Gerd Breker: Die Bundeswehr ist zur Sicherheit des zivilen Aufbaus in Afghanistan. Dort verschlechtert sich derzeit rapide die Sicherheitslage. Die Taliban sind wiedererstarkt und melden sich mit den Methoden des internationalen Terrorismus zurück. Selbstmordanschläge drängen sich auf die Tagesordnung und ein Ziel dabei: die NATO-Geführte ISAF. Zum Schutze der Bundeswehr soll nun der Schützenpanzer Marder an den Hindukusch. Da fragt man sich: Was macht eigentlich der zivile Aufbau in Afghanistan oder der zivile Wiederaufbau?
Am Telefon bin ich nun verbunden mit Citha Maaß, Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Guten Tag, Frau Maaß!
Citha Maaß: Guten Tag, Herr Breker!
Breker: Frau Maaß, nie wurde in Afghanistan so viel Mohn angebaut wie in dieser Zeit. Was lernen wir eigentlich daraus?
Maaß: Zunächst einmal müssen wir erkennen, dass wir für die verschiedenen Regionen Afghanistans unterschiedliche Strategien anwenden müssen. Allein die geographische Lage zum Beispiel, wo die deutsche Bundeswehr eingesetzt ist, Badaschan im Nordosten ist eine Hochgebirgsregion, 4.000 Meter und höher. Dagegen im Süden, wo jetzt gerade der Mohn-Anbau explodiert ist, ist eine flache Region, die durch einige große Wasserläufe bestimmt wird, und damit kann man natürlich auch dann die Bewässerung der Mohnfelder betreiben. Das heißt also als erstes regional unterschiedliche Strategien.
Ich würde weiterhin dafür plädieren, dass die Bundeswehr im Norden sich nicht in die Drogenbekämpfung einmischt, weil das eine Sicherheitsgefährdung für die Bundeswehr wäre. Man kann Informationen weitergeben, aber wie es bislang das deutsche Mandat auch vorgesehen hat sollte keine aktive Rolle damit verbunden sein, weil es nämlich um politische Rivalitäten geht.
Das möchte ich am Beispiel Südafghanistans erläutern. Dort haben wir die amerikanischen Spezialeinheiten und Koalitionskräfte, die mit einem ganz anderen Mandat als die ISAF antreten. Die ISAF hat ein Schutz- und Unterstützungsmandat. Die Amerikaner haben ein Kampfmandat. In diesem Kampfmandat in der Zerstörung oder in der Absicht, internationale Aufstandsbewegungen wie die Taliban zu zerstören, sind die Spezialkräfte so weit gegangen, dass sie die Bevölkerung gegen sich aufgebracht haben. Dort ist in diesem Sommer die amerikanische Androhung der Vernichtung der Mohn-Felder zu einem wesentlichen Eskalationsfaktor für die zunehmende Militanz geworden. Das heißt, für den Süden sollte man erst mal eine Denkpause einlegen und überlegen, ob man dort nicht mit einer anderen Drogenbekämpfungsstrategie ansetzen sollte.
Breker: Man war ja sowieso davon ausgegangen, dass der Mohn-Anbau ersetzt werden würde durch anderen Anbau, etwa von Lebensmitteln. Warum ist denn das nicht geschehen? Wir haben fünf Jahre nach den ersten Angriffen.
Maaß: Ich glaube, das war eine illusorische Strategie, wenn man sich die Bedingungen in Afghanistan anschaut. Hier müssen wir unterscheiden zwischen den Produzenten, das heißt also den vielen kleinen Bauern, deren Überleben davon abhängt, noch nicht mal, dass sie reich werden, sondern deren schlichte Existenz davon abhängt, die in völliger Abhängigkeit zu den kleinen und großen Drogenhändlern sind. Das eigentliche Problem sind die Händler. Die Händler wiederum sind politisch in strategischen Positionen. Einflussreiche Drogenbarone sitzen im Kabinett, sitzen in der höchsten Regierungsspitze, sitzen im Unter- und Oberhaus. Sie nehmen entscheidende politische Strategien ein. Auf sie hat sich Karsai mit seiner Personal- und Machterhaltungsstrategie gestützt, hat sie eben in diese Ämter berufen, weil er glaubt, ohne ihre Unterstützung politisch nicht überleben zu können. Das ist ein politisches Problem, das man eben mit der Mohn-Felder-Vernichtung und alternativen Anbaumethoden nicht in den Griff bekommen kann.
Breker: Nur damit wird man das Problem grundsätzlich überhaupt nicht lösen?
Maaß: Nein. Man muss bei solchen Ländern wie Afghanistan mit einer auch historischen Tradition an Mohn-Anbau mit jahrzehntelangen Bekämpfungsstrategien rechnen. Das heißt, man muss bestimmte Leute dafür gewinnen im Land selbst, die dann über ihre Netzwerke Einfluss nehmen auf Stammesälteste, auf Kommandanten, auf Leute in politisch entscheidenden Positionen, ein Bewusstsein schaffen, dass Mohn-Anbau, Drogenhandel eben dem Land nicht gut tut, auch international die Position Afghanistans schwächt. Das ist ein Bewusstseinsprozess, der lange dauert. Dann muss man konzertierte, komplexe Alternativkonzepte entwickeln. Man kann also nicht nur einem kleinen Mohn-Bauern ein anderes Saatgut anbieten. Man muss dessen Vermarktungswege mit einbeziehen. Man muss den Absatz sichern. Man muss auch parallel dazu eine politische Strategie für die Zwischenhändler anbieten, die natürlich auf so eine lukrative Einkommensquelle und auch politische Machteinflussnahme nicht ohne weiteres verzichten wollen. Das heißt, eine langfristige Strategie, die für die verschiedenen Regionen Afghanistans differenziert entwickelt wird, und so etwas dauert zehn Jahre und länger.
