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Absenkung der Rente auf 40 Prozent?

Spengler: Wir bleiben beim Thema Rente. Am Telefon ist der Bundestagsabgeordnete der Union und Rentenexperte Andreas Storm. Guten Tag, Herr Storm.

    Storm: Ich grüße Sie, Herr Spengler.

    Spengler: Herr Storm, Absenkung der Rente von 48 auf 40 Prozent des durchschnittlichen Bruttogehalts: Ist das, was die Rürup-Kommission angeblich vorschlagen will, ein Horror-Szenario oder ein realistisches Modell?

    Storm: Zunächst einmal sind diese Vorschläge der Rürup-Kommission nicht so ganz revolutionär und neu. Die Kommission hat ja bereits im Frühjahr deutlich gemacht, dass sie davon ausgeht, dass die Renten in Zukunft langsamer steigen müssen als die Bruttolöhne der Beitragszahler. Wenn die Renten langsamer steigen als die Bruttoeinkommen, sinkt natürlich das statistisch ausgewiesene Verhältnis von Renten zu Bruttolöhnen ab. Die Frage ist nur, wie weit. Wenn man nun die Vorgabe von 48 auf 40 Prozent hat, ist das für einen langfristigen Zeitraum von drei Jahrzehnten oder mehr, denke ich, ein realistisches Szenario. Über das, was in der Rürup-Kommission derzeit diskutiert und demnächst möglicherweise vorgelegt wird, muss man ernsthaft reden. Es kommt entscheidend darauf an, dass man von dieser unsäglichen Debatte bei Rot-Grün über eine Rente nach Kassenlage wegkommt, die in den letzten fünf Jahren praktisch zum rentenpolitischen Standard geworden ist.

    Spengler: Würden Sie denn so weit gehen zu sagen: Die Rentner müssen sich in den kommenden Jahren vielleicht sogar auf Nullrunden einstellen?

    Storm: Das Entscheidende ist, dass klar wird, dass die Rentenversicherung ein eigenständiges System ist, das auch dem Zugriff der Politik so weit es möglich ist entzogen wird. Wenn heute morgen wiederum der SPD-Generalsekretär einen Zusammenhang hergestellt hat zwischen Rentenausgaben und den Ausgaben für die Bildungspolitik, macht das deutlich, dass man die Eigenständigkeit der Rentenversicherung zunehmend in Frage stellt und die Höhe der jährlichen Rentenanpassung von der Haushaltslage des Bundes abhängig machen will. Das halten wir für völlig falsch. Das würde bedeuten, dass der Finanzminister entscheidet, wie hoch die Rente ist. Deshalb brauchen wir eine Rentenreform, die mit einer neuen Rentenformel Klarheit schafft, so dass die Rentenanpassungen nicht davon abhängig sind, wie viel der Finanzminister an Bundeszuschuss oder anderen Mitteln bereit ist zu geben. Deshalb wäre es ein Fortschritt, wenn wir eine Rentenreform bekommen, bei der Klarheit herrscht, nach welchen Regeln die Renten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten angepasst werden.

    Spengler: Hatte ich jetzt Ihre Antwort auf meine Frage nach der Nullrunde überhört, oder hatten Sie sie nicht beantwortet?

    Storm: Mit der Nullrunde verhält es sich so: Wenn die Regierung hingeht und sagt, wir sind nicht mehr bereit, in dem Ausmaß wie bisher Steuergelder für die Rentenversicherung bereitzustellen und machen deshalb eine Nullrunde, dann ist das inakzeptabel. Das bedeutet nämlich, dass die Rentenanpassung nach der Kassenlage des Bundeshaushaltes gemacht wird. Wir lehnen deshalb einen Eingriff in die Regelmechanismen der Rentenanpassung in dieser Form ab. Wenn man sich aber für eine neue Rentenformel entscheidet und sagt: Wir müssen die Lasten zwischen Rentnern und Beitragszahlern neu verteilen und als Ergebnis einer solchen neuen Rentenformel eine geringere Rentenanpassung herauskommt als es bisher der Fall war, dann ist das akzeptabel. Eine Nullrunde aber, weil Finanzierungsprobleme im Bundeshaushalt da sind, die an anderer Stelle verursacht worden sind, lehnen wir eindeutig ab. Das wäre ein falscher Weg.

    Spengler: Eine Nullrunde als Teil einer umfassenden und dann wirklich geltenden Reform?

    Storm: Wenn sie eine neue Rentenformel machen, die sicherstellt, dass die Rentner teilhaben an der Einkommensentwicklung der Aktiven, die aber gleichzeitig einen demographischen Faktor, oder einen Nachhaltigkeitsfaktor, wie das jetzt bei Rürup heißt, mit einbaut, kann es natürlich passieren, dass die Renten mal für einen gewissen Zeitraum relativ gering ansteigen. Das würde aber nicht bedeuten, dass man die Rentenanpassung aussetzt, wie das jetzt bei Rot-Grün geplant ist und sagt, es gibt jetzt für ein, zwei oder drei Jahre überhaupt keine Rentenerhöhung mehr. Das wäre Renten nach Kassenlage und ist mit der Union nicht zu machen.

