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Afrika
Infektion mit Würmern erhöht Empfänglichkeit für HIV

In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist das Risiko einer HIV-Erkrankung signifikant erhöht. Schon länger gab es den Verdacht, dass dort Infektionen mit Parasiten die Menschen empfänglicher für den Aids-Erreger machen. Jetzt haben Forscher der Uniklinik München das in einer Studie bestätigt.

Von Joachim Budde | 01.12.2016
    HIV-infizierte Kinder, die im Krankenhaus von Bukoba in Tansania behandelt werden.
    HIV-infizierte Kinder werden im Krankenhaus von Bukoba in Tansania behandelt. Eine bessere Behandlung von Wurmerkrankungen könnte auch das HIV-Infektionsrisiko verringern (picture alliance / dpa / Hguen)
    Geschwollene Beine wie von einem Elefanten, riesige Hodensäcke - das sind chronische Folgen einer Infektion mit dem Fadenwurm Wuchereria bancrofti. Weltweit sind 120 Millionen Menschen mit diesem Parasiten infiziert, viele davon leben im Afrika südlich der Sahara.
    Die Krankheit ist an sich schon schlimm genug, bereits seit den 80er Jahren besteht aber der Verdacht, dass Menschen mit Wurmerkrankungen wie dieser ein höheres Risiko haben, sich mit dem Aids-Virus HIV anzustecken, sagt Inge Kroidl vom Universitätsklinikum München:
    "Der Anstieg der HIV-Infizierten in Afrika war halt deutlich höher als in anderen Kontinenten und man hat überlegt, ob irgendwelche chronischen Krankheiten eine Grundlