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Adlige Angelegenheit
Warum die Hohenzollern Entschädigung fordern

Gleichheit vor dem Gesetz gelte auch für Adelige, argumentiert das Haus Hohenzollern. Georg Friedrich Prinz von Preußen fordert Entschädigung für Enteignung unter sowjetischer Besatzung. Historiker diskutieren, ob die Voraussetzungen gegeben sind und auch viele Juristen sind mit dem Streit befasst.

Von Otto Langels | 25.07.2020
Schloss Cecilienhof. Über dem Eingang die Fahnen der Teilnehmerstaaten an der Potsdamer Konferenz in der Landeshauptstadt Potsdam, Juni 2020.
Das Schloss Cecilienhof, hier auf einer aktuellen Aufnahme, war im Sommer 1945 Schauplatz der Potsdamer Konferenz (imago / Jürgen Ritter)
"Wir wissen alle, es gibt keine Monarchie mehr in Deutschland, und auch meine Familie hat jetzt keine politische Rolle mehr inne. Was aber immer schon in unserer Familie war, und was auch heute noch so ist: Es gab immer einen Familienchef, so eine Art Familienoberhaupt."
Georg Friedrich Prinz von Preußen ist seit 1994 Oberhaupt des Hauses Hohenzollern, als Nachfahre Wilhelms II., des letzten deutschen Kaisers. Als Familienchef vertritt er eine der "bedeutendsten Dynastien des ehemaligen deutschen Hochadels", wie es auf der Homepage der Hohenzollern heißt. Für Aufsehen sorgte der Prinz zuletzt, weil er die Rückgabe bzw. Entschädigung von Immobilien und Kunstgegenständen forderte.
Jürgen Aretz, Bevollmächtigter des Hauses Hohenzollern: "Es geht darum, dass die Familie nach 1945, wie tausend andere Familien auch, in der Sowjetischen Besatzungszone enteignet worden ist, und sie möchte jetzt natürlich für dieses enteignete Eigentum entschädigt werden."
Prinz Georg Friedrich von Preußen steht am 16.08.2017 auf der Burg Hohenzollern bei Hechingen (Baden-Württemberg).
Prinz Georg Friedrich von Preußen auf der Burg Hohenzollern bei Hechingen (Baden-Württemberg) (picture alliance/Patrick Seeger/dpa)
Nachdem sich Wilhelm II. während der Novemberrevolution 1918 ins holländische Exil abgesetzt hatte, wurde das Vermögen der Hohenzollern beschlagnahmt, aber nicht enteignet. Die Deutschen gingen mit ihrem Herrscherhaus milder um als beispielsweise die Franzosen, Russen oder Österreicher. 1926 schlossen das Land Preußen und die Hohenzollern einen Vergleich, wonach zahlreiche Schlösser und Ländereien sowie weitere Vermögenswerte an den Staat fielen, beträchtliche Immobilien und Mobilien aber Eigentum des Fürstenhauses blieben – bis die sowjetische Besatzungsmacht nach 1945 auf ihrem Territorium das vollzog, was SPD und KPD 1926 vergeblich gefordert hatten: die entschädigungslose Enteignung deutscher Fürstenhäuser.
"Gleichheit vor dem Gesetz gilt auch für Adelige"
"Es geht darum, dass die 1926 zugesprochenen Eigentumstitel enteignet worden sind. Es haben Tausende von Betroffenen Ansprüche erhoben, und das tut der Prinz von Preußen auch. Der Prinz von Preußen steht da vor dem Gesetz nicht anders da als Herr Müller oder Frau Meier. Und darauf müssen wir großen Wert legen. Die Gleichheit vor dem Gesetz gilt auch für Adelige, die sicherlich früher privilegiert waren. Aber heute sind sie eben gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger."