    Spengler: Könnte denn zu einer solchen neuen Formel auch folgender Vorschlag gehören - ein Vorschlag, den heute ein SPD-Politiker gemacht hat -, der da lautet: Jeder muss 42 Jahre lang arbeiten. Wer also mit 20 anfängt, der kann mit 62 in Rente. Wer mit 30 anfängt, der wird erst mit 72 Rentner. Was halten Sie davon?

    Storm: Dieser Vorschlag ist so mit Sicherheit nicht zu realisieren. Er wäre auch unsinnig, denn es gibt immer noch eine ganze Menge Leute, die nach dem Hauptschulabschluss - jetzt mit 16, früher schon mit 14 oder 15 Jahren - ins Arbeitsleben gehen, ihre Ausbildung oder Lehre machen und dann beispielsweise am Bau arbeiten. Jemand, der mit 16 beginnt, wäre mit dieser 42er-Regelung schon mit 58 im Ruhestand. Das macht keinen Sinn. Was aber einen Sinn macht, ist, dass man ein flexibles Rentenalter hat und berücksichtigt, dass derjenige, der mit 16 schon anfängt zu arbeiten, nicht so lange arbeiten muss wie derjenige, der vielleicht erst mit 30 beginnt. Das heißt: nicht mehr ein einheitliches Rentenalter für alle, sondern die Möglichkeit, dass derjenige, der früh einsteigt, auch frühzeitig aussteigen kann. Das halten wir für richtig. Aber die Zahl 42 ist sicherlich nicht diejenige, die man am Ende wählen kann.

    Spengler: Herr Storm, es gibt in Ihren Reihen im Augenblick ein ziemliches Hin und Her: Soll man die Einladung des Kanzlers zu einem Reformgipfel annehmen oder nicht? Merkel und Merz sind dafür, Stoiber und Koch dagegen. Müssten Sie sich innerhalb der Union nicht auch mal auf eine einheitliche Linie verständigen?

    Storm: Die Union hat ja eine Reformkommission unter der Leitung des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog. Die wird nach der Sommerpause ihre Vorschläge für eine umfassende Rentenreform vorlegen.

    Spengler: Das heißt, Sie wollen das erst abwarten, ehe Sie sich mit dem Kanzler treffen?

    Storm: Die Regierung muss zunächst einmal die aktuellen Probleme bei der Rente selber lösen. Die Union wird mit Sicherheit nicht Schmiere stehen, wenn es darum geht, nun die Versäumnisse der rot-grünen Rentenpolitik der letzten drei Jahre durch ein oder zwei aufeinanderfolgende Nullrunden und andere Eingriffe in die Finanzen der Rentenversicherung zu Gunsten des Bundeshaushaltes mitzutragen...

    Spengler: Darf ich da kurz zwischenfragen, Herr Storm: Wir hatten ja de facto lange Jahre eine große Koalition, was die Rente anging. Lange Zeit haben CDU und SPD verschlafen, die Rente auf gesunde Füße zu stellen. Müsste es jetzt nicht auch umgekehrt so sein, dass beide zusammen die Rente wieder auf gesunde Füße stellen müssen?

    Storm: Da muss man unterscheiden. Das, was zum Beispiel die Frau Kollegin Schaich-Walch von der SPD angekündigt hat, dass sie möglichst schnell Klarheit über die Rentenlage des nächsten Jahres haben will, ist eine Entscheidung, die massive Eingriffe in die Autonomie der Rentenversicherung bedeutet. Das wird so von der Union mit Sicherheit nicht mitgemacht, weil es die Versäumnisse einer verfehlten rot-grünen Politik sind. Wenn es um die Frage geht, wie wir die Rente für die nächsten Jahrzehnte stabil halten und beispielsweise auch um die Vorschläge, die die Rürup-Kommission macht, wenn man da über eine neue dauerhaft gültige Rentenformel reden will, steht das auf einem anderen Blatt. Das muss man aber von diesen Ad-hoc-Maßnahmen, die nun im Herbst anstehen, ganz klar trennen. Die Union wird ihre Vorschläge mit der Herzog-Kommission machen. Wir müssen über drei Dinge reden: Wir müssen über eine neue Rentenformel reden, die dann in der Tat auch langfristig ein niedrigeres Rentenniveau zum Ergebnis hat. Wir müssen reden über eine Veränderung beim Renteneintrittsalter, aber mit einer Berücksichtigung der tatsächlichen Lebensarbeitszeit, so dass derjenige, der früher ins Arbeitsleben geht, auch die Chance bekommt, früher auszusteigen als derjenige, der erst sehr spät ins Arbeitsleben eintritt. Wir müssen vor allen Dingen eine vernünftige Nachfolgeregelung für die Riester-Rente schaffen. Es ist entscheidend, dass nach Möglichkeit bald jeder ein zweites Standbein neben der gesetzlichen Rente hat. Die Fehler der Riester-Rente müssen ausgemerzt werden, damit wirklich eine von der breiten Bevölkerung in unserem Land akzeptierte zusätzliche Altersvorsorge eine Chance bekommt. Dies wäre dann eine Reform, bei der man dann auch guten Gewissens sagen kann: Wir haben Sicherheit für die Rente für die nächsten Jahrzehnte. In diesem Fall wäre die Union auch zu einer Zusammenarbeit bereit.

    Spengler: Ich bedanke mich für das Gespräch. Das war Andreas Storm, CDU/CSU-Bundestagsabgeordneter und Rentenexperte.