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Afghanistan-Fotos: Polenz fordert schnelle Aufklärung

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), fürchtet, dass ein möglicher Skandal um die Afghanistan-Fotos mit deutschen Bundeswehrsoldaten den guten Ruf der ISAF-Soldaten insgesamt beschädigen könnte. Wichtig sei ein positiver Geist in der Truppe, der besonders durch die Beibehaltung der Wehrpflicht erhalten bleiben könnte, betonte Polenz.

    Elke Durak: Über das Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr will ich jetzt mit einem Außenpolitiker sprechen, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz. Das hat auch seinen Grund: In dem Weisbuch, einer Analyse und Aufgabenbeschreibung zugleich, wird die Sicherheitspolitik ausdrücklich nicht allein militärisch betrachtet, sondern auch die Außen- und Entwicklungspolitik als Elemente der Sicherheitspolitik verstanden. Wir müssen aber zu Beginn unseres Gesprächs auf den aktuellen Vorwurf eingehen, der heute morgen durch die Nachrichten geht. Die "Bild"-Zeitung berichtet, sie hätte Fotos, die zeigten, dass deutsche Soldaten in Afghanistan, also Soldaten im ISAF-Auftrag, im Jahr 2003 die Totenruhe eines Unbekannten gestört haben. Das wird mit Fotos belegt, die wenn sie echt sind, einen handfesten Skandal, denke ich, heraufbeschwören oder dokumentieren. Schönen guten Morgen, Herr Polenz.

    Ruprecht Polenz: Schönen guten Morgen.

    Durak: Was sagen Sie zu diesem Vorwurf, was würde das bedeuten?

    Polenz: Ich denke, es muss jetzt alles getan werden diesen Vorwürfen nachzugehen und sie aufzuklären, das hat die Bundeswehr ja auch unverzüglich angekündigt. Denn dieser Vorgang ist geeignet, den guten Ruf, den die Soldaten der ISAF und auch die, die im Kampf gegen den Terrorismus in der Operation "Enduring Freedom" in Afghanistan engagiert sind, zu beschädigen. Und im Interesse der vielen Soldaten die einen untadeligen Dienst in Afghanistan leisten muss sehr schnell aufgeklärt werden um was es dabei konkret ging. Und ich hoffe, dass es wirklich nur ein Einzelfall war.

    Durak: Ein Einzelfall aber, Herr Polenz, in dieser Sache vielleicht. Es gab andere Vorfälle schon in der Bundeswehr, die moralisch sehr anfechtbar waren, natürlich auch Disziplinarisches nach sich gezogen haben. Sind das Belege dafür, dass es besser bei der Wehrpflicht bleiben soll? Und damit nähern wir uns ja auch ein wenig dem Weißbuch wieder.

    Polenz: Ich glaube schon, dass die Wehrpflicht insgesamt ein gutes Instrument ist, um auch sicherzustellen, dass die Bundeswehr in der Gesellschaft verankert bleibt, dass sie sich nicht von der Gesellschaft entfernt, dass auch die Gesellschaft leichter und schneller erfährt, was in der Bundeswehr vorgeht. Das betrifft jetzt nicht die Auslandseinsätze, dort sind Wehrpflichtige nur als freiwillige Längerdienende dabei, wenn sie sich dafür entscheiden, aber insgesamt ist der Geist der Truppe natürlich durch die Wehrpflicht auch positiv geprägt.

    Durak: Herr Polenz, dieses Weißbuch, es ist ja nach vielen Jahren ohne Standortbestimmung sozusagen, der Sicherheitspolitik und der Bundeswehr, nun endlich erschienen. In den vielen Jahren zwischen dem Letzten und dem Jetzigen hat sich die Welt komplett verändert, was die Sicherheitsinteressen, die Sicherheitspolitiken betrifft. Dieses Weißbuch beschreibt nationale Interessen mit sicherheitspolitischer Relevanz. Ist das das Neue daran?

    Polenz: Ja, denn diese sicherheitspolitische Standortbestimmung war von der Vorgängerregierung lediglich über Leitlinien vorgenommen worden, weil sich die rot-grüne Bundesregierung eben nicht verständigen konnte auf eine gemeinsame Sicht der neuen Bedrohung und vor allen Dingen auch nicht auf die Wehrpflicht. Das war auch mit eine Ursache dafür, dass die Vorgängerregierung ein solches Weißbuch nicht zustande gebracht hat. Insofern also erst einmal ein Fortschritt, dass diese Bundesregierung sich auf eine gemeinsame Sicht unserer neuen Herausforderung und Bedrohung verständigt hat. Ich glaube auch, dass die integrierte Sicht mit einem umfassenden Sicherheitsbegriff und damit auch mit einer breit gefächerten instrumentellen Antwortpalette, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf, richtig ist.

