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Afghanisches Mädchenorchester
Mit Cello und Trompete gegen die Taliban

In ihrer Heimat leben die Mitglieder des afghanischen Mädchenorchesters in ständiger Todesgefahr. Denn die radikalislamischen Taliban, die in Teilen des Landes herrschen, betrachten musizierende Mädchen als Todsünde. Diese lassen sich aber nicht einschüchtern und beziehen mit Cello und Trompete Stellung gegen die Taliban.

Von Jürgen Webermann | 19.01.2017
    Das afghanische Mädchenorchester bei einer Probe im Nationalen Institut für Musik in Kabul. Sie traten auch auif dem Weltwirtschaftsforum in Davos auf.
    Das afghanische Mädchenorchester bei einer Probe in Kabul. (AFP / Wakil Koshar)
    Große Auftritte kennen sie schon, im afghanischen Fernsehen zum Beispiel. Sie spielen bekannte afghanische Lieder mit traditionellen Instrumenten, aber vor allem auch als klassische Version. Zohra heißt das erste afghanische Mädchenorchester. 35 junge Musikerinnen, zwischen 13 und 20 Jahre alt. Und gerade auf einer kleinen Europatournee.
    "Wenn ich die Mädchen dirigiere, dann könnte ich jedes Mal weinen. Dirigieren, was für ein Privileg. Also arbeite ich sehr, sehr hart."
    Negin ist 19 Jahre alt und die Leiterin des Orchesters, sie ist damit die erste afghanische Dirigentin. Ihre Musikerinnen, das sind vor allem Mädchen aus armen Familien oder Waisenkinder. Sie lernen an Afghanistans einziger Musikakademie in Kabul klassische, weltliche Musik. Und sie eint vor allem eines: Ablehnung durch die Taliban, aber auch durch weite Teile der Gesellschaft. Auch Negin wurde bedroht. Von ihren eigenen Verwandten. Ihre Heimat, die Provinz Kunar im Osten Afghanistans, ist zum Teil in der Hand von Islamisten. Musizierende Mädchen? Das ist für Extremisten eine Todsünde.
    Afghanische Musik und ein bisschen Beethoven
    "Sie drohen mir. Wenn Du weiter Musik machst oder dirigierst, töten wir Dich. Das macht mir natürlich Angst."
    Nur Negins Vater hat sie immer unterstützt. Jetzt sind auch ihre Mutter und die Geschwister endlich nach Kabul gezogen. Es ist ein Hauch von Hoffnung.
    Ahmad Sarmast kennt die Gefahren, die auch in Kabul lauern, nur zu gut. Er ist vor sieben Jahren aus Australien zurückgekehrt, um mithilfe internationaler Sponsoren die Musikakademie aufzubauen. 2014 wäre er bei einem Anschlag auf das französische Gymnasium in Kabul beinahe selbst getroffen worden.
    "Aber Mädchen wie Negin stehen für die neue, junge afghanische Generation. Trotz aller Widrigkeiten kämpfen sie für ihre Rechte."
    Das Motto des Mädchenorchesters ist entsprechend eindeutig: Sie wollen die Taliban mit Musik bekämpfen. Ihre Waffen sind Cellos, Trompeten und Pauken. Und im Falle von Negin der Taktstock. Ihr Traum ist, einmal das afghanische Nationalorchester zu dirigieren. Aber jetzt geht es aber erst einmal durch Europa. Nach ihrem Auftritt in Davos werden die Musikerinnen auch in Weimar und in Berlin spielen. Auf dem Programm: Afghanische Musik und ein bisschen Beethoven.