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Abstimmung
Bundestag entscheidet über Organspende

Der Bundestag entscheidet heute über mögliche neue Regeln für Organspenden in Deutschland. Einem Vorschlag zufolge sollen künftig grundsätzlich alle Bürger als Spender gelten - wer das nicht will, muss widersprechen. Doch es gibt auch einen Gegenvorschlag.

Von Volker Finthammer | 16.01.2020
Eine Operation am Transplantationszentrum des Uniklinikums Leipzig. Medizinisches Personal in OP-Kleidung steht am OP-Tisch, eine Person bedient einen Computer.
Eine Operation am Transplantationszentrum des Uniklinikums Leipzig (dpa/Waltraud Grubitzsch)
Es gibt nicht viele Debatten und Abstimmung dieser Art im Deutschen Bundestag bei der jede und jeder Abgeordnete allein dem Gewissen und der persönlichen Entscheidung folgt. Der Umzug von Bonn noch Berlin gehörte dazu, aber auch die Frage der Präimplantationsdiagnostik, oder die Sterbehilfe, bei denen die Trennlinien quer durch alle Fraktionen verlaufen und am Ende jeweils doch ein Ergebnis stand, das den weiteren Verlauf der gesellschaftlichen Debatte bestimmen wird. Die Organspende gehört mit Sicherheit dazu und unabhängig davon, wie die heutige Abstimmung ausfallen wird, dürfte uns das Thema weiter beschäftigen.
Der Deutschlandfunk überträt die Debatte aus dem Deutschen Bundestag im Livestream.
Weil der Abstand zwischen den tatsächlichen Spendern in Deutschland und der Zahl der auf ein Organ wartenden Patienten erheblich ist, wollen die Befürworter um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach mit der Widerspruchslösung einen Systemwechsel herbeiführen, wonach künftig jeder im Fall des Falles zum Spender wird, sofern sie oder er dem nicht zu Lebzeiten aktiv widersprochen hat.
"Meine persönliche Haltung ist da seit vielen Jahren sehr klar, ich will, dass die Widerspruchslösung bei der Organspende Gesetz wird. Ich glaube, dass wir im europäischen Vergleich auch schon viel zu lange darauf setzen, dass mit Aufklärungskampagnen die Bereitschaft zur Organspende real größer wird. Ich glaube dass emotional sehr groß ist, aber real leider nein und deswegen die gesetzliche Regelungen sind aus meiner Sicht der begrenzende Faktor und das muss man auflösen", betont CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Ringen um Grundsatz der Selbstbestimmung
Die Zahl der Befürworter der Widerspruchslösung lag in den letzten Tage oberhalb derjenigen, die den Alternativantrag der Grünen Vorsitzenden Annalena Baerbock und weiterer Abgeordneter unterstützen, aber das sagt noch nichts über das mögliche Ergebnis. Der Alternativvorschlag will etwa durch regelmäßige Abfragen eine Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende erreichen, um die Zahl der freiwilligen Spender zu erhöhen, für die es aber eine bewusste Entscheidung für die Spende bleiben soll.
"Das unterscheidet sich von der doppelten Widerspruchslösung, die automatisch alle Menschen zu Organspendern erklärt, es sei denn man hat widersprochen. Ich habe große Verfassungsrechtliche Zweifel an dieser Lösung, weil das Selbstbestimmungsrecht auf dem eigenen Körper in unserem Grundgesetz verankert wird", erklärt die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock.
Auf den Grundsatz der Selbstbestimmung hatte dieser Tage auch Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verwiesen und das dieses Recht nur mit der Zustimmungslösung gewährleistet sei.
Das aber wollen die Befürworter der Widerspruchslösung nicht gelten lassen: "Ich bin der festen Überzeugung, dass auch bei der Widerspruchs Lösung sich die Menschen selbstbestimmt entscheiden können, ob sie Spender sein wollen oder nicht. Der Unterscheid ist nur darin wie man es dokumentiert", sagt CSU-Fraktionsvize Georg Nüsslein.
Widerspruchs- oder Zustimmungslösung?
Dennoch wäre das ein erheblicher Paradigmenwechsel gegenüber dem bisherige Verfahren bei dem Klagen nicht auszuschließen wären.
Die Reihenfolge der heutigen namentlichen Abstimmung ist klar festgelegt. Zunächst geht es um die Widerspruchslösung, die angenommen wäre, wenn sie ohne die Berücksichtigung von Enthaltungen und ungültigen Stimmen mehr Ja- als Nein-Stimmen auf sich vereinen könnte. Dann käme es auch zu keiner weiteren Abstimmung mehr.
Überwiegen jedoch die Nein-Stimmen wird dann im nächsten Schritt über die Zustimmungslösung der Grünen-Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und anderen abgestimmt. Auch dieser Vorschlag wäre mit einfacher Mehrheit in der namentlichen Abstimmung angenommen.
Erreicht auch dieser Vorschlag keine einfache Mehrheit, bliebe alles beim Alten, also dem bestehenden System.
"Ich weiß aber ziemlich scher, dass dieses Thema dann wieder aufs Tablet kommt", sagt Georg Nüsslein, wohl wissend, dass das wohl erst in der nächsten Legislaturperiode der Fall wäre.