    Also das was wir mit der Entwicklungshilfe, was wir mit der Außenpolitik und was wir mit der Verteidigungspolitik tun, um einmal drei Politikbereiche zu nennen, das muss zusammen gesehen und auch koordiniert werden, wenn wir die Sicherheit für die Bundesrepublik Deutschland in einer globalisierten Welt gewährleisten wollen, wo es eben nicht mehr so sehr darauf ankommt wie weit entfernt ein Konflikt ist. Potentiell können sie alle auch die deutsche Sicherheit erreichen und bedrohen.

    Durak: Die Frage ist natürlich ob zur Wahrung der nationalen Interessen, die sicherheitspolitische Relevanz haben, letztlich auch stets oder letzten Endes Truppen eingesetzt werden sollen, Herr Polenz. Beispiel, eines wird ja genannt in dem Weißbuch, Grundlage des deutschen Wohlstandes sei der freie und ungehinderte Welthandel. Das wäre ja ein, sagen wir einmal Paradigmenwechsel, im Auftrag der deutschen Soldaten.

    Polenz: Es geht sicherlich nicht darum da zuallererst oder am Anfang gleich an Soldaten zu denken. Aber richtig ist auch, dass die Diplomatie, gerade auch um noch diplomatisch, politisch im Vorfeld eines Einsatzes von Soldaten wirken zu können, die Möglichkeit haben muss, gegebenenfalls auch Soldaten einzusetzen, wenn dazu dann die völkerrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, etwa um Konflikte zu entschärfen. Wenn es also jetzt um diese Passage geht, das Interesse a freiem Welthandel, an ungestörten Zugängen, insbesondere auch was die Energieversorgung angeht, dann geht es zunächst einmal natürlich darum, dass wir Europäer beispielsweise gemeinsam von Russland erreichen, dass Russland sich bereit erklärt, auch zentralasiatisches Gas durch seine Pipelines nach Europa leiten zu lassen, damit wir nicht nur von russischem Gas abhängig sind. Das ist natürlich eine Frage der Verhandlungen und nicht des Militärs, gehört aber im weiteren Sinne auch zur Sicherheit, nämlich hier zur Versorgungssicherheit mit Energie.

    Durak: Zu Ende gedacht könnte das aber heißen, wenn alles Verhandlungslatein am Ende ist, müssen andere Mittel herangezogen werden.

    Polenz: Nein, ich will einmal bei dem Energiebeispiel bleiben: Wir bekommen jetzt auch Energie mit einer großen Pipeline, die durch die Türkei gelegt ist. Wir hatten vor kurzem eine Tagung des Bundesnachrichtendienstes hier in Berlin, dem Erkenntnisse vorliegen, dass der Angriff von Terroristen gerade auch auf solche Pipelines wahrscheinlich zur Wirklichkeit dieses Jahrzehnts gehören wird. Nun kann ich mir gut vorstellen, dass die Länder, durch die diese Pipelines gehen, auch die Frage aufwerfen, ob es immer alleine ihre Aufgabe sein wird, diese Pipelines zu bewachen, oder ob sich beispielsweise die NATO im Bündnis auch dazu bereitfinden könnte.

    Eine solche Diskussion halte ich für möglich und dann wird man zu entscheiden haben, ob man sich auch an der Bewachung solcher Pipelines beteiligt, oder ob man tatsächlich sagen kann, das ist jetzt hier nicht unser Bier, ihr müsst dafür sorgen, dass das auf euerem Territorium alles klappt. Also solche Diskussionen könnte ich mir persönlich vorstellen.

    Durak: In der NATO wird so etwas Ähnliches ja auch diskutiert, nämlich ob die NATO auch zivile Friedensbemühungen unterstützen sollte. Sie wären, wenn ich das jetzt richtig gehört habe, dafür.

    Polenz: Ich glaube das ist unabweisbar, denn wir sehen es am Beispiel Afghanistans, wir sehen es auf dem Balkan: Allein mit militärischen Mitteln lassen sich heute Konflikte nicht dauerhaft lösen, mit denen wir es zu tun haben, die das Weißbuch auch als möglichen Einsatz benennt. Etwa zerfallende Staaten, da braucht man am Anfang das Militär und dann aber muss ein ziviler Wiederaufbau folgen und das setzt zum Beispiel voraus, dass die Zusammenarbeit zwischen NATO und europäischer Union wesentlich verbessert wird.

    Durak: Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Besten Dank, Herr Polenz, für das Gespräch.

    Polenz: Danke schön, auf Wiederhören.

    Durak: Auf Wiederhören.