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Abschaffung des Soli "wäre fatal"

Der Solidaritätszuschlag soll vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Ihn präventiv abzuschaffen und dafür die geplanten Steuererleichterungen zu streichen, hält Volker Wissing für falsch. Man könne nicht ohne Weiteres auf die Einnahmen verzichten.

    Sandra Schulz: Als technisch gesprochen vorübergehende Ergänzungsabgabe war er eingeführt worden, um die Kosten der Einheit zu finanzieren: der Solidaritätsbeitrag. Was an der Abgabe eigentlich vorübergehend sei, fragte sich allerdings ein Angestellter aus Niedersachsen und wehrte sich gerichtlich gegen die Zahlungen. Das niedersächsische Finanzgericht zeigte sich jetzt ebenfalls skeptisch, verfassungsrechtliche Zweifel hegt man dort. Darum muss jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Sollte Karlsruhe den Soli kippen, müsste Berlin neu rechnen, denn mehr als zehn Milliarden Euro bringt die Abgabe jährlich. Ob aus der Sonderabgabe längst eine Dauerabgabe geworden sei, das hat mein Kollege Gerd Breker den FDP-Politiker und Vorsitzenden des Bundestagsfinanzausschusses, Volker Wissing, gefragt.

    Volker Wissing: Ja, der Eindruck ist bei vielen entstanden und die Vorlageentscheidung des Finanzgerichts ist nun ja so begründet, dass man davon ausgeht, dass dauerhafte Ausgaben inzwischen mit einer Sonderabgabe finanziert werden. Das ist in der Tat eine rechtlich heikle Sache. Ich bin der Überzeugung, dass das Bundesverfassungsgericht diese Sache genau prüfen wird und dass wir dann eine klare Antwort bekommen werden.

    Gerd Breker: Der Solidaritätszuschlag wurde eingeführt, Herr Wissing, zur Finanzierung der deutschen Einheit, doch inzwischen werden die Einnahmen nicht mehr zweckgebunden verwendet, sie fließen einfach so in den allgemeinen Haushalt.

    Wissing: Das ist in vollem Umfang so nicht der Fall, aber fest steht jedenfalls, dass wir einerseits auf die Einnahmen im Bundeshaushalt nicht ohne Weiteres verzichten können, vor allem in der gegenwärtigen Lage nicht, aber es gibt großen Unmut über die Art und Weise, wie der Solidaritätszuschlag sich zur Dauerabgabe entwickelt hat, und jetzt müssen wir abwarten, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Fest steht jedenfalls, dass eine Sonderabgabe nicht dazu dienen darf, dauerhafte Ausgaben zu finanzieren.

    Breker: Stimmt denn überhaupt die Bezeichnung Solidaritätszuschlag noch?

    Wissing: Ich glaube, dass die Aufgabe Solidarität zwischen Ost und West eine Daueraufgabe durchaus ist und dass der Aufbau Ost auch noch nicht in Gänze abgeschlossen ist. Aber wir haben natürlich auch großen Unmut im kommunalen Bereich im Westen, wo man inzwischen auch großen Nachholbedarf hat, und das hat zu Unmut geführt. Ich sehe das ganz offen und halte das nicht für problematisch, wenn diese verfassungsrechtliche Frage jetzt geklärt wird. Dann haben wir Klarheit und können dann gegebenenfalls die Dinge auch im Rahmen der bevorstehenden Einkommenssteuerreform klären und lösen.

    Breker: Wäre es nicht viel ehrlicher, den Steuersatz schlicht zu erhöhen?

    Wissing: Das wäre sicherlich eine transparente Lösung, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass es sich inzwischen um dauerhafte Aufgaben und dauerhafte Ausgaben handelt. Das wäre dann etwas, was wir tun müssten, wenn das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis käme, dass es hier um dauerhafte Ausgaben geht und die eben nicht durch eine Sonderabgabe finanziert werden dürfen.

    Breker: Der Solidaritätszuschlag hat im letzten Jahr etwa 13 Milliarden Euro gebracht. Kann Schwarz-Gelb sich nicht die geplanten Steuererleichterungen sparen und den Soli schlicht abschaffen?

    Wissing: Nein, das wäre fatal, denn wir brauchen in der gegenwärtig angespannten konjunkturellen Situation dringend Wachstumsimpulse und die Steuersenkungen, die die Koalition vorhat, sind ja kein Selbstzweck, sondern es geht ja hierbei auch um strukturelle Verbesserungen im Steuerrecht, es geht um Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, es geht um eine Entlastung von Familien. Das kann man sich auf gar keinen Fall sparen, sondern das ist dringend notwendig. Dass das nicht einfach ist, angesichts der angespannten Haushaltslage, wissen wir und dennoch bleibt: In dieser konjunkturell schwierigen Phase müssen Wachstumsimpulse von der Politik kommen. Es wäre fatal, wenn wir in die Krise hineinsparen und am Ende noch schwächer da rausgehen würden. Deswegen bleiben wir ganz klar bei diesem Kurs: Wachstum durch steuerliche Entlastung, strukturelle Verbesserung des Steuersystems, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen und gleichzeitig Haushaltskonsolidierung. Eine große Aufgabe, die diese Koalition vor sich hat, aber dafür ist sie gewählt worden und dieser großen Aufgabe wird sie sich stellen.

    Breker: Und diese große Aufgabe könnte erschwert werden durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass der Solidaritätszuschlag verfassungswidrig ist?

    Wissing: Ich glaube nicht, dass die Entscheidung rückwirkende Bedeutung erlangen würde, und insofern, nachdem wir ohnehin vor einer Einkommenssteuerreform stehen, können wir dem zunächst gelassen entgegensehen. Fest steht, dass wir in dieser Legislaturperiode keine Steuererhöhungen durchführen werden, und fest steht, dass wir bei unserem Entlastungs- und Konsolidierungsziel bleiben.

    Breker: Ist es denn klug, Herr Wissing, dass der Gesetzgeber abwartet, wie Karlsruhe entscheidet? Wäre es nicht noch klüger, vorher zu handeln?

    Wissing: Wir können ja nicht ohne Weiteres auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag verzichten. Ich halte es deswegen für vernünftig, dass die verfassungsrechtliche Frage geklärt wird, und dann wird man sich mit der nötigen Gelassenheit, aber auch mit dem nötigen Nachdruck einer Neuregelung zuwenden.

    Schulz: Der Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses, Volker Wissing (FDP), im Gespräch mit meinem Kollegen Gerd Breker.