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ACTA im Quadrat

Netzpolitik.- Das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA scheiterte in einigen Ländern aufgrund des internationalen Protests. Nun stehen die nächsten Aufreger vor der Tür: die geplante EU-Richtline IPRED II und CETA. Und wieder geht es um Kopien aus dem Netz.

Von Achim Killer | 11.08.2012
    "Es stehen weitere Auseinandersetzungen bevor, weil das Problem nicht gelöst ist. Und deswegen glaube ich, dass die Auseinandersetzung weitergeht",

    sagt Dr. Matthias Lausen, der Geschäftsführer des Instituts für Urheber- und Medienrecht in München. Das Institut wird von Rechteinhabern finanziert, beispielsweise der GEMA, dem Bayerischen Rundfunk und dem ZDF. Das Problem, von dem er spricht, sind Audio- und Video-Dateien im Internet, die – je nach Standpunkt - geteilt oder eben raubkopiert werden. Deswegen wollen die Rechteinhaber Internet-Dienstleister, auf deren Servern Surfer solche Dateien speichern können, in die Pflicht nehmen:

    "Die Lösung bei einem Fall wie YouTube besteht darin, dass man sagt, derjenige, der fremde Inhalte vermarktet, ist eben kein reiner Dienstleister mehr, kein reiner technischer Dienstleister. Sondern er kuckt sich die Inhalte offensichtlich an, verdient Geld damit. Und dann ist er nach Meinung der Rechteinhaber und vieler Wissenschaftler auch verantwortlich. Und in diesem Sinne müssen dann in diesem Bereich wohl die Haftungsregelungen verändert werden, damit man dieses Problem in den Griff bekommt. Oder man lässt es eben. Und dann wird es schwierig."

    Provider-Haftung nennt sich das. Ein anderer Aspekt davon: Zugangsprovider, also Telekommunikations-Firmen, können unter Umständen dazu verpflichtet werden, den Zugang zu inkriminierten Sites zu sperren oder sogar den Zugang von notorischen Rechtsverletzern zum Internet. Nach allem, was man weiß, geht’s im Wesentlichen um diese Provider-Haftung auch bei IPRED II, der EU-Richtline Intellectual Property Rights Enforcement Directive, die gerade novelliert wird – wie bei ACTA gehabt.

    Und über ein weiteres ähnliches Paragrafenwerk verhandelt die EU-Kommission CETA - Comprehensive Economic and Trade Agreement: ein Handelsabkommen mit Kanada. Michael Geist ist Professor für Internet-Recht an der Universität Ottawa - und Anfang des Jahres an Dokumente über den Stand der Gespräche gelangt.

    "Jemand, der nahe an den Verhandlungen dran war, war wohl der Auffassung, dass die Öffentlichkeit informiert werden sollte, und er hat einen Weg gefunden, die Dokumente publik zu machen."

    Professor Geist erstellte eine Synopse von ACTA und dem geleakten CETA-Text, aus der hervorging, dass viele Abschnitte der Dokumente völlig identisch waren:

    "Die waren Wort für Wort gleich. Andere Stellen waren derart ähnlich, dass sie die gleiche juristische Wirkung gehabt hätten. Und das galt über weite Strecken des Textes. Es wurde tatsächlich ziemlich klar, schließlich gab es während der bisherigen Verhandlungen ja mehrere Leaks, dass sich CETA im Lauf der Zeit immer mehr in Richtung ACTA entwickelt hatte."

    Auch jenseits des akademischen Raums ist bekannt, dass ACTA eben nicht ad Acta gelegt wurde, nur weil das EU-Parlament die Ratifizierung verweigert hat. Die dahinterstehenden Interessen und Vorstellungen sind nach wie vor äußerst vital. Im Zentrum künftiger Auseinandersetzungen dürfte allerdings nicht so sehr das Handelsabkommen mit Kanada stehen, sondern die geplante EU-Richtlinie. Eine bekannte Aktivistengruppe zumindest hat sich zu diesem Thema schon zu Wort gemeldet – auf ihre sehr eigene und unverwechselbare Weise:

    "Hallo Bürger dieser Welt. Hallo Frankfurt. Wir sind Anonymous Frankfurt am Main. Wir haben eine wichtige Mitteilung an die Welt da draußen. Die europäische Kommission versucht, uns schon wieder zu verarschen. Kurzgefasst versucht die Kommission, ACTA unter einem anderen Namen durchzubringen. Das müssen wir verhindern. Wir sind Anonymous. Wir sind viele. Wir vergeben nicht. Wir vergessen nicht. Erwartet uns."