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Acht Jahre nach Fukushima
Kontaminiertes Wasser bereitet immer noch Probleme

Vor acht Jahren kam es in Japan nach einem schweren Erdbeben mit anschließendem Tsunami zur Kernschmelze im Atomkraftwerk von Fukushima. Die Regierung versucht den Eindruck zu vermitteln, dass vieles schon wieder in Ordnung sei. Doch vor allem beim Umgang mit verstrahltem Kühlwasser sind viele Probleme noch ungelöst.

Von Kathrin Erdmann |
Der Wasserbecken H4 des Kernkraftwerks von Fukushima bei einer Begehung am 13. Februar 2019.
Vor allem die Lagerung von kontaminiertem Wasser bereitet in Fukushima auch acht Jahre nach der Kernschmelze noch Probleme (dpa / AP Images / Yomiuri Shimbun)
Das Programm ist genau durchgetaktet und vollgepackt. Die Pressetour durch Fukushima führt die zehn meist ausländischen Journalisten zunächst zu einem Landwirtschaftszentrum, einer Erdbeerplantage mit süßen Früchten und schließlich zum Fischerei-Institut.
Dort hacken gerade drei Japaner Fisch zu Brei. In luftdichten Behältern verpackt wird dann die radioaktive Belastung gemessen.
Toyohiko Hirata ist der Direktor für Strahlenmessung an dem Institut. Die Mitarbeiter legen für ihre Arbeit einen doppelt so strengen Maßstab an wie die Regierung.
"Die Fische, die wir untersucht haben, sind nicht mehr belastet."
Dennoch haben es die Fischer in der Region nach wie vor schwer, denn viele Japaner bleiben Fisch und anderen Produkten aus Fukushima gegenüber skeptisch.
"2011 haben wir 2.400 Tonnen Fisch pro Jahr gefangen. Heute sind wir gerade mal bei der 13 Prozent der Gesamtmenge von damals."
Zwar werden sie wie Landwirte finanziell für die Einnahmeausfälle entschädigt, doch im Grunde wünschen sich nur eins: Dass alles ist wieder ist wie vor dem 11. März 2011.
Marineinstitut und Fischereigenossenschaft fürchten sich deshalb auch davor, dass zu zu stark belastetes Kühl- und Grundwasser schon bald wieder ins Meer geleitet werden könnte.
"Wenn das passiert, würden die ganzen Gerüchte und Geschichten über Fukushima wieder hochkochen."
1.000 Tanks mit kontaminiertem Wasser
Besuch im Atomkraftwerk Fukushima – fast überall könne man sich ohne Schutzkleidung bewegen, heißt es – auch wenn der mitgebrachte Geigerzähler immer mal piepst – kein Grund zur Sorge, so der Tenor.
Und dann sind da noch die rund 1.000 Tanks mit kontaminiertem Wasser. dieses Kühlwasser aus den Reaktoren enthalte nur noch Tritium, beteuerten die japanische Regierung und der Atomkraftbetreiber viele Jahre lang. Doch, inzwischen weiß man, das war gelogen – und Tepco-Sprecher Kenji Abe tut sich auch jetzt noch schwer zuzugeben.
"In 80 Prozent aller Tanks befinden sich neben Tritium auch noch andere Stoffe, sie wurden bisher nicht herausgefiltert."
Dazu gehört unter anderem Strontium-90, das eine Halbwertszeit von fast 30 Jahren hat und krebserregend ist, wenn es über Lebensmittel in den Körper gelangt.
Wohin mit dem Wasser?
Warum es beim Filtern bisher hakte - die Antwort fällt knapp aus: "Wir waren damals in Eile."
Denn das Wasser war hoch verstrahlt und sollte schnell verschwinden, um auch die Arbeitskräfte nicht zu gefährden. Offenbar hat die Filtermethode auch nicht so funktioniert wie erwartet. Doch das Problem wird immer größer, denn täglich kommt neues kontaminiertes Kühlwasser hinzu und Tepco beim Filtern nur schleppend hinterher.
Shaun Burnie ist bei Greenpeace seit vielen Jahren der Strahlenexperte. Er hält nur eine Option für realistisch:
"Die einzige Lösung, um weder die Umwelt noch die Gesundheit der Menschen zu gefährden, ist, das Wasser die nächsten 100-125 Jahre in größeren Tanks aufzubewahren. Dafür muss man mehr Platz auf dem Gelände schaffen."
Alle anderen Möglichkeiten, wie das Wasser verdunsten zu lassen, ins Meer zu abzuleiten oder in den Boden zu injizieren, sind aus seiner Sicht auch dann gefährlich, wenn das Wasser nur noch Tritium enthalten sollte. Und auch das Problem hätte man schon längst angehen können, sagt Burnie und verweist auf eine Technologie des US-amerikanischen Energieministerium von 2014.
"Die japanische Regierung und Tepco wollten das Geld dafür nicht ausgeben, denn das hätte sich schnell auf bis zu 150 Milliarden Euro belaufen können. Und es ist natürlich viel günstiger, es einfach so in den Pazifik einzuleiten."
Chance für die Energiepolitik?
Wie gefährlich ein Einleiten nur des tritiumhaltigen Wassers tatsächlich wäre, ist unter Wissenschaftlern umstritten. So schreibt das renommierte Thünen-Institut beispielsweise, dass Tritiums vom menschlichen Körper schnell wieder ausgeschieden wird, über Langzeitschäden ist hingegen bisher wenig bekannt.
Dass die Wasserfrage noch immer so ungelöst ist, bedauert Bernie von Greenpeace, denn seit dem Unglück wurde auch vieles Positives geleistet, findet er. Selbst bei Tepco bewege sich etwas.
"Es gibt einen Machtkampf innerhalb des Unternehmens zwischen den Alten und den Jungen über die Zukunftsfähigkeit von erneuerbaren Energien. Wer die Schlacht gewinnt, ist noch offen. Aber wir haben in den nächsten paar Jahren wirklich die Chance, Japans Energiepolitik komplett zu ändern."
Einer, der das erkannt hat, ist Takahiro Kimoto, Risikomanager von Tepco. Er sieht die Zukunft in einem Energiemix, wie er fast nebenbei am Schluss der Pressetour sagt. Und noch etwas: Tepco müsse weiter an seiner Kommunikation arbeiten.
"Sicher, wir kommen bei der Vertrauensbildung voran, hergestellt ist sie aber bestimmt noch nicht."
Acht Jahre nach der Reaktorkatastrophe kämpfen viele Menschen auf verschiedene Weise um ihren Ruf.