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Abschied von Klimazielen
"Wenn Deutschland seine Ziele nicht einhält, wer dann?"

Die Sondierer von Union und SPD wollen das angestrebte Klimaschutzziel für 2020 offenbar aufgeben. Eine überraschende Wendung, sagte Klimaexperte Niklas Höhne im Dlf. Es dürfte dann sehr schwierig werden, andere Länder vom Klimaschutz zu überzeugen. Er forderte schnellstmöglich die 20 ältesten Kohlekraftwerke abzuschalten.

Niklas Höhne im Gespräch mit Georg Ehring  | 09.01.2018
    Wasserdampf steigt am 11.02.2015 aus den Kühltürmen eines Braunkohlekraftwerkes in Jänschwalde (Brandenburg).
    Das Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde (Brandenburg) (Patrick Pleul, dpa picture-alliance)
    Georg Ehring: Die Nachricht sorgte sofort für Empörung. Von einer Großen Koalition des klimapolitischen Versagens sprechen Umweltschützer. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer nannte den Abschied vom kurzfristigen Klimaziel minus 40 Prozent CO2-Ausstoß bis 2020 dagegen ein Rendezvous mit der Realität, das er sich schon bei den Jamaika-Sondierungen gewünscht hätte.
    Telefonisch verbunden bin ich jetzt mit Professor Niklas Höhne vom New Climate Institute. Guten Tag, Herr Höhne!
    Niklas Höhne: Hallo, Herr Ehring.
    Ehring: Herr Höhne, hat Sie die Nachricht überrascht?
    Höhne: Ja, die hat mich schon wirklich sehr überrascht. Denn die Auswirkungen, wenn jetzt tatsächlich die neue Bundesregierung das Ziel ad acta legen würde, die würden weit über Deutschland hinausgehen. Das Pariser Klimaschutzabkommen, das so gefeiert worden ist, basiert darauf, dass Länder ihre freiwilligen Verpflichtungen auch einhalten, und wenn ein Land wie Deutschland seine Klimaschutzziele nicht einhält, wer dann. Also es wird sehr, sehr schwierig sein, andere Länder dann vom Klimaschutz zu überzeugen, wenn Deutschland das Ziel einfach so leicht wegfegen könnte.
    Ehring: Wäre das denn jetzt überhaupt noch zu schaffen? Wir haben es zugesagt vor vielen Jahren. Aber wie könnten wir das jetzt hinkriegen?
    "Viele Schritte sind nicht gemacht worden"
    Höhne: Das Ziel kommt aus dem Jahr 2002. Wir hatten wirklich 16 Jahre Zeit, um uns darauf vorzubereiten. Und man muss schon sagen, dass es einige Schritte in die richtige Richtung gab, aber viele Schritte sind nicht gemacht worden und deshalb haben sich in diesem Jahrzehnt die Emissionen nicht mehr verringert, sondern sind stagniert, und wir haben jetzt eine Lücke von ungefähr 100 Millionen Tonnen, das sind Größenordnungen, zehn Prozent der heutigen Emissionen, und diese Lücke ist noch sehr groß.
    Ehring: Was hätte denn passieren müssen in den vergangenen Jahren?
    Dr. Niklas Höhne im DLF-Studio
    Dr. Niklas Höhne im DLF-Studio (Uli Blumenthal)
    Höhne: Deutschland ist weiterhin Vorreiter im Fördern der erneuerbaren Energien. Das ist auch sehr gut und die sind auch sehr stark gewachsen. Aber Deutschland hat es versäumt, in allen anderen Bereich mit Maßnahmen nachzulegen. Ein wichtiger Bereich ist auch in der Stromerzeugung Kohle. Kohlestrom ist weiterhin ein sehr großer Anteil am Mix. 40 Prozent der deutschen Emissionen kommen aus der Energieversorgung, hauptsächlich aus Kohle, und dort ist es so, dass die Emissionen nicht mehr fallen, sondern auch stagnieren, und das ist eigentlich ein sehr schlechter Trend. Auch in den anderen Sektoren müsste eigentlich nachgelegt werden; auch da stagnieren die Emissionen.
    Ehring: Nun haben wir ja bis 2020 jetzt nicht mehr viel Zeit. Wie könnte denn ein kurzfristiges Programm aussehen, das das Ziel noch erreicht?
    "Die 20 ältesten Kohlekraftwerke müsste man abzuschalten"
    Höhne: Das was am meisten diskutiert wird wäre, die 20 ältesten Kohlekraftwerke abzuschalten. Es ist ja bereits beschlossen, dass die abgeschaltet werden, weil sie alt sind. Und wenn man das tun würde, dann könnte man schon mal die Hälfte dieser Lücke füllen, ungefähr 50 Millionen Tonnen. Und gleichzeitig wäre die Versorgungssicherheit gewährleistet. Das liegt daran, dass wir eine Überkapazität haben. Wir haben Kraftwerke, insbesondere Gaskraftwerke, die derzeit nicht laufen, weil Kohle so günstig ist derzeit, dass sie das Gas verdrängt. Und wir produzieren in Deutschland derzeit mehr Strom, als wir wirklich brauchen, und exportieren den in die anderen Länder. Das wäre der allererste Schritt, der wirklich kommen müsste.
    Ehring: Und was wäre der zweite? Gibt es da weitere Schritte, die auch schnell umsetzbar wären?
    Höhne: Dann wird es sehr eng, denn es ist versäumt worden, in verschiedenen Sektoren die wirklich wichtigen Maßnahmen umzusetzen. Ein wichtiger Teil wäre der Verkehr. Dort sind die Emissionen sogar signifikant gestiegen in den letzten Jahren, um acht Prozent seit 2010, und das liegt daran, dass man versäumt hat, hier politische Maßnahmen umzusetzen. Was schnell gehen würde wäre, die umweltschädlichen Subventionen sich anzuschauen. Es werden zum Beispiel in Deutschland immer noch Dienstwagen sehr günstig steuerlich begünstigt, und das bedeutet, dass sehr viele große SUV, große Sportwagen hier als Dienstwagen fungieren. Es wird auch weiterhin zum Beispiel LKW-Verkehr auf der Straße gefördert, die neuen Giga-Liner zum Beispiel. Das wären Möglichkeiten, schnell wenigstens die umweltschädlichen Subventionen zu reduzieren.
    Ehring: Professor Niklas Höhne war das vom New Climate Institute zum Abschied vom Klimaziel minus 40 Prozent CO2-Ausstoß bis 2020. Herzlichen Dank dafür.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.