Maßgebend ist das Entschädigungsgesetz aus dem Jahr 1994, das – Zitat "staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage" vorsieht. Der Bevollmächtigte des Hauses Hohenzollern:
"Es geht um Mobilien, also vereinfacht gesagt um das, was in bestimmten Liegenschaften an Kunstgegenständen, Möbeln usw. vorhanden war. Und das muss halt entschädigt bzw. dem Enteigneten wieder ausgehändigt werden. Da geht es um Tausende von Bildern, Möbeln und anderen Kunstobjekten."
1. Kaiser Wilhelm II., 2. Kaiserin Auguste Viktoria, 3. Kronprinz Wilhelm, 4. Kronprinzessin Cecilie, 5. Prinz Wilhelm, 6. Prinz Louis Ferdinand, 7. Prinz Hubertus, 8. Prinz Friedrich, 9. Prinzessin Alexandrine, 10. Prinz Eitel Friedrich, 11, Prinzessin Sophie Charlotte von Oldenburg, 12. Prinz Adalberg, 13. Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen, 14. Prinz August Wilhelm, Prinzessin Alexandra Viktoria zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, 16. Prinz Alexander Ferdinand, 17. Prinz Oskar, 18. Ina Marie Gräfin Bassewitz, 19. Prinz Joachim, 20. Prinzessin Marie Auguste von Anhalt, 21. Herzogin Viktoria Luise von Braunschweig, 22. Herzog Ernst August von Braunschweig, 23. Prinz Ernst August, Prinz Georg Wilhelm
Wilhelm II. und seine Familie / Fotomontage 1915 (akg-images)
Die fraglichen Objekte befinden sich heute bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und beim Deutschen Historischen Museum und sind u.a. in den Schlössern Charlottenburg, Sanssouci und Cecilienhof ausgestellt. Den Wert der zum Teil einzigartigen Kunstgegenstände mag niemand offiziell beziffern, die Rede ist von zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen. Sie sind seit längerem Gegenstand der Verhandlung zwischen dem Haus Hohenzollern, den Ländern Berlin und Brandenburg und dem Bund. Wiederholt sich Geschichte - nach einem berühmten Wort von Karl Marx - immer zweimal, das eine Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce?
"Der Prinz hat sehr deutlich gemacht, dass er nicht daran interessiert ist und es schon gar nicht sein Ziel ist, nun Museen leerzuräumen, wie das leider auch in der Presse kolportiert worden ist. Das ist – mit Verlaub – dummes Zeug."
Doch es geht nicht nur um mobile Werte, zeitweise wurde auch über Immobilien verhandelt. Zur Debatte stand ein lebenslanges Wohnrecht der Hohenzollern im Schloss Cecilienhof, einem historisch bedeutsamen Ort, Schauplatz der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945, vor genau 75 Jahren.

"Dieses Wohnrecht hat ja eine kuriose Vorgeschichte insofern, als das bereits zu DDR-Zeiten auf hoher politischer Ebene in der DDR erörtert worden ist. Dann kamen entsprechende Anregungen aus der brandenburgischen Landesregierung, Und als sich zeigte im Juli vorigen Jahres, dass die öffentliche Seite von ihren früheren Überlegungen dezidiert abgerückt ist, haben wir noch am selben Tag erklärt, am 24. Juli vorigen Jahres, dass die Frage des Wohnrechtes faktisch erledigt ist."
Besucher laufen durch den Prinzengarten des sanierten Schlosses Cecilienhof
Schloss Cecilienhof wurde im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg für die preußischen Schlösser und Gärten saniert (Christoph Soeder/dpa)
Der Streit um Immobilien und Mobilien wurde und wird seit geraumer Zeit am Verhandlungstisch, inzwischen jedoch auch vor dem Verwaltungsgericht Potsdam ausgetragen. Das Land Brandenburg hatte eine Entschädigung abgelehnt, wogegen das Haus Hohenzollern klagte. Das Verfahren ruht aber vorläufig. Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange:
"Festzustellen ist, dass diese Problematik die öffentliche Hand und das Haus Hohenzollern nun seit fast drei Jahrzehnten beschäftigt, und dass die in dieser Zeit geleisteten Beiträge aller Beteiligten das Problem in keiner Weise einer Lösung nähergebracht haben."
