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Affäre um netzpolitik.org
Anzeigen gegen Justizminister Maas

Der Druck auf Justizminister Heiko Maas (SPD) in der Affäre um netzpolitik.org wächst: Gegen ihn liegen Anzeigen wegen Strafvereitelung im Amt vor. Währenddessen hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) einen Antrag der Grünen auf eine Sondersitzung des Rechtsausschusses abgelehnt.

Von Gudula Geuther | 06.08.2015
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) äußert sich in Berlin gegenüber Journalisten zur Affäre um die Landesverrats-Ermittlungen gegen Journalisten des Blogs Netzpolitik.org.
    Die Kritik an Justizminister Maas hält an. (Paul Zinken, dpa picture-alliance)
    Die Mitglieder des Rechtsausschusses, Justizminister Heiko Maas, Innenminister Thomas de Maizière, Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen - sie alle werden sich nicht während der Sommerpause in Berlin treffen. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat die von den Grünen beantragte Ausschuss-Sondersitzung abgelehnt. Gegen eine solche Sitzung hatte gestern die SPD-Fraktion plädiert. Am Morgen sagte im Deutschlandfunk zwar auch der CDU-Politiker Patrick Sensburg, der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses:
    "Ich glaube, es ist gut, wenn wir einige Fragen noch klären, nämlich insbesondere: Wer hat zu welchem Zeitpunkt von der Anzeige gewusst? Ich glaube, das ist ganz wichtig, um interne Abläufe wie die Entlassung des Generalbundesanwaltes nachzuvollziehen. Aber ich glaube, dann ist dieser Sachverhalt sicherlich auch politisch weitestgehend geklärt."
    Und diese Klärung habe Zeit bis September. Die SPD formuliert die offenen Fragen anders. Wie die Opposition auch schaut sie nun in Richtung Bundesinnenminister und Verfassungsschutzpräsident. Sie duckten sich weg, wirft ihnen in der Neuen Osnabrücker Zeitung der Netzpolitiker Lars Klingbeil vor. Die Opposition, im Parlament und außerhalb, kritisiert die Innenbehörden in dieser Affäre schon länger. Der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger, bekräftigte im Handelsblatt, die Entlassung Hans-Georg Maaßens sei überfällig. Der frühere Innenminister Gerhard Rudolf Baum, FDP, kritisierte in diesem Sinn im WDR:
    "Der Innenminister verteidigt jetzt Herrn Maaßen mit der Begründung, die Strafanzeige sei ja gegen Unbekannt gerichtet worden. Das ist naiv. Der Herr Maaßen ist nicht zu verteidigen. Er hat den Stein ins Rollen gebracht und hat das begründet vor einigen Wochen: Er fürchte, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz 'sturmreif geschossen werden soll'. Von wem eigentlich? Natürlich von den Journalisten."
    CDU-Politiker verteidigen Maaßen
    Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sprach sich für einen Neustart an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus. Auch wegen des Umgangs Hans-Georg Maaßens mit den Vorwürfen gegen die NSA. Der CDU-Politiker Sensburg dagegen nimmt Maaßen in Schutz.
    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Maaßen so kurzsichtig gedacht hat und gedacht hat, damit wird er netzpolitik.org schocken oder die Presse insgesamt. Ich glaube, dass Herr Maaßen gesehen hat, dass in den letzten Monaten regelmäßig Dokumente nach außen dringen. Das muss Gründe haben. Das ist auch nicht der Deutsche Bundestag, wo die Dokumente nach draußen dringen. Ich glaube, hier sind es insbesondere die Behörden - der Verfassungsschutz, der BND, die Dokumente nach außen dringen lassen - nicht absichtlich."
    Ein Sprecher des Innenministeriums hatte schon nach den ersten Meldungen über die Ermittlungen und über die vorangehende Strafanzeige aus dem Inlandsgeheimnis dessen Chef verteidigt, er habe gegen Durchstechereien vorgehen müssen. Heute bekräftigte Innenstaatssekretär Günter Krings in der Rheinischen Post, ein Behördenchef, der undichte Stellen einfach ignoriere, würde falsch und pflichtwidrig handeln. Die Weitergabe des Wirtschaftsplanes des Verfassungsschutzes, aus dem alle Arbeitsschwerpunkte und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten dieser Sicherheitsbehörde ersichtlich seien, nannte der CDU-Politiker eine "neue Dimension des Durchstechens von Geheimnissen".
    Die Kritik an Justizminister Maas hält derweil an. Während allerdings die Opposition eher eine anfängliche Zögerlichkeit im Umgang mit der Affäre erkennen will, haben andere Anzeige erstattet, weil er zu sehr in die Ermittlungen eingegriffen habe. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft, ob ein Anfangsverdacht der Strafvereitelung im Amt vorliegt.