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AfD-Vize zur Wahl in Mecklenburg-Vorpommern
"Es sind nicht unsere Erfolge, sondern die Misserfolge der anderen"

Die AfD ist bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zweitstärkste Kraft geworden. Viele hätten das Gefühl, dass ihre Heimat allmählich verloren gehe, sagte der Vize-Vorsitzende Alexander Gauland im Deutschlandfunk. Die anderen Parteien könnten von der AfD lernen, keine Politik gegen den großen Teil der Menschen zu machen.

Alexander Gauland im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 05.09.2016
    Alexander Gauland, stellvertretender Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD im Brandenburgischen Landtag.
    Alexander Gauland, stellvertretender Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD im Brandenburgischen Landtag. (imago stock&people)
    Viele Leute lehnten die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin ab, sagte Gauland. Es gebe "eine tiefe Unzufriedenheit in der Bevölkerung" über die Art, wie Kanzlerin Merkel Deutschland verändern wolle, so Gauland. Die Menschen, die nach Deutschland kämen, machten den Leuten Angst. Diesen verängstigten Menschen gebe die AfD eine Stimme.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Die CDU auf Platz drei, AfD Platz zwei und ganz oben mit 30 Prozent die SPD. Sie stellt weiter den Ministerpräsidenten mit Erwin Sellering. Das ist ganz kurz zusammengefasst das Ergebnis der Landtagswahlen gestern in Mecklenburg-Vorpommern. Aber was heißt das alles nun für diese Parteien?
    Wir bleiben bei diesen Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern, bei diesem Wahlergebnis, und wir wollen noch mal etwas genauer auf den Gewinner blicken: die Alternative für Deutschland. Aus dem Stand mehr als 20 Prozent, das ist bisher noch keiner Partei in Deutschland gelungen. Am Telefon jetzt der stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD. Schönen guten Morgen, Alexander Gauland!
    Alexander Gauland: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Gauland, gibt es etwas, das die anderen Parteien jetzt von der AfD lernen können?
    Gauland: Ja. Sie könnten von uns lernen, dass man keine Politik machen kann gegen einen großen Teil der Menschen. Das ist ja das Problem, dass viele Leute zum Beispiel die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zutiefst ablehnen, wir aber immer wieder hören, dazu gibt es keine Alternative und das müssen wir weiter machen, und das hat natürlich dazu geführt, dass wir so große Erfolge haben. Also es sind nicht unsere Erfolge, es sind die Misserfolge der anderen.
    "Wir geben denjenigen, die Angst haben, eine Stimme"
    Armbrüster: Das heißt, der Erfolg beruht auch darauf, dass man Wahlkampf macht mit einem Thema, das mit dieser speziellen Wahl eigentlich gar nichts zu tun hat?
    Gauland: Was mit dieser Wahl auch zu tun hat, aber nicht nur. Natürlich gibt es in Mecklenburg-Vorpommern auch andere Themen, aber es gibt eine tiefe Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegen den Versuch, Deutschland in der Weise zu verändern, wie die Kanzlerin das offenbar will. Und da kommt es jetzt gar nicht darauf an, ob nun so viele Flüchtlinge direkt in Mecklenburg-Vorpommern angekommen sind, sondern es ist einfach das Gefühl vieler, dass hier ihre Heimat allmählich verloren geht. Das wird ja auch von Politikern ganz deutlich gesagt, wie von Wolfgang Schäuble, der sagt, ihr müsst euch öffnen, das ist der Preis der Globalisierung. Und nun gibt es Menschen, die sagen, das ist nicht der Preis der Globalisierung, denn mazedonische Dorfpolizisten halten Flüchtlinge auch auf und ihr habt nur nicht mehr den Willen, als Staat, als deutscher Staat das zu tun, und dagegen wehren sie sich.
    Armbrüster: Herr Gauland, das heißt, Sie sagen auch selber ganz klar, es gibt in Mecklenburg-Vorpommern kaum Flüchtlinge, aber trotzdem sagen Sie den Leuten, ihr müsst vor ihnen Angst haben?
    Gauland: Wir sagen nicht, ihr müsst vor ihnen Angst haben. Die Menschen haben vor ihnen Angst und wir geben ihnen, denjenigen, die Angst haben, eine Stimme.
    Armbrüster: Die haben vor ihnen Angst, auch wenn sie keine sehen?
    Gauland: Das ist nicht der Punkt. Sie sehen natürlich im Fernsehen und wo sie sonst sind Flüchtlinge, und es gibt natürlich auch in Mecklenburg-Vorpommern welche. Aber Sie haben mich gefragt, ist es dort das eigentliche Problem, und da gebe ich Ihnen Recht, dass der Resonanzboden für diese Politik ja ganz Deutschland ist und Mecklenburg-Vorpommern hier nicht an der Spitze steht.
    Armbrüster: Aber Sie können an diesem Problem, wenn Sie es denn als Problem bezeichnen, mit dieser Wahl und mit diesem Wahlergebnis ja nichts ändern. Es ist eine Landtagswahl, keine Bundestagswahl.
    Gauland: Das ist völlig richtig. Aber Sie wissen ja, dass die Menschen diese Wahlen nutzen, um deutlich zu sagen - und hier kommt dazu, dass es das Land der Kanzlerin ist, dass es der Wahlkreis der Kanzlerin ist, um der Kanzlerin deutlich zu sagen, wir wollen das nicht, was Du da machst. Und da nutzen die Menschen die Landtagswahlen und sie nutzen manchmal auch Kommunalwahlen. Das ist immer so gewesen und das wird sich auch nicht ändern.
