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Abschied vom Magnetstreifen

Die Sicherheitslücke hat einen Namen: Der Magnetstreifen auf der EC-Karte. Die Finanzwirtschaft will nun den Ermahnungen des Bundeskriminalamts nachkommen: Seit Jahresbeginn sollen alle Geldautomaten in der EU auch mit einer vorerst fälschungssicheren Chipkarte funktionieren.

Von Philip Banse | 10.01.2011
    Kann man den Magnetstreifen jetzt abschaffen?

    Das würden die Banken lieber heute als morgen machen, denn der Chip gilt als sicherer als der Magnetstreifen. Dennoch: Nach Auskunft des Zentralen Kreditausschuss der deutschen Banken haben alle 93 Millionen deutschen EC-Karten heute beides: Chip und Magnetstreifen. Und bis der Magnetstreifen verschwindet wird es noch Jahre dauern. Das hat mehrere Gründe. Der wichtigste Grund ist das außereuropäische Ausland. In der EU könnte man heute schon überall allein mit dem Chip Geld abheben, sagen die Banken. Das Problem: Außerhalb der EU, in der Türkei etwa, vor allem aber in den USA, greifen Geldautomaten und Terminals in Restaurants allein auf den Magnetstreifen zu. Wer keinen Magnetstreifen hat, bekommt kein Bargeld, kann nicht zahlen. Deswegen wollen viele Banken noch nicht auf den Magnetstreifen verzichten, dann er verschwindet, ist offen:

    "Da kann ihnen heute wahrscheinlich noch niemand solide ein Datum nennen.",

    sagt Petra Roth vom Deutschen Sparkassen und Giroverband. Sparkassensprecherin Roth skizziert eine von vielen Banken favorisierte Lösung:

    "Man muss sich anschauen, ob man nicht eine Möglichkeit schafft, den Magnetstreifen für bestimmte Regionen für bestimmte Zeiten freischaltet. Es ist etwa denkbar, dass man den Magnetstreifen standardmäßig erst mal nur für Europa freischaltet und der Kunde dann bei einer bestimmten Reise den Magnetstreifen für ein Land und eine bestimmte Zeit freischalten lässt."

    Das würde bedeuten: Der Magnetstreifen könnte in Europa gelesen werden. Das ist nötig für das Lastschriftverfahren mit EC-Karte und Unterschrift. Verreist man außerhalb der EU, wird der Magnetstreifen - etwa für zwei Wochen auch für die USA - aktiviert. Das hat aus Sicht der Banken den Charme: Außerhalb der EU könnten Skimmer mit kopierten Karten kein Geld mehr abheben, weil dort der Magnetstreifen ja in der Regel nicht funktioniert. In der EU funktioniert er zwar, doch Automaten der neusten Generation sollen bei Betrugskopien deutscher Karten immer nach einem Chip fragen. Und wenn dieser Chip – wie auf einer kopierten Betrüger-Karte - nicht vorhanden ist, gäbe es kein Geld.

    Allerdings gibt es auch in der EU noch alte Geldautomaten, die Magnetstreifen akzeptieren, ohne nach einem Chip zu fragen, und Skimmern also auch heute noch Geld auszahlen, gesteht Sparkassensprecherin Roth:

    "Es gibt noch Lücken, die jetzt abhängig von den dortigen Banken in den nächsten Jahren geschlossen werden, sodass wir in den nächsten Jahren noch mit einer guten Abdeckung des Chipstandards rechnen können."

    Aber ein paar Jahre wird das also noch dauern. Das Bundeskriminalamt hätte daher gern, dass zwei Karten ausgeben werden: eine für den Alltag, nur mit Chip. Wer verreist, holt sich eine zweite Karte mit Magnetstreifen. Das ist den Banken zu teuer und kompliziert. Auch der Einzelhandel will nicht von heute auf morgen auf den Magnetstreifen verzichten. Denn der wird in Deutschland vor allem gebraucht für das elektronische Lastschriftverfahren, also das Bezahlen mit EC-Karte und Unterschrift.

    Der Einzelhandel liebt dieses Verfahren, weil es viel billiger ist als das Zahlen mit EC-Karte und PIN: Über ein Drittel der kleineren Geschäfte nutzte 2009 noch ausschließlich den Magnetstreifen für diese Lastschrift, sagt der Einzelhandelverband. Wer irgendwann eine EC-Karte ohne Magnetstreifen in der Hand halten hält, müsste mit Problemen rechnen, sagt Frank-Christian Pauli vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

    "In der Praxis kann das bedeuten, dass man in einem Geschäft oder Supermarkt zuvor noch mit der Karte mit einem Magnetstreifen bezahlen konnte, und dass das dann nicht mehr geht."

    Der Handel bräuchte eine lange Übergangsfrist weg vom Magnetstreifen, sagt Ulrich Binnebössel vom Einzelhandelsverband. Außerdem müsste der Chip auch vom Handel lesbar sein:

    "Der Chip wäre theoretisch verschlüsselbar. Wir fordern aber, dass der Chip dieselben Möglichkeiten bieten muss wie der Magnetstreifen, damit auch aus dem Chip Bankleitzahl und Kontonummer gelesen werden können, um eine Lastschrift zu erstellen."

    Statt auf die Lastschrift zu setzen, könnte der Handel auch die sicherere Kombination aus EC-Karte und PIN anbieten. Das ist vielen Geschäften aber zu teuer.