Breker: In den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk war das Citha Maaß. Sie ist die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Danke für dieses Gespräch.
Maaß: Auf Wiederhören, Herr Breker.
Am Telefon bin ich nun verbunden mit Citha Maaß, Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Guten Tag, Frau Maaß!
Citha Maaß: Guten Tag, Herr Breker!
Breker: Frau Maaß, nie wurde in Afghanistan so viel Mohn angebaut wie in dieser Zeit. Was lernen wir eigentlich daraus?
Maaß: Zunächst einmal müssen wir erkennen, dass wir für die verschiedenen Regionen Afghanistans unterschiedliche Strategien anwenden müssen. Allein die geographische Lage zum Beispiel, wo die deutsche Bundeswehr eingesetzt ist, Badaschan im Nordosten ist eine Hochgebirgsregion, 4.000 Meter und höher. Dagegen im Süden, wo jetzt gerade der Mohn-Anbau explodiert ist, ist eine flache Region, die durch einige große Wasserläufe bestimmt wird, und damit kann man natürlich auch dann die Bewässerung der Mohnfelder betreiben. Das heißt also als erstes regional unterschiedliche Strategien.
Ich würde weiterhin dafür plädieren, dass die Bundeswehr im Norden sich nicht in die Drogenbekämpfung einmischt, weil das eine Sicherheitsgefährdung für die Bundeswehr wäre. Man kann Informationen weitergeben, aber wie es bislang das deutsche Mandat auch vorgesehen hat sollte keine aktive Rolle damit verbunden sein, weil es nämlich um politische Rivalitäten geht.
Das möchte ich am Beispiel Südafghanistans erläutern. Dort haben wir die amerikanischen Spezialeinheiten und Koalitionskräfte, die mit einem ganz anderen Mandat als die ISAF antreten. Die ISAF hat ein Schutz- und Unterstützungsmandat. Die Amerikaner haben ein Kampfmandat. In diesem Kampfmandat in der Zerstörung oder in der Absicht, internationale Aufstandsbewegungen wie die Taliban zu zerstören, sind die Spezialkräfte so weit gegangen, dass sie die Bevölkerung gegen sich aufgebracht haben. Dort ist in diesem Sommer die amerikanische Androhung der Vernichtung der Mohn-Felder zu einem wesentlichen Eskalationsfaktor für die zunehmende Militanz geworden. Das heißt, für den Süden sollte man erst mal eine Denkpause einlegen und überlegen, ob man dort nicht mit einer anderen Drogenbekämpfungsstrategie ansetzen sollte.
Breker: Man war ja sowieso davon ausgegangen, dass der Mohn-Anbau ersetzt werden würde durch anderen Anbau, etwa von Lebensmitteln. Warum ist denn das nicht geschehen? Wir haben fünf Jahre nach den ersten Angriffen.
Maaß: Ich glaube, das war eine illusorische Strategie, wenn man sich die Bedingungen in Afghanistan anschaut. Hier müssen wir unterscheiden zwischen den Produzenten, das heißt also den vielen kleinen Bauern, deren Überleben davon abhängt, noch nicht mal, dass sie reich werden, sondern deren schlichte Existenz davon abhängt, die in völliger Abhängigkeit zu den kleinen und großen Drogenhändlern sind. Das eigentliche Problem sind die Händler. Die Händler wiederum sind politisch in strategischen Positionen. Einflussreiche Drogenbarone sitzen im Kabinett, sitzen in der höchsten Regierungsspitze, sitzen im Unter- und Oberhaus. Sie nehmen entscheidende politische Strategien ein. Auf sie hat sich Karsai mit seiner Personal- und Machterhaltungsstrategie gestützt, hat sie eben in diese Ämter berufen, weil er glaubt, ohne ihre Unterstützung politisch nicht überleben zu können. Das ist ein politisches Problem, das man eben mit der Mohn-Felder-Vernichtung und alternativen Anbaumethoden nicht in den Griff bekommen kann.
Breker: Nur damit wird man das Problem grundsätzlich überhaupt nicht lösen?
Maaß: Nein. Man muss bei solchen Ländern wie Afghanistan mit einer auch historischen Tradition an Mohn-Anbau mit jahrzehntelangen Bekämpfungsstrategien rechnen. Das heißt, man muss bestimmte Leute dafür gewinnen im Land selbst, die dann über ihre Netzwerke Einfluss nehmen auf Stammesälteste, auf Kommandanten, auf Leute in politisch entscheidenden Positionen, ein Bewusstsein schaffen, dass Mohn-Anbau, Drogenhandel eben dem Land nicht gut tut, auch international die Position Afghanistans schwächt. Das ist ein Bewusstseinsprozess, der lange dauert. Dann muss man konzertierte, komplexe Alternativkonzepte entwickeln. Man kann also nicht nur einem kleinen Mohn-Bauern ein anderes Saatgut anbieten. Man muss dessen Vermarktungswege mit einbeziehen. Man muss den Absatz sichern. Man muss auch parallel dazu eine politische Strategie für die Zwischenhändler anbieten, die natürlich auf so eine lukrative Einkommensquelle und auch politische Machteinflussnahme nicht ohne weiteres verzichten wollen. Das heißt, eine langfristige Strategie, die für die verschiedenen Regionen Afghanistans differenziert entwickelt wird, und so etwas dauert zehn Jahre und länger.
Breker: In den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk war das Citha Maaß. Sie ist die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Danke für dieses Gespräch.
Maaß: Auf Wiederhören, Herr Breker.