Dieser Verhandlungsmarathon ist insbesondere auf einen Passus im Entschädigungsgesetz von 1994 zurückzuführen, wonach keine Zuwendung erhält, wer vor oder nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einem totalitären System erheblich Vorschub geleistet hat. Konkret mündet dies im vorliegenden Fall in die Frage: Hat der damalige Kronprinz Wilhelm als Oberhaupt der Hohenzollern dem Nationalsozialismus erheblich Vorschub geleistet oder nicht?
Viele Meinungen zur historischen Rolle
"Und diese Frage verknüpft nun die familiengeschichtliche und juristische Betrachtung mit der historiographischen. Deswegen sind neben Juristen auch Historikerinnen und Historiker aufgerufen, sie zu beantworten. Und sie fühlen sich unwohl mit dieser Frage." Erklärt Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam.
"Denn unsere Befunde sind immer an die Bedingung der Vorläufigkeit gebunden und auch von einem Maß an Subjektivität gekennzeichnet, das größer oder kleiner sein kann, aber nie völlig aufhebbar ist. Und deswegen haben wir zu diesen Fragen der erheblichen Vorschubleistung auch sehr unterschiedliche Positionen."
Für den Bevollmächtigten des Hauses Hohenzollern, Jürgen Aretz, ist die Sache dagegen eindeutig:
"Für mich steht fest, dass der Kronprinz sich in seinen Wirkungsmöglichkeiten überschätzt hat, sehr überschätzt hat. Und heute erfährt er von bestimmten Historikern eine Würdigung, die seine damalige Selbstwahrnehmung bestätigt. Die hat aber mit den historischen Tatsachen ebenso wenig zu tun wie die heutige Einschätzung bestimmter Historiker."
(l-r) Major a.D. von Neufville, Joseph Goebbels und Kronprinz Wilhelm von Preussen beim Polizeisportfest 1933 in Berlin.
Kronprinz Wilhelm von Preussen (rechts) neben Joseph Goebbels (Mitte) und Major a.D. von Neufville (links) beim Polizeisportfest 1933 in Berlin. (picture-alliance / dpa)
Zu den historischen Tatsachen zählt freilich, dass Wilhelm bereits 1926 Göring, Röhm und Hitler auf Schloss Cecilienhof empfing und dass er beim legendären Tag von Potsdam im März 1933 dem Treffen von Hitler und Hindenburg einen dynastischen Anstrich verlieh. Der Historiker Martin Sabrow:
"Man hätte die erhebliche Vorschubleistung früher eher verneint und neigt heute eher dazu, sie zu bejahen. Da gibt es verschiedene Äußerungen über das "wunderbare Menschenmaterial" der SA etwa oder über die ventilierte Bereitschaft, sich für eine Reichspräsidentenkandidatur in Vorschlag bringen zu lassen, um dann mit einem Reichskanzler Hitler zu operieren. Das sind schon eher Tatbestände, die möglicherweise in juristischer Hinsicht auch dazu führen, dass die Voraussetzungen für die erhebliche Vorschubleistung erfüllt sind.
Gleichwohl warnt Martin Sabrow vor einem eindeutigen Urteil. So kommen etwa vier historische Gutachten, die dem Verwaltungsgericht Potsdam zum Wirken Kronprinz Wilhelms vorliegen, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Antworten reichen von "erheblichem Vorschub" über "Vorschub" bis zu "keinem Vorschub".
Keine Zweifel hegt hingegen der Marburger Historiker Eckart Conze, Co-Autor einer umfangreichen Studie über das Auswärtige Amt im Dritten Reich.
