Donnerstag, 28. März 2024

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Abschluss des EU-Sondergipfels
Kommissionspräsident - es geht um eine Machtfrage

Nach Abschluss des EU-Sondergipfels im rumänischen Sibiu hat das Ringen um die künftige Aufstellung der EU begonnen. Es geht um die Besetzung von Ratspräsident, Parlamentspräsident, EZB-Präsident und vor allem Kommissionspräsident. Bei Letzterem ist eine Debatte um den Nominierungs-Mechanismus entbrannt.

Von Peter Kapern | 10.05.2019
09.05.2019, Rumänien, Sibiu: Klimaaktivistin Anuna De Wever im Gespräch mit Schwedens Premierminister Stefan Lofven, Dänemarks Premierminister Lars Lokke Rasmussen, Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron
Im Dialog in Sibiu: Klimaaktivistin Anuna De Wever im Gespräch mit Staatschefs aus Europa (Benoit Doppagne/BELGA/dpa)
Zwei Seiten ist die Erklärung lang, die beim Gipfel in Sibiu verabschiedet wurde. Und sie klingt wie eine Selbstverpflichtung einer Pfadfinder-Gruppe. Gemeinsam wolle man durch dick und dünn gehen, immer bemüht um gemeinsame Lösungen, mit dem Vorsatz, sich in Notzeiten untereinander immer solidarisch zu zeigen. Zwei Wochen vor der Europawahl schien es den Staats- und Regierungschefs angebracht, den Bürgern diese Botschaft zu übermitteln. Dass die EU längst nicht nur ein in Fragen der Flüchtlings- und Haushaltspolitik zerstrittener Haufen ist. Und dass es wichtig ist, wählen zu gehen.
Unabhängig von allen Beschwörungen des Zusammenhalts hat zeitgleich das beinharte Ringen um die künftige Aufstellung der EU begonnen. Auch das ist eine Botschaft von Sibiu. Da geht es da um die Besetzung der vier Spitzenjobs nach der Wahl: Ratspräsident, Parlamentspräsident, EZB-Präsident und vor allem Kommissionspräsident. Bei der Personalauswahl muss die Balance zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten gewahrt werden, Ost und West, Nord und Süd müssen vertreten sein.
Dossier: Europawahlen
Europawahlen (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Kommissionspräsident - es geht um die Machtfrage
Bei der Auswahl des Kommissionspräsidenten geht es aber auch um eine Machtfrage. Die großen Fraktionen des Europaparlaments haben sich festgelegt: Nur wer bei den Europawahlen als Spitzenkandidat einer Parteienfamilie angetreten ist, kann zum Kommissionspräsidenten gewählt werden. Ein Grundsatz, hinter den sich auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz stellte:
"Ich glaube, dass es der Bevölkerung schwer zu verkaufen sein wird, dass es zuerst Wahlen und dann einen Spitzenkandidaten gibt und danach sagen einige aus der Regierungselite: 'Ach, soll die Bevölkerung ruhig wählen, wir entscheiden dann im kleinen Kreis unter uns, was wir für richtig erachten.'"
Front gegen den Nominierungs-Mechanismus
Gleich zum Gipfelbeginn hatte aber bereits eine ganze Reihe Regierungschefs, die allesamt dem liberalen Lager angehören, das keinen Spitzenkandidaten nominiert hat, Front gemacht gegen diesen Nominierungs-Mechanismus.
Dieser Mechanismus liege außerhalb demokratischer Prozeduren und außerhalb der EU-Verträge, urteilte zum Beispiel die litauische Ministerpräsidentin Grybauskaite. Auch Emmanuel Macron unterstrich seine Ablehnung der Spitzenkandidaten-Idee. Und der Luxemburger Xavier Bettel ätzte, die Wähler hätten doch gar keine Ahnung, wer diese Spitzenkandidaten seien.
Angela Merkel sagte, man werde sich nach der Wahl die Ergebnisse anschauen und dann miteinander reden. Und dann, als sei es ihr noch gerade rechtzeitig eingefallen, schob sie hinterher: "Ich unterstütze Manfred Weber, damit das ganz klar ist."
Diese Unterstützung könnte sie am 28. Mai, zwei Tage nach der Europawahl, demonstrieren. Dann gibt es nämlich einen weiteren Sondergipfel, bei dem es ausschließlich um Personalien gehen soll.
Kurz will Änderung der EU-Verträge
Aber nicht nur über das Personal, auch über den künftigen Kurs der EU wurde in Sibiu gesprochen. Sebastian Kurz erneuerte seine Forderung nach einer Änderung der EU-Verträge, die mit einem europaweiten Referendum abgesichert werden soll.
"Es braucht eine Veränderung und dafür kämpfe ich auch, dafür trete ich ein. Ich glaube, ein neuer Vertrag, ein Generationswechsel, das ist es, was wir brauchen."
Weniger Zwang zur Einstimmigkeit, dazu Strafen für Mitgliedstaaten, die die Regeln nicht einhalten und überhaupt mehr Effizienz, so das Ziel seiner Vorschläge. Spaniens Sozialdemokratischer Ministerpräsident Pedro Sanchez war mit der Forderungen nach einer europäischen Arbeitslosenversicherung nach Sibiu gereist. Und Emmanuel Macron unterstrich seine bekannten Reformideen:
"Wir brauchen eine ambitioniertere Klimapolitik. Zweitens müssen wir unsere Grenzen besser schützen, für die Sicherheit Europas. Und zweitens müssen wir ein europäisches Wachstums- und Sozialmodell für die Zukunft aufbauen."
Merkel will EU-Gipfel alle zwei Monate
Aus der Reformdebatte hielt sich Angela Merkel weitgehend heraus. Immerhin schlug sie vor, dass EU-Gipfel künftig alle zwei Monate stattfinden sollen, um die Entscheidungsfindung zu beschleunigen. Und sie unterhielt Unterstützung für Ihren Vorschlag …
Das wir in dem bereich, der nicht dem zertifikatehandel unterliegt, noch einmal überlegen müssen, wie wir vielleicht gemeinsame Methodiken finden, zumindest Koalitionen der Willigen, die die Bepreisung von CO2 möglichst einheitlich regeln."
Außerdem sagte sie zu, dass die Bundesregierung noch einmal prüfen werde, ob sie der jüngsten Klimainitiative von neun EU-Staaten beitritt. Die hatten sich unter Führung Frankreichs dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2050 CO2-nweutral zu werden. Dafür müsse Deutschland, gab die Kanzlerin zu bedenken, seine Klimaziele noch einmal verschärfen.