
Georg Friedrich Prinz von Preußen ist seit 1994 Oberhaupt des Hauses Hohenzollern, als Nachfahre Wilhelms II., des letzten deutschen Kaisers. Als Familienchef vertritt er eine der "bedeutendsten Dynastien des ehemaligen deutschen Hochadels", wie es auf der Homepage der Hohenzollern heißt. Für Aufsehen sorgte der Prinz zuletzt, weil er die Rückgabe bzw. Entschädigung von Immobilien und Kunstgegenständen forderte.

Maßgebend ist das Entschädigungsgesetz aus dem Jahr 1994, das – Zitat "staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage" vorsieht. Der Bevollmächtigte des Hauses Hohenzollern:
"Es geht um Mobilien, also vereinfacht gesagt um das, was in bestimmten Liegenschaften an Kunstgegenständen, Möbeln usw. vorhanden war. Und das muss halt entschädigt bzw. dem Enteigneten wieder ausgehändigt werden. Da geht es um Tausende von Bildern, Möbeln und anderen Kunstobjekten."

"Der Prinz hat sehr deutlich gemacht, dass er nicht daran interessiert ist und es schon gar nicht sein Ziel ist, nun Museen leerzuräumen, wie das leider auch in der Presse kolportiert worden ist. Das ist – mit Verlaub – dummes Zeug."
Doch es geht nicht nur um mobile Werte, zeitweise wurde auch über Immobilien verhandelt. Zur Debatte stand ein lebenslanges Wohnrecht der Hohenzollern im Schloss Cecilienhof, einem historisch bedeutsamen Ort, Schauplatz der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945, vor genau 75 Jahren.
"Dieses Wohnrecht hat ja eine kuriose Vorgeschichte insofern, als das bereits zu DDR-Zeiten auf hoher politischer Ebene in der DDR erörtert worden ist. Dann kamen entsprechende Anregungen aus der brandenburgischen Landesregierung, Und als sich zeigte im Juli vorigen Jahres, dass die öffentliche Seite von ihren früheren Überlegungen dezidiert abgerückt ist, haben wir noch am selben Tag erklärt, am 24. Juli vorigen Jahres, dass die Frage des Wohnrechtes faktisch erledigt ist."

Dieser Verhandlungsmarathon ist insbesondere auf einen Passus im Entschädigungsgesetz von 1994 zurückzuführen, wonach keine Zuwendung erhält, wer vor oder nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einem totalitären System erheblich Vorschub geleistet hat. Konkret mündet dies im vorliegenden Fall in die Frage: Hat der damalige Kronprinz Wilhelm als Oberhaupt der Hohenzollern dem Nationalsozialismus erheblich Vorschub geleistet oder nicht?
"Denn unsere Befunde sind immer an die Bedingung der Vorläufigkeit gebunden und auch von einem Maß an Subjektivität gekennzeichnet, das größer oder kleiner sein kann, aber nie völlig aufhebbar ist. Und deswegen haben wir zu diesen Fragen der erheblichen Vorschubleistung auch sehr unterschiedliche Positionen."

"Man hätte die erhebliche Vorschubleistung früher eher verneint und neigt heute eher dazu, sie zu bejahen. Da gibt es verschiedene Äußerungen über das "wunderbare Menschenmaterial" der SA etwa oder über die ventilierte Bereitschaft, sich für eine Reichspräsidentenkandidatur in Vorschlag bringen zu lassen, um dann mit einem Reichskanzler Hitler zu operieren. Das sind schon eher Tatbestände, die möglicherweise in juristischer Hinsicht auch dazu führen, dass die Voraussetzungen für die erhebliche Vorschubleistung erfüllt sind.

Im ähnlich gelagerten Fall des deutschnationalen Politikers Alfred Hugenberg entschied das Bundesverwaltungsgericht 2005, dass den Erben keine Ausgleichsleistung für die entschädigungslose Enteignung seines Gutes zustehe, da er dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet habe. Zitat aus dem Urteil:
"Voraussetzung für einen Anspruchsausschluss ist in objektiver Hinsicht, dass nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen wurden, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems zu verbessern oder Widerstand zu unterdrücken. Der Nutzen, den das Regime aus dem Handeln gezogen hat, darf nicht nur ganz unbedeutend gewesen sein. Die subjektiven Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes sind erfüllt, wenn die betreffende Person dabei in dem Bewusstsein gehandelt hat, ihr Verhalten könne diesen Erfolg haben."
Hugenberg war Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei, gründete mit der NSDAP die "Harzburger Front" und war Minister im ersten Kabinett Hitlers.
Die Nationalsozialisten konnten, so Leonhards Argument, nur an die Macht kommen, weil sie von Millionen Deutschen unterstützt wurden, vom kleinen SA-Mann und dem BDM-Mädel bis zum Industriellen und Hochschulprofessor. Andererseits wird die Geschichtswissenschaft nicht müde, die Bedeutung einzelner Personen hervorzuheben, etwa im Widerstand gegen Hitler, unabhängig davon, dass sie den Lauf der Geschichte nicht aufhalten konnten.
"Es geht um Unterlassungsverpflichtungen. Und es ist natürlich so, wenn z.B. behauptet worden ist, und das ist wiederholt behauptet worden, der Prinz verhindere eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte, indem er das Privatarchiv der Hohenzollern auf der Burg Hohenzollern nicht zugänglich mache, dann muss man halt festhalten, das ist die Unwahrheit. Und das Schlimme ist, dass die, die das behauptet haben, zum Teil selbst mit dem Archiv in Kontakt waren. Sie wussten also, dass sie die Unwahrheit sagen. "
Die Rede ist von mindestens 100 Unterlassungsbegehren oder -klagen, die sich in der Mehrzahl gegen Medien richten, aber auch gegen Historikerinnen und Historiker. Auch der Potsdamer Historiker Martin Sabrow erhielt ein entsprechendes Schreiben. Er ist empört.
"Es handelt sich hier um ein unanständiges Verhalten. Früher hätte man falsche Tatsachenbehauptungen durch einen Leserbrief oder eine Presseerklärung oder eine Gegendarstellung aus der Welt geschafft. Hier hingegen regiert ein anderes System, der Versuch, mit Hilfe von juristischen Mitteln einen historischen Diskurs in eine Richtung zu drängen, die die historische Urteilsbildung mit Hilfe von juristischen Mitteln und Spitzfindigkeiten zu unterlaufen droht. Ich halte es für einen öffentlichen Skandal, dass auf diese Weise mit Hilfe der Kammergerichte Geschichtspolitik betrieben wird."
Auf der offiziellen Internet-Seite des Hauses Hohenzollern heißt es dagegen, die Familie habe sich in keinem Fall gegen eine kritische Berichterstattung als solche gewandt, sich ausschließlich gegen Falschmeldungen zur Wehr gesetzt und mit ihrem Vorgehen gegen Falschmeldungen einen Beitrag für die Öffentlichkeit geleistet.
"Wenn Falschmeldungen serienweise, dutzendfach wiederholt werden, wenn niemand anfragt, ob denn das stimmt, was da behauptet wird, dann entsteht natürlich in der Öffentlichkeit ein Eindruck, der dem Projekt bestimmt nicht förderlich ist. Nur geht es nicht, dass immer wieder falsche Behauptungen aufgestellt werden, die die Interessen und – Entschuldigung – auch die Ehre des Prinzen verletzen."
Die Historiker Martin Sabrow und Eckart Conze halten dagegen: Warum gleich Anwälte und Gerichte bemühen?
"Wir leben von der Offenheit des Diskurses. In dem Moment aber, wo die Zunge mit dem Schwert der Justitia bewaffnet wird, um unter formaljuristischen Voraussetzungen dann diesen Diskurs zu beeinflussen, ist eine historiografische Urteilsbildung nicht mehr angemessen möglich. Und das ist das Klima der Einschüchterung, und das berührt natürlich auch am Ende das Selbstverständnis der Bundesrepublik."
Das Recht auf Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit erlaube nicht, Privatpersonen mit falschen Tatsachenbehauptungen zu schädigen, heißt es dazu aus dem Haus Hohenzollern.
Inzwischen hat die Initiative "Frag den Staat", ein Internetportal für Informationsfreiheit, einen Hilfsfonds für betroffene Journalisten, Historikerinnen und Historiker eingerichtet.
Eine Lösung im Streit um das Hohenzollern-Erbe scheint angesichts der komplexen Gemengelage schwierig. Die schrillen Töne sowie die juristischen Abmahnungen machen die Sache nicht leichter. Eine Verständigung sei jedoch nach wie vor möglich, meint Jürgen Aretz für das Haus Hohenzollern und verweist auf das Beispiel Thüringen. Dort war er seinerzeit als Staatssekretär an den Verhandlungen beteiligt.
"Wir haben ja sehr positive Erfahrungen, etwa zwischen dem Freistaat Thüringen und den Häusern Sachsen – Weimar – Eisenach und Sachsen – Coburg – Gotha gemacht. Da konnte man sich relativ zügig über Kulturgut verständigen, das zum Weltkulturerbe gehört wie etwa die Wartburg mit ihrem gesamten Inventar. Und das funktioniert hervorragend."
Doch die Häuser Sachsen – Weimar – Eisenach spielen in einer anderen adligen Liga als die Hohenzollern. Hier stehen sich gewissermaßen die Nachfahren der deutschen Monarchie und die Bundesrepublik Deutschland gegenüber. Weimar ist in diesem Fall nicht Berlin.
"Das ist nicht die Familie Müller von irgendwo, sondern es ist die Familie des letzten Kaisers, und das gibt dem Ganzen eine geschichtspolitische Bedeutung, die zwingend auch einer öffentlichen und kritischen Debatte bedarf."
Diese Debatte findet in einem geschichtspolitischen Klima statt, in dem, wie manche Historiker meinen, die Geschichte des Kaiserreichs in ein milderes Licht getaucht und die Verantwortung des Deutschen Reiches für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs relativiert werde.

"Wir diskutieren darüber, was wir mit dem Humboldt-Forum machen, also wir nennen es nicht das wiederaufgebaute Hohenzollern-Schloss, und wir diskutieren intensiv über die Erbschaften des Kaiserreichs. Wir haben im Augenblick eine intensive Diskussion um den deutschen Kolonialismus. Und all das ist mit den Hohenzollern verbunden. Und das Letzte, was eben glaube ich mit in diesen besonderen Kontext gehört, ist die schrille Tonlage. Und die hat natürlich etwas mit dem Auftreten der AfD zu tun, mit der Frage, wie man über Weimar- und Hitler-Vergleiche mediale Aufmerksamkeit bekommt. Und dieses Amalgam, diese Überlappung von tagespolitischen, geschichtspolitischen und emotionalisierten Themen, das glaube ich begründet, warum die Wellen da im Augenblick so hochschlagen."
"Er sieht sich ja sicher auch in einer gewissen historischen Verantwortung, aber er erwartet natürlich, dass man ihm in vernünftiger Weise entgegenkommt."
Gilt das alte geflügelte Wort: ‚Adel verpflichtet‘ immer noch? Zunächst steht im nächsten Monat eine Wiederaufnahme des Entschädigungsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Potsdam im Raum. Dann droht ein Abbruch der Gespräche am Verhandlungstisch und ein jahrelanger Rechtsstreit durch die Instanzen.