"Wilhelm von Preußen, der Kronprinz und damit einer der prominentesten Vertreter des deutschen Hochadels, er hat im Grunde das Gewicht seiner Person, aber auch das Gewicht der Dynastie des ehemaligen Herrscherhauses, des Kaiserhauses, den Nationalsozialisten zur Verfügung gestellt und hat damit eben schon vor 1933 den aufsteigenden Nationalsozialismus ganz erheblich unterstützt."
Eckart Conze bezieht sich in seiner Analyse nicht nur auf konkrete politische Einflussnahmen des Kronprinzen, die Unterstützung für Hitler im Wahlkampf oder das Engagement gegen ein Verbot von SA und SS in Preußen, relevant sei auch die Macht der Bilder.
"Es ist im Grunde das enorme, das gesamte symbolische Kapital der Monarchie, des Herrscherhauses, das gewissermaßen über den Kronprinz Hitler und dem Nationalsozialismus zur Verfügung gestellt wird. Und den Nationalsozialisten, auch Hitler selbst, ist natürlich bewusst, wie er mit diesem symbolischen Kapital der Hohenzollern punkten kann und Erfolge erzielen kann."
Der Historiker Eckart Conze am 11.10.2018 auf der Frankfurter Buchmesse.
Der Historiker Eckart Conze (imago stock&people)
Sollten den Streit am Ende die Gerichte entscheiden, müssen die Richter urteilen, wie sie die unterschiedlichen Expertenmeinungen bewerten.
Im ähnlich gelagerten Fall des deutschnationalen Politikers Alfred Hugenberg entschied das Bundesverwaltungsgericht 2005, dass den Erben keine Ausgleichsleistung für die entschädigungslose Enteignung seines Gutes zustehe, da er dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet habe. Zitat aus dem Urteil:
"Voraussetzung für einen Anspruchsausschluss ist in objektiver Hinsicht, dass nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen wurden, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems zu verbessern oder Widerstand zu unterdrücken. Der Nutzen, den das Regime aus dem Handeln gezogen hat, darf nicht nur ganz unbedeutend gewesen sein. Die subjektiven Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes sind erfüllt, wenn die betreffende Person dabei in dem Bewusstsein gehandelt hat, ihr Verhalten könne diesen Erfolg haben."
Hugenberg war Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei, gründete mit der NSDAP die "Harzburger Front" und war Minister im ersten Kabinett Hitlers.
Starke Personalisierung der Debatte
Im Fall des Kronprinzen Wilhelm spüren manche Historikerinnen und Historiker nicht nur Unbehagen, eine komplexe historische Situation auf einen eindeutigen Befund zu reduzieren. Sie befürchten auch, wie der Freiburger Historiker Jörn Leonhard, eine zu starke Personalisierung der Debatte.
"Man darf über den Kronprinzen jetzt nicht die vielleicht doch sehr viel wichtigeren anderen Teile der deutschen Eliten vergessen. Also die Wissenschaft, die Justiz, das Militär vor allen Dingen. Ich möchte nicht, dass wir das Ende der Weimarer Republik, die Machtübernahme in dieser Weise personalisieren. Das ist meine Angst, dass in der Personalisierung immer auch die Exkulpierung anderer Akteure liegt. An dem erheblichen Vorschub im Blick auf die Bedeutung dieser Figur, der Bilder, die das produziert hat für viele Deutsche, daran gibt es für mich keinen Zweifel."
Die Nationalsozialisten konnten, so Leonhards Argument, nur an die Macht kommen, weil sie von Millionen Deutschen unterstützt wurden, vom kleinen SA-Mann und dem BDM-Mädel bis zum Industriellen und Hochschulprofessor. Andererseits wird die Geschichtswissenschaft nicht müde, die Bedeutung einzelner Personen hervorzuheben, etwa im Widerstand gegen Hitler, unabhängig davon, dass sie den Lauf der Geschichte nicht aufhalten konnten.
