten uns endlich den wirklichen Zukunftsfragen widmen. Die Union ist - davon kann man ganz fest ausgehen - aufgestellt bei den wichtigen Fragen, sei es vor allem in der Steuerpolitik mit gemeinsamen Beschlüssen, auch in der Arbeitsmarktpolitik bis hin zur Gesundheitspolitik.

    Wiese: Herr Söder, Kündigungsschutz, Kopfpauschale, Beibehaltung der Eigenheimzulage. Es fällt auf, dass die CSU sich in all diesen Fragen irgendwie konzilianter, weniger radikal als die CDU gibt. Gefällt sich die CSU in der Rolle des sozialen Gewissens innerhalb der Union?

    Söder: CDU/CSU sind gemeinsam die Parteien, die ein sehr starkes soziales Profil haben, anders als beispielsweise die SPD, die jetzt bei der Umsetzung von Hartz IV - und Sie werden das sehen -, mit der unzureichenden Umsetzung ein neues Proletariat fast schaffen wird, denn da wird für Tausende von Menschen, fast Millionen von Menschen eine völlig neue Situation geschaffen, ohne dass auf der anderen Seite tatsächlich ernsthafte Angebote für neue Arbeitsplätze existieren. Unser Sozialprofil bei CDU/CSU ist ganz klar. Wir nehmen soziale Gerechtigkeit ernst. Das gehört zu Deutschland dazu. Wenn man sozialen Standard halten will - das ist ja die Aufgabe -, dann muss man flexible Regelungen im Land finden. Wir tun das und als CDU und CSU gemeinsam lassen wir uns in der sozialen Profilierung der Partei von niemandem übertreffen.

    Wiese: Vielleicht erhofft sich aber CSU-Chef Edmund Stoiber von der Rolle des sozialen Gewissens auch Rückenwind für eine zweite Kanzlerkandidatur, oder ist seine gestrige Äußerung gegenüber dem Magazin "Cicero", es gehöre zum guten Benehmen, einer Dame den Vortritt zu lassen, als endgültiger Verzicht zu Gunsten Angela Merkels bei der Kanzlerkandidatur zu verstehen?

    Söder: Dass Edmund Stoiber ein höflicher Mensch ist, das ist in der CSU bekannt, denn die CSU ist allgemein eine sehr höfliche Partei. Das ist ganz normal. Aber auf der anderen Seite sind sich alle einig - Angela Merkel hat das gesagt, aber Edmund Stoiber auch -, die Personalentscheidung, mit wem wir ins Rennen gehen im Jahr 2006, die wird dann entschieden, Ende 2005, Anfang 2006, wenn die sachlichen Grundlagen gelegt werden und mit der Persönlichkeit, die die meisten Chancen verspricht. Das ist vernünftig, richtig und es wird so gemacht.

    Wiese: Also noch kein offizieller Rücktritt Stoibers?

    Söder: Auf keinen Fall. Es geht ja jetzt um Sachfragen, nicht um Personalfragen. Das haben alle betont: es geht jetzt immer um die Arbeit und um die sachlichen Voraussetzungen, damit wir im Jahr 2006 dann und zwar schnell weiterkommen, nicht so wie rot/grün, die zwei Jahre über ihren Sieg feierten und dann feststellten, dass sie kein Konzept zur Bewältigung der Probleme in Deutschland hatten. Das kann sich die Union nicht leisten. Sie muss vorher saubere Konzepte erarbeiten, erster Schritt. Zweiter Schritt dann: das Personal aufstellen, das diese Reformen verkörpern kann. Das findet dann eben Anfang 2006 statt.

    Wiese: Das war in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk der CSU-Generalsekretär Markus Söder. Schönen Dank Herr Söder und auf Wiederhören!