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Abschlussbericht
Was kostet der Atomausstieg - und wer zahlt?

Lange hat die Atomkraft in Deutschland nicht mehr. Bis 2022 sollen die AKW vom Netz gehen. Dann kommt das große Aufräumen, das sehr lange dauern und sehr viel kosten wird. Wo das Geld herkommen soll - darüber hat die sogenannte Atom-Kommission monatelang diskutiert. Heute legt sie ihren Abschlussbericht vor.

Von Nadine Lindner |
    Luftbild des Eon-Atomkraftwerks Grohnde Emmerthal
    Die Atomkommission legt heute ihren Abschlussbericht vor. (imago / Hans Blossey)
    Eins steht jetzt schon fest: Es bleibt bis zur letzten Minute spannend. Denn bislang zeichnet sich in den Gesprächen über die Finanzierung des Atom-Ausstiegs noch keine Lösung ab. Sogar ein Scheitern nicht ausgeschlossen.
    Dabei ringen die Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW schon seit Monaten mit der Atom-Kommission darum, wie die Finanzierung des großen Aufräumens nach der dem Ende der Kernenergie gesichert werden kann.
    "Dahinter steht, dass wir ja über einen Betrag reden, der nach heutigen Preisen irgendwas wie 47 Milliarden Euro kosten würde für den Rückbau, für die Verpackung des Mülls in Behälter, für die Frage der Zwischenlagerung. Und auch für die Frage der Endlagerung und die Transporte von der Zwischenlagerung und Endlagerung."
    Erklärt Jürgen Trittin, einer der drei Ko-Vorsitzenden. Bislang ist laut Kommissions-Entwurf eine Zweiteilung geplant: die Unternehmen bezahlen für Abriss und Rückbau. Der Staat kümmert sich um Zwischen- und Endlagerung – finanziert durch einen Fonds, der mit den Rücklagen der Atom-Industrie gefüllt wird.
    Die Gesetzeslage ist klar
    Eine offene Frage ist: ob es einen Risiko-Zuschlag seitens der Konzerne für die Lagerung geben und wie hoch er sein wird.
    19 Mitglieder sind in der Atom-Kommission. Sie kommen aus Parteien, Kirchen, Umweltorganisationen, Experten-Gremien und sollen alle gesellschaftlichen Interessen abbilden.
    Eigentlich ist die Gesetzeslage klar: laut Atomgesetz sind die Betreiber von Atomkraftwerken für Abriss und Lagerung zuständig. Doch lange wurde nicht überprüft, ob diese Regelung auch durchgesetzt wird und das Geld reicht.
    Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung findet, dass die Politik jahrzehntelang geschlafen habe:
    "Viel zu spät, es ist auch unverständlich. Eigentlich hätte man es gleich zu Beginn machen müssen, als man in die Atomwirtschaft eingestiegen ist."
    "Die Konzerne winden sich raus"
    Kritik an den Kommissionsvorschlägen kommt dagegen aus dem gut organisierten Anti-Atom-Lager. Zweiteilung der Kosten ist unzureichend, weil sie das Verursacherprinzip verwässern, sagt Armin Simon von der Initiative ausgestrahlt, die die Arbeit der Kommission beobachtet.
    "Die Konzerne versuchen, sich rauszuwinden aus dieser Verantwortung, sie abzuwälzen auf die Gesellschaft."
    Simon verweist auf eine langjährige Forderung der Anti-Atom-Bewegung:
    "Es muss eine unbegrenzte Nachhaftung der Konzerne geben. Dass sie, falls die Kosten höher liegen, auch dafür weiterhin zur Rechenschaft gezogen werden können."
    Auch politischer Zeitdruck
    Ausblick: Kommissions-Chef Trittin weiß, dass die Zeit für ihn arbeitet, denn die angeschlagenen Energiekonzerne müssen ihre alten Atomschulden möglichst schnell klären, um auf dem Kapitalmarkt wieder kreditwürdig zu werden.
    Doch auch politisch gibt es Zeitdruck. Der Gesetzesentwurf – basierend auf der Kommissionsarbeit – soll bis spätestens September vorliegen. Das Thema soll nicht in die Mühlen des Bundestagswahlkampfs 2017 geraten, sagt Trittin.
    "Wenn man dieses Zeitfenster verstreichen ließe, dann würde ich die Chance für einen neuen Anlauf nicht vor 2018 sehen."
    Ob der Atom-Kommission die Suche nach dem angestrebten milliardenschweren 'Entsorgungs-Konsens' gelungen ist, wird sich spätestens heute Nachmittag zeigen.