Prinz bemüht Juristen
Noch aus einem anderen Grund sorgt der Streit um das adelige Erbe derzeit für Unruhe. Jürgen Aretz, Bevollmächtigter des Hauses Hohenzollern:
"Es geht um Unterlassungsverpflichtungen. Und es ist natürlich so, wenn z.B. behauptet worden ist, und das ist wiederholt behauptet worden, der Prinz verhindere eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte, indem er das Privatarchiv der Hohenzollern auf der Burg Hohenzollern nicht zugänglich mache, dann muss man halt festhalten, das ist die Unwahrheit. Und das Schlimme ist, dass die, die das behauptet haben, zum Teil selbst mit dem Archiv in Kontakt waren. Sie wussten also, dass sie die Unwahrheit sagen. "
Die Rede ist von mindestens 100 Unterlassungsbegehren oder -klagen, die sich in der Mehrzahl gegen Medien richten, aber auch gegen Historikerinnen und Historiker. Auch der Potsdamer Historiker Martin Sabrow erhielt ein entsprechendes Schreiben. Er ist empört.
"Es handelt sich hier um ein unanständiges Verhalten. Früher hätte man falsche Tatsachenbehauptungen durch einen Leserbrief oder eine Presseerklärung oder eine Gegendarstellung aus der Welt geschafft. Hier hingegen regiert ein anderes System, der Versuch, mit Hilfe von juristischen Mitteln einen historischen Diskurs in eine Richtung zu drängen, die die historische Urteilsbildung mit Hilfe von juristischen Mitteln und Spitzfindigkeiten zu unterlaufen droht. Ich halte es für einen öffentlichen Skandal, dass auf diese Weise mit Hilfe der Kammergerichte Geschichtspolitik betrieben wird."
Auf der offiziellen Internet-Seite des Hauses Hohenzollern heißt es dagegen, die Familie habe sich in keinem Fall gegen eine kritische Berichterstattung als solche gewandt, sich ausschließlich gegen Falschmeldungen zur Wehr gesetzt und mit ihrem Vorgehen gegen Falschmeldungen einen Beitrag für die Öffentlichkeit geleistet.
"Wenn Falschmeldungen serienweise, dutzendfach wiederholt werden, wenn niemand anfragt, ob denn das stimmt, was da behauptet wird, dann entsteht natürlich in der Öffentlichkeit ein Eindruck, der dem Projekt bestimmt nicht förderlich ist. Nur geht es nicht, dass immer wieder falsche Behauptungen aufgestellt werden, die die Interessen und – Entschuldigung – auch die Ehre des Prinzen verletzen."
Die Historiker Martin Sabrow und Eckart Conze halten dagegen: Warum gleich Anwälte und Gerichte bemühen?
"Wir leben von der Offenheit des Diskurses. In dem Moment aber, wo die Zunge mit dem Schwert der Justitia bewaffnet wird, um unter formaljuristischen Voraussetzungen dann diesen Diskurs zu beeinflussen, ist eine historiografische Urteilsbildung nicht mehr angemessen möglich. Und das ist das Klima der Einschüchterung, und das berührt natürlich auch am Ende das Selbstverständnis der Bundesrepublik."
Debatte über Wissenschaftsfreiheit
"Wenn nun sozusagen die Klagen, die Abmahnungen seitens der Hohenzollern von immer mehr Akteuren im wissenschaftlichen, im publizistischen Bereich wahrgenommen werden als Einschüchterung und dazu führen, dass sich auch in meinem Kontext bestimmte Kolleginnen und Kollegen gar nicht mehr öffentlich äußern aus Angst, sie könnten belangt werden, dann ist das doch in seiner Wirkung eine Beschneidung, eine Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit."
Das Recht auf Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit erlaube nicht, Privatpersonen mit falschen Tatsachenbehauptungen zu schädigen, heißt es dazu aus dem Haus Hohenzollern.
Inzwischen hat die Initiative "Frag den Staat", ein Internetportal für Informationsfreiheit, einen Hilfsfonds für betroffene Journalisten, Historikerinnen und Historiker eingerichtet.
Eine Lösung im Streit um das Hohenzollern-Erbe scheint angesichts der komplexen Gemengelage schwierig. Die schrillen Töne sowie die juristischen Abmahnungen machen die Sache nicht leichter. Eine Verständigung sei jedoch nach wie vor möglich, meint Jürgen Aretz für das Haus Hohenzollern und verweist auf das Beispiel Thüringen. Dort war er seinerzeit als Staatssekretär an den Verhandlungen beteiligt.
"Wir haben ja sehr positive Erfahrungen, etwa zwischen dem Freistaat Thüringen und den Häusern Sachsen – Weimar – Eisenach und Sachsen – Coburg – Gotha gemacht. Da konnte man sich relativ zügig über Kulturgut verständigen, das zum Weltkulturerbe gehört wie etwa die Wartburg mit ihrem gesamten Inventar. Und das funktioniert hervorragend."
Doch die Häuser Sachsen – Weimar – Eisenach spielen in einer anderen adligen Liga als die Hohenzollern. Hier stehen sich gewissermaßen die Nachfahren der deutschen Monarchie und die Bundesrepublik Deutschland gegenüber. Weimar ist in diesem Fall nicht Berlin.
"Das ist nicht die Familie Müller von irgendwo, sondern es ist die Familie des letzten Kaisers, und das gibt dem Ganzen eine geschichtspolitische Bedeutung, die zwingend auch einer öffentlichen und kritischen Debatte bedarf."

Diese Debatte findet in einem geschichtspolitischen Klima statt, in dem, wie manche Historiker meinen, die Geschichte des Kaiserreichs in ein milderes Licht getaucht und die Verantwortung des Deutschen Reiches für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs relativiert werde.
Eine Besucherin schaut sich in der Gruft des Berliner Doms in Berlin Särge an. 
Hohenzollerngruft im Berliner Dom (Paul Zinken/dpa)
Streit vor politisch aufgeladener Kulisse
Der Streit um das Hohenzollern-Erbe habe an Fahrt aufgenommen, weil er vor einer symbolisch aufgeladenen Kulisse stattfinde, sagt der Freiburger Historiker Jörn Leonhard.
"Wir diskutieren darüber, was wir mit dem Humboldt-Forum machen, also wir nennen es nicht das wiederaufgebaute Hohenzollern-Schloss, und wir diskutieren intensiv über die Erbschaften des Kaiserreichs. Wir haben im Augenblick eine intensive Diskussion um den deutschen Kolonialismus. Und all das ist mit den Hohenzollern verbunden. Und das Letzte, was eben glaube ich mit in diesen besonderen Kontext gehört, ist die schrille Tonlage. Und die hat natürlich etwas mit dem Auftreten der AfD zu tun, mit der Frage, wie man über Weimar- und Hitler-Vergleiche mediale Aufmerksamkeit bekommt. Und dieses Amalgam, diese Überlappung von tagespolitischen, geschichtspolitischen und emotionalisierten Themen, das glaube ich begründet, warum die Wellen da im Augenblick so hochschlagen."
Man wolle zu einer gütlichen Einigung kommen, erklärt Jürgen Aretz. Der Prinz von Preußen suche keine Konfrontation und sei zu großen Kompromissen bereit.
"Er sieht sich ja sicher auch in einer gewissen historischen Verantwortung, aber er erwartet natürlich, dass man ihm in vernünftiger Weise entgegenkommt."
Gilt das alte geflügelte Wort: ‚Adel verpflichtet‘ immer noch? Zunächst steht im nächsten Monat eine Wiederaufnahme des Entschädigungsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Potsdam im Raum. Dann droht ein Abbruch der Gespräche am Verhandlungstisch und ein jahrelanger Rechtsstreit durch die Instanzen.