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Ägyptens Hochschulen demokratisieren sich

Vom politischen Umbruch in Ägypten versprechen sich Studierende nun auch mehr Autonomie und Demokratie für die Hochschulen. Anregungen erhofft sich derzeit eine Delegation der Uni Kairo beim Besuch der FU Berlin.

Von Verena Kemna | 16.02.2012
    Der Wochenplan für die Studierendenvertreter der Universität Kairo in Berlin lässt kaum freie Zeit. Die Studierendenvertretung Asta, ein Besuch bei Studienberatung und Studentenwerk, Gespräche mit dem Vizepräsidenten der FU sowie mit Fachschaftsvertretern der Freien Universität Berlin stehen auf dem Programm. Die Studierenden aus Ägypten sollen demokratische Hochschulstrukturen am Beispiel der Freien Universität Berlin kennenlernen. Die Hochschulen in Ägypten brauchen mehr Autonomie und Entscheidungsfreiheit, erklärt Florian Kohstall. Er leitet seit zwei Jahren das Verbindungsbüro der FU Berlin in Kairo, einem Hochschulstandort mit 250.000 Studierenden.

    "Ich glaube, der aktuelle Prozess, auch wenn es politisch manchmal ein steiniger Weg ist, dann kann man doch sagen, dass sich von unten heraus sehr, sehr viel entwickelt und diese Dynamik halte ich für sehr positiv und da bin ich sehr optimistisch."

    Die Studierenden aus Ägypten haben bereits erste Vorschläge entwickelt. So wollen sie an ihrer Universität die Wahl von Minderheitenvertretern diskutieren. Walid, Soha und Noran, 20, 22 und 19 Jahre alt studieren Archäologie, Medizin und Politikwissenschaften an der Universität Kairo. Sie sind frei gewählte Studierendenvertreter ihrer Fachschaften. Das Wort Revolution kommt allen leicht über die Lippen. Klar, dass Walid, Soha und Noran auf dem Tahrir Platz demonstriert haben. Noran studiert Politikwissenschaften. Sie meint: Durch die Revolution haben die Ägypter gelernt, einander zu respektieren. Nach Mubaraks Sturz hat sich die Stimmung geändert.

    "Jeder versucht sich mit den neuen Verhältnissen zu arrangieren, alle sind gespannt und warten darauf, dass etwas passiert. Trotzdem gibt es noch immer viel Respekt füreinander. Manche müssen sich erst daran gewöhnen, andere Meinungen zu respektieren, aber es ist besser geworden."

    Ihren Kommilitonen bescheinigt sie durchweg politisches Engagement, auch das sei eine Folge der Revolution. Die Medizinstudentin Soha nickt, sie ist stolz, dass sie sich bei den ersten freien Wahlen in ihrem Fachbereich durchgesetzt hat. Wie viele der neuen Repräsentanten an den Universitäten bezeichnet auch sie sich als politisch liberal. Die angehende Ärztin vertritt die Interessen der Studierenden in verschiedenen Gremien.

    "Vor der Revolution gab es keine freien Wahlen. Die Geheimpolizei hat die Studierendenvertreter ausgesucht. Ich bin stolz, dass wir endlich frei wählen konnten, wir haben nun eine Stimme, das macht einen Riesenunterschied."

    Früher durften in der Uni keine Wahlplakate hängen. Das sei jetzt anders. Kooperation der Studierendenvertretungen, transparente Strukturen, politische Rede- und Meinungsfreiheit auf dem Campus, all das ist Teil der anstehenden Hochschulreformen, für die Walid, Noran und Soha sich einsetzen. All das bedeutet für die drei Studierendenvertreter Demokratie. Zu wenige Professoren haben uns während der Revolution unterstützt, erklärt Archäologiestudent Walid.

    "Ich denke nach einer Zeit, werden alle von der Revolution überzeugt sein. Das Wichtigste ist jetzt eine neue Verfassung."

    Sein Dozent Tarek Tawfik vom Fachbereich Archäologie der Universität Kairo sitzt neben ihm und nickt.

    "Im Augenblick ist zu beobachten, dass an den meisten Universitäten, die frei gewählten Dekane und Vizedekane sich jetzt Mühe geben, sich mit den Studenten zusammenzusetzen und etwas für die Zukunft aufzubauen. Es gibt auch immer mal wieder Miesmacher dazwischen. Aber insgesamt ist es eine sehr gute Stimmung, um tatsächlich eine Besserung hervorzubringen."

    Alle am Tisch erwarten nun voller Spannung die für Juni angesetzten Präsidentschaftswahlen.