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Achte Staffel „Game of Thrones“
Wie unsicher ist die Gegenwart?

"Game of Thrones" geht in die achte und finale Staffel. An die 80 Stunden lang erzählt die Kultserie von der Politik, den Intrigen, der Macht und dem Morden in einem Fantasy-Mittelalter. Aber was hat das mit uns zu tun? Es lassen sich durchaus Parallelen zur Gegenwart erkennen.

Von Hartwig Tegeler | 15.04.2019
Szene aus "Game of Thrones"
Wird es einer der zahlreichen Hauptcharaktere aus "Game of Thrones" schaffen, die Welt vor dem Bösen zu retten? (TNT Serie / HBO Europe)
"Gefallen dir Spiele, kleiner Mann?"
Fragt der Schlachtherr den Jungen, seine Geisel.
"Spielen wir ein Spiel!"
Fragt ihn und schickt ihn weg in Richtung des gegnerischen Heeres, da, wo der Bruder des Jungen wartet.
"Lauf zu deinem Bruder. Je schneller du bei ihm bist, desto schneller siehst du ihn wieder. Das war's. So geht das Spiel. Nein, du musst schon laufen. Haben wir abgemacht. So sind die Regeln."
Regeln gelten hier nicht
Dann spannt Bolton den Bogen - ein Schuss in den Rücken. Spiel der Macht: brutal, gnadenlos, rücksichtslos, skrupellos. Eines lehrt uns auch diese Szene: In der Welt von "Game of Thrones" gibt es keine Regeln, keine Versprechungen, auf die Verlass wäre. Sicher ist in diesem Spiel der Throne nur die Hinterlist, die Willkür und der Tod. Ohne hier einen literarischen Qualitätsvergleich anstellen zu wollen: Die Faszination für diese Serie erinnert sehr an den ewigen Sog hin zu Shakespeares machtbesessenen, mörderischen Königinnen und Königen. Genau so finden wir in dieser Fantasy-Mittelalter-Serie, die bisher in über mehr als 80 Stunden Filmzeit ein komplexes Bild von Politik, Kriegen, Religionen und Intrigen entwickelt hat, eine ungeschönte Sicht auf den Menschen jenseits des fiktiv-historischen Gewandes.
"Spielen wir ein Spiel!"
Die Story: Die Welt ist eine auseinandergebrochene. Der alte König, der die Ordnung noch zusammengehalten hat, stirbt; das Reich fällt auseinander. Viele neue Könige wollen den Thron. Was folgt, sind wechselnde Bündnisse, Mord, Totschlag und und.
"Dieser Krieg ist noch lange nicht gewonnen."
Chaos, Angst, Faszination
Und dieses Chaos findet bei uns – heute - offensichtlich einen fruchtbaren Resonanzboden; dockt sich an an eine aktuelle Befindlichkeit. Und das ist vor allem das Gefühl von Unsicherheit, dass die Ordnung der Welt fragil wurde, und der Boden, der uns schützt, in den Abgrund, das Chaos zu stürzen, sehr dünn ist. Dazu kommt die große Unübersichtlichkeit, die "Game of Thrones" in allen Varianten zeichnet. Schlagen wir aber jetzt nur den Bogen zu den neuesten Chaos-Nachrichten aus dem Trump'schen Oval Office oder zum nächsten Loop des Brexit-Theaters: Ähnelt das nicht alles dem, was wir in den bisherigen sieben Staffeln aus dem fiktiven Westeros kennenlernten? Mit solcher Resonanz – bewusst oder unbewusst - funktioniert nun mal, um im Bild zu bleiben, das "Spiel der Filme", egal ob Science-Fiction, Horror-Mär, Western-Träume oder eben hier fiktives Mittelalter: Immer, wenn wir ergriffen werden von einer Erzählung, bedeutet dieses Ergriffensein auch immer eine Mischung aus Angst und Faszination.
Nehmen wir den Klimawandel als globale Bedrohung. Auch dazu finden wir in "Game of Thrones" eine Entsprechung. Natürlich nicht als CO2-Problem, aber als globale Bedrohung und entsprechende Angst.
"Die Flüchtenden sagen, sie hätten 'Weiße Wanderer' gesehen."
Trigger-Punkte für aktuelle Ängste
Die "weißen Wanderer", mit denen damals 2011 die erste Staffel begann, drohen, die Menschheit auszurotten. Die Botschaft der Serie lautet: Nur, wenn alle Menschen gemeinsam dagegen ankämpfen, werden sie überleben. Das Drama ist nur, dass in "Game of Thrones" das viele nicht wahrhaben wollen. Die einen leugnen den Klimawandel, die anderen die Existenz der "Weißen Wanderer". Dieses Blindmachen aus Eigen- und Machtinteresse ist ein durchgängiger Subtext in der Serie, an den wir Zuschauer heute innerlich andocken. Und "Game of Thrones" enthält viele Trigger-Punkte für unsere zeitgemäßen Ängste. Diese meteorologische Aussage hier darf man dann gerne als Metapher verstehen:
"Der Winter naht! Dieser wird lang sein! Und dunkle Dinge werden ihn begleiten."
Dabei ist es – im Gegensatz zum Tolkienschen "Herr der Ringe", dem Referenz-Fantasy-Epos – schwer auszumachen in "Game of Thrones", wer gut oder wer böse ist.
"Ist es das, was ihr euch nachts einredet? Dass Ihr meinen Vater gerächt habt, als Ihr Euer Schwert in Aeres Tagaryens Rücken stacht?"
"Sagt mir: Hätte ich dem irren König in den Bauch gestochen statt in den Rücken, würdet Ihr mich mehr bewundern?"
Auch 'die Guten' wollen nur an die Macht
Der Serien-Kosmos ist trotz Vorhandensein von Drachen und Riesen, wie es sich für ein Fantasy-Narrativ gehört, er ist moralisch nicht einfach aufzuteilen. Jedenfalls sind auch die vermeintlich Guten unbedingt scharf auf Macht und Thron. Und die lange offensichtlich Bösen können sich durchaus auch zu An-deren entwickeln. Nehmen wir nur Tyrion Lannister.
"Es heißt, sie nennen ihn den Gnom."
"Es heißt, er hasst diesen Spitznamen."
Am Anfang Säufer und Hurenbock, entwickelt sich dieser kleinwüchsige Sohn einer der Herrscherfamilien, wunderbar gespielt von Peter Dinklage, von Staffel zu Staffel zur Hauptfigur und mit ihr zum moralischen Zentrum. Aber auch Tyrion, so sympathisch er sein mag, er wird die Welt nicht zum Guten wenden können. Denn, was bleibt, und nichts deutet darauf hin, dass das in Staffel 8 anders sein wird, was bleibt, das ist dieses Gefühl, besser: diese Drohung: Nichts ist sicher, nichts hat Bestand, jeder ist immer gefährdet. Ist dieser Blick durch eine fiktiven Vergangenheit in unsere Gegenwart hinein realistisch? Dystopische Erzählungen wie "Game of Thrones" helfen, den Blick auf sie zu schärfen.