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Abschaltung von Kohlekraftwerken
"Wir müssen auf politischer Ebene eine Lösung finden"

Laut einer neuen Studie des Forschungsinstituts Climate Analytics müsste die EU bis spätestens 2031 alle Kohlekraftwerke abschalten, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Für viele Betreiber großer Kraftwerke in Deutschland sei das jedoch ein Problem, sagte der Klimaökonom Niklas Roming im DLF.

Niklas Roming im Gespräch mit Jule Reimer | 09.02.2017
    Dampf steigt in der Nähe von Grevenbroich aus den Kühltürmen des RWE Braunkohlekraftwerks Neurath
    Das RWE Braunkohlekraftwerk Neurath nahe Grevenbroich (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Jule Reimer: Maximal weltweit zwei Grad Erwärmung – das ist die Messlatte, die sich auch die Europäische Union durch ihre Unterschrift unter dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 gelegt hat, um dem gefährlichen Klimawandel Einhalt zu gebieten. Was dazu passieren muss, hat heute das internationale Klimaforschungsinstitut Climate Analytics vor EU-Entscheidern in Brüssel veröffentlicht – das Institut hat jedes einzelne Kohlekraftwerk in Europa einem Stresstest unterzogen. Am Telefon in Potsdam ist Niklas Roming. Er ist Klimaökonom bei Climate Analytics. Herr Roming, welche Kohlekraftwerke müssen denn bis wann abgeschaltet werden, wenn die EU ihre Klimaziele erreichen will, denn es sind ja eigentlich sogar noch neue Kohlekraftwerke geplant.
    "Deutschland hat einen großen Anteil an erneuerbaren Energien"
    Niklas Roming: Schönen guten Morgen! Vollkommen richtig. Im Großen und Ganzen müssen in der Europäischen Union alle Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung bis spätestens 2031 abgeschaltet werden, wenn die EU es ernst meint mit der Ratifizierung des Pariser Abkommens.
    Reimer: Gut, jetzt ist Deutschland neben Polen auch besonders von Kohle noch abhängig, was heißt das für Deutschland?
    Roming: Die Abhängigkeit ist natürlich relativ. Deutschland hat natürlich mittlerweile einen relativ großen Anteil an erneuerbaren Energien, jedoch ist versäumt worden, den Kohlesektor ähnlich streng zu betrachten wie beispielsweise den Kernkraftsektor. Und das heißt, Deutschland wird keine großen Probleme haben, die Kohlekraftwerke, die es noch hat, zu ersetzen. Deutschland ist der größte europäische Kohlenutzer, allerdings ist es natürlich auch die größte Volkswirtschaft und hat die größte Bevölkerung. Deswegen ist das Problem für Deutschland vergleichsweise gering, gerade auch aufgrund der volkswirtschaftlichen Stärke unseres Landes.
    Reimer: Dann gucken wir doch mal genau diese deutschen Kohlekraftwerke an, so wie Sie das einzeln getan haben. Wo anfangen Ihrer Ansicht nach? Geben Sie uns ein paar Beispiele!
    Roming: Es sind viele kleine Kraftwerke. Wir haben nicht nur Kraftwerke betrachtet, die dazu genutzt werden, Strom für den Markt herzustellen, es gibt auch viele kleinere Kohlekraftwerke, die teilweise auch schon sehr alt sind, die beispielsweise für Industriebetriebe genutzt werden, um Strom und Wärme zur Verfügung zu stellen. Das heißt, diese kleinen Kraftwerke sind normalerweise zuerst betroffen, und jetzt einzelne Kraftwerke von diesen kleinen zu nennen, würde relativ wenig Sinn machen, da wir über 150 Kraftwerke in Deutschland haben. Viel interessanter meiner Meinung nach sind die großen Kraftwerke, die in den letzten zehn, fünfzehn Jahren in Betrieb gegangen sind, zum Beispiel in Neurath oder auch jetzt neuerdings die neue Einheit Datteln von dem Betreiber Uniper.
    "Eine CO2-Steuer ist ein guter Vorschlag an sich"
    Reimer: Die vor allen Dingen die Deutsche Bahn mit Strom versorgt.
    Roming: Ganz genau, die versorgt noch nicht, es war bisher eine juristische Schwebe, und jetzt vor einem Monat wurde die Genehmigung erteilt, praktisch das fertiggestellte Kraftwerk, das immer noch juristisch umstritten war, in Betrieb zu nehmen. Das heißt, 2018 wird eine große Einheit in Betrieb gehen. Und wenn man bedenkt, dass diese großen Kraftwerke typische Lebensdauern von 40 bis 50 Jahren haben, bis sie ihre wirtschaftlichen Erwartungen der Eigner erfüllt haben, und jetzt müssen diese Kraftwerke nach zwölf, dreizehn Jahren abgeschaltet werden, dann ist klar, dass das wirtschaftlich für die Betreiber eigentlich keinen Sinn macht. Die haben dann ein großes Problem in der Hinsicht.
    Reimer: Ja, das heißt, und was empfehlen Sie, es soll sich ja auch irgendwie rechnen?
    Roming: Letzten Endes muss man sagen, ich meine, die Betreiber … Wir müssen auf politischer Ebene eine Lösung finden. Wie jetzt diese Lösung konkret aussehen kann, da gibt es viele Möglichkeiten dafür, da kann ich wenig Konkretes jetzt dazu sagen.
    Reimer: Wenn Sie nach Wirtschaftlichkeit gehen, im Augenblick liegt ja der Preis für eine Tonne CO2 im Emissionshandel relativ niedrig. Wir haben gehört, in den USA haben jetzt republikanische Politiker eine CO2-Steuer vorgeschlagen – sagen Sie uns ganz kurz: Ist das ein guter Vorschlag?
    Roming: Eine CO2-Steuer ist ein guter Vorschlag an sich. Es ist natürlich ein komisches Gefühl als Klimawissenschaftler, wenn jetzt unter der Trump-Administration von republikanischer Seite so ein Vorschlag kommt, aber an sich ist dieser Vorschlag nicht das Böseste.
    Reimer: Aber wir wissen ja noch nicht, ob er durchkommt, insofern warten wir ab. Das war der Klimaökonom Niklas Roming. Das Forschungsinstitut Climate Analytics hat heute eine neue Studie vorgelegt, die ganz klar sagt, Kohlekraftwerke in der EU müssen bis 2030 abgeschaltet werden, wenn die Klimaziele eingehalten werden sollen. Vielen Dank für diese Informationen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.