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African Economic Forum
Entwicklungshilfe oder Verteidigung?

Klimawandel und politische Krisen werden in den nächsten Jahren zu Flüchtlingsbewegungen aus Afrika führen. Deutschland will deswegen viel Geld in den Aufbau Afrikas stecken - im Gegensatz zu den USA, die Entwicklungshilfe zugunsten von Verteidigung kürzen will. Über die Verteilung der Gelder herrscht auch in der Koalition Uneinigkeit.

Von Frank Capellan | 21.03.2017
    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) unterhaelt sich am 29.03.2016 im Fluechtlingscamp Dadaab (Kenia) in der Ausgabestelle für Nahrungsmittelrationen mit einer Frau.
    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller im Flüchtlingscamp Dadaab (Kenia) - "1.600 Milliarden für Militär, nur 130 Milliarden für Entwicklungszusammenarbeit - das ist beschämend." (dpa / picture-alliance / Michael Gottschalk BMZ-Poolfoto)
    Stefan Liebing bringt es auf den Punkt. Erst die Angst vor gewaltiger Zuwanderung erhöht den Druck: Über Hilfe für Afrika wird seit Jahren diskutiert, jetzt aber, davon ist der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft überzeugt, gibt es eine Chance, einen Marshall-Plan tatsächlich umzusetzen.
    "Neulich hat jemand gesagt 'Afrika ist der Kontinent der Chancen, lassen Sie uns sicherstellen, dass er das nicht die nächsten 100 Jahre bleibt'. Und ich glaube, wir haben politisch jetzt eine Chance aus zwei Gründen, so traurig das auch ist, dass die politischen Entscheider jetzt aufgewacht sind durch die Flüchtlingskrise. Und die nächste große Welle an Flüchtlingen wird nicht mehr aus Syrien kommen, sondern aus Afrika, das Zweite ist, dass die Bundeskanzlerin die G20-Präsidentschaft nutzen will, Afrika unter den führenden Wirtschaftsnationen zum Hauptthema zu machen."
    "Die Amerikaner gehen in die falsche Richtung"
    US-Präsident Donald Trump allerdings macht gerade die Verteidigungsausgaben zum Top-Thema. Aus der Klimaschutzfinanzierung wollen sich die USA ganz zurückziehen, die Entwicklungshilfe drastisch kürzen.
    "Die Amerikaner gehen in die falsche Richtung. Militär erhöhen, Entwicklung um ein Drittel streichen. Damit wird die Basis für neue Konflikte und Kriege gelegt", warnt Entwicklungsminister Gerd Müller. Zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes fürs Militär? Der CSU-Politiker wehrt sich und hält den Amerikanern vor, planlos im Irak und Libyen Krieg geführt zu haben, ohne zu überlegen, wie solche Länder danach stabilisiert werden könnten.
    "Militär ist die ultima ratio und das Verhältnis weltweit 1.600 Milliarden für Militär, nur 130 Milliarden für Entwicklungszusammenarbeit ist beschämend. Im Augenblick wird gestorben, Hungerkatastrophe in Ostafrika. Der UN-Generalsekretär muss betteln, mit dem Klingelbeutel, damit er sage und schreibe zwei oder drei Milliarden zusammenbringt."
    Müller rechnet mit neuen Flüchtlingswellen durch Hunger und Klimawandel. 100 Millionen Menschen könnten sich in Bewegung setzen. Als die Kanzlerin am Mittag den Präsidenten von Burkina Faso in Berlin empfängt, spricht auch sie über Migration, und Angela Merkel betont: Wir setzen auf wirtschaftliche Entwicklung Afrikas:
    "Hier wollen durch unsere Entwicklungszusammenarbeit auch deutlich machen, dass die Chancen vor Ort liegen, und dass die Jugend dieser Länder sich einbringen muss in Aufbau des Landes, denn da liegt die Zukunft!"
    In der Koalition bahnt sich Ärger an
    Ausbildung, Handel und Investitionsförderung – Deutschland will viel Geld in den Aufbau Afrikas stecken, Merkel den Marshallplan beim G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg zum Thema machen. Unternehmer Stefan Liebing, selbst beratend in Afrika unterwegs, setzt auf politische Unterstützung, damit der deutsche Mittelstand dort investiert – trotz aller Krisen und Korruptionsprobleme in vielen Ländern:
    "Nur so werden wir eine Chance haben, auch gegen den Wettbewerb aus China und den Schwellenländern in Afrika zu bestehen. Viele Afrikaner wollen deutsche Qualität und Arbeit nach deutschen Standards. Wir brauchen die Unterstützung der Bundesregierung, damit wir in einem schwierigen Wettbewerb bestehen können."
    Wieviel Geld für Entwicklung, wieviel für Verteidigung lockergemacht wird, wird die Bundesregierung klären müssen. In der Koalition bahnt sich Ärger an. Wir wissen, dass Trump uns zwingt, mehr in die Rüstung zu stecken, meint SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann:
    "Aber wir halten eine Steigerung des Verteidigungsetats um 20 bis 25 Milliarden Euro für absolut unrealistisch. Wir meinen, dass wir jetzt eher Abrüstung brauchen als neue Aufrüstung, und deshalb wird es das so mit uns nicht geben."
    Schon gar nicht, so der Sozialdemokrat, wenn Finanzminister Schäuble dafür den Sozialetat kürzen will.