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Abwicklung der Odenwaldschule
Das Ende einer ehemaligen Elite-Schule

Die hessische Schulaufsichtsbehörde hat mit der Abwicklung der Odenwaldschule begonnen, die zum Schuljahresende geschlossen wird. Die ehemalige Reformschule konnte sich von ihrem Missbrauchsskandal erholen, die Schüler blieben aus. Die Verbliebenen müssen nun nach Alternativen suchen.

Von Ludger Fittkau | 27.04.2015
    Die Odenwaldschule (OSO) in Ober-Hambach bei Heppenheim.
    Die rund 100 Schüler der Odenwaldschule müssen ab dem kommenden Schuljahr woanders untergebracht werden. (picture alliance / dpa / pdh-online.de)
    "Die OSO lebe hoch, die OSO lebe hoch."
    OSO – so nennen Schüler und Lehrer der Odenwaldschule ihr Internat. Mit einer spontanen Protestveranstaltung reagierten sie auf die Nachricht, dass ihre Schule zum Schuljahresende geschlossen wird. Bereits heute beginnen die hessischen Schulaufsichtsbehörden, die Odenwaldschule abzuwickeln. Der südhessische Landkreis Bergstraße, in dem das Internat liegt, installiert im Schulgebäude ein Beratungsteam. Es soll Eltern und Schülern aufzeigen, welche Alternativen es zur Odenwaldschule gibt.
    Rund 100 Schüler müssen ab dem kommenden Schuljahr nun woanders untergebracht werden. Manche Schüler wollen jedoch die Hoffnung noch nicht aufgeben, dass sich im letzten Moment doch noch ein neuer Geldgeber finden wird:
    "Es laufen immer noch ganz viele Gespräche, noch ist die Hoffnung nicht ganz tot."
    "Ich will mir gar nicht überlegen, was ich auf den anderen Schulen – wo ich hingehen könnte, sondern ich möchte einfach nur hierbleiben. Das andere kommt für mich gar nicht in Erwägung."
    Ende einer ehemaligen Elite-Schule
    Ein Schulwechsel wird sich jedoch nicht vermeiden lassen. Marcus Halfen-Kieper ist der aktuelle Verwaltungsleiter der Odenwaldschule. Er erläuterte im HR-Fernsehen, dass potenzielle Geldgeber kein Vertrauen mehr in die Einrichtung setzten, die vom Missbrauchsskandal geschüttelt war. Einen Nachweis über 2,5 Millionen Euro, den die Schulbehörden bis zum 30.4.2015 verlangten, konnte die Schule deshalb nicht bringen. Marcus Halfen-Kieper:
    "Und deswegen hat der Trägerverein gesagt: Okay, wir können nur noch dieses Schuljahr durchziehen. Und im Nächsten nicht. Und deswegen haben wir das allen aus der Schulgemeinde erklärt."
    Es ist das Ende einer ehemaligen Elite-Schule. Bereits schnell nach ihrer Gründung im Jahr 1910 hatte sie sich international den Ruf einer Hochburg der Reformpädagogik erworben. Das Motto lautete: Nicht die Erwachsenen, sondern die Kinder sollten die Erbauer der neuen Schule sein.
    "Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht"
    In den 1960er-Jahren bekam die Odenwaldschule den Status einer UNESCO-Projektschule. Das Besondere: Schüler konnten dort das Abitur und gleichzeitig eine Ausbildung machen.
    Doch 2010 wurde bekannt: Zwischen Mitte der 60er-Jahre und den 90er-Jahren wurden an der Odenwaldschule mindestens 115 Jungen und 17 Mädchen von Lehrern und Mitschülern missbraucht. Das dadurch verlorengegangene Vertrauen führte zu einem dramatischen Schülerschwund, so Marcus Halfen-Kieper aus der heutigen Schulleitung:
    "Was ausschlaggebend war, ist, wie wir uns in der Zeit danach aufgestellt haben und wie wir auf die Frage des Schülerschwunds reagiert beziehungsweise nicht reagiert haben. Wir haben schlicht und ergreifend unsere Hausaufgaben nicht gemacht."
    Damit wird im Sommer das einstige Vorzeigeprojekt der Reformpädagogik eingestellt.