    "Wir alle wollen einen Politikwechsel"
    Armbrüster: Nun hat die AfD das aber ja in Perfektion beherrscht, dieses Thema zu einem Thema zu machen, obwohl es mit diesem Bundesland eigentlich nichts zu tun hat. Ist da denn die Enttäuschung der Wähler nicht programmiert, die jetzt die Hoffnung darauf haben, wir haben jetzt der AfD 20 Prozent gegeben, jetzt soll sie bitte auch an diesem ganzen Fall etwas ändern?
    Gauland: Die Wähler wissen sehr genau, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern nicht Flüchtlinge an der bayerischen Grenze aufhalten können. Sie wissen sehr wohl, dass hier nur ein Schritt vollzogen werden kann zu einem Politikwechsel. Und dieser Politikwechsel, der nun auch wieder von der CSU gefordert wird, ist ja das, was wir alle wollen, und da ist auch die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ein Schritt dahin. Denn die 21,5 Prozent sind natürlich ein Schritt zu einer anderen Zusammensetzung des Deutschen Bundestages, und die Wähler sind nicht dumm. Sie haben diese Möglichkeit genutzt, der Kanzlerin zu sagen, was Du machst wollen wir nicht. Ob das in Mecklenburg-Vorpommern ist, oder in Nordrhein-Westfalen ist, das ist jetzt erst mal die zweite Frage und nicht die erste. Die Wähler wollen einfach eine andere Politik.
    Armbrüster: Das heißt, Sie sagen auch ganz klar, wir haben da gestern gepunktet, weil wir als Protestpartei aufgetreten sind, nicht so sehr als eine Partei, die sich wirklich Gedanken macht zum Beispiel über Straßenbau oder über Schulpolitik?
    Gauland: Das spielt natürlich eine Rolle. Es gibt ein Landtags-Wahlprogramm, das gab es in Brandenburg, das gab es in Stuttgart, das gab es in Mecklenburg-Vorpommern. Aber natürlich überlagern die nationalen Themen immer wieder diese Themen des Landes. Das ist so. Wahrscheinlich außer bei der Schulpolitik, die ein Thema ist, das wirklich durchschlägt, sind es die nationalen Themen, die auch Landtagswahlen bestimmen.
    Armbrüster: Herr Gauland, und es gibt nun keine andere Partei außer Ihrer, die das in solcher Perfektion beherrscht, dieses Protestpotenzial auszunutzen. Wie lang können Sie denn eigentlich noch weiter machen als Protestpartei, ohne richtige Inhalte, ohne Inhalte zumindest, die nicht wahrgenommen werden?
    "Wenn ich sage, Grenzen zu, dann sind das Inhalte"
    Gauland: Das sehe ich überhaupt nicht so. Das ist der entscheidende Inhalt. Wir sagen, jawohl, ihr habt Recht, wir wollen eine andere Politik. Wir wollen eine Politik, die die Kanzlerin bis jetzt zutiefst ablehnt. Das sind Inhalte. Wenn ich sage, Grenzen zu, keine Flüchtlinge nach Deutschland, der Islam gehört nicht nach zu Deutschland, dann sind das Inhalte.
    Armbrüster: Herr Gauland, gut. Wenn das Ihr Inhalt ist, dann fragen sich doch wahrscheinlich viele: Moment, es hat sich doch in den letzten Monaten, eigentlich im letzten Jahr gewaltig viel geändert. Es kommen kaum noch Flüchtlinge, sowieso nicht nach Mecklenburg-Vorpommern, aber auch nicht mehr nach Deutschland insgesamt. Die Route ist ja geschlossen. Außerdem gibt es inzwischen ein Abkommen mit der Türkei, das diese Zahlen deutlich reduziert hat. Warum muss man dieses Thema noch weiter ausschlachten?
    Gauland: Erstens sehen wir nicht mehr so viele Flüchtlinge, weil sich die Routen verändert haben. Da haben Sie völlig Recht. Aber das Problem beginnt ja überhaupt erst. Es beginnt jetzt das, was die Parteien …
    Armbrüster: Moment! Ganz kurz zu den Routen. Glauben Sie den Zahlen nicht, die wir da hören? Ist das zweifelhaft?
    Gauland: Ich stelle fest, dass wir im Moment dadurch, dass die anderen etwas getan haben, nämlich zum Beispiel die Balkan-Route geschlossen, gegen den Wunsch der Kanzlerin, die das auch noch für völlig falsch gehalten hat, dass in der Tat der Druck nachgelassen hat. Aber der Druck hat nicht intern nachgelassen. Das heißt, die Frage, was machen wir denn jetzt mit der Million Menschen, die hier ist, die beginnt ja erst. Die ganze Frage der Integration, ist das eine Bereicherung oder ist das eine Belastung auf Generationen, die Fragen stellen sich erst. Und in den Gemeinden, wo die Flüchtlinge jetzt angekommen sind, muss man ja mit dem Problem umgehen. Das heißt, das Problem ist ja nicht dadurch weg, dass sie keine Menschen mehr auf der Balkan-Route im Fernsehen sehen, sondern es beginnt jetzt erst als ein mühseliges sozusagen Versuchen, auf der Ebene mit dem Strom fertig zu werden.
    Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk Alexander Gauland, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen, Herr Gauland.
    Gauland: Danke schön, Herr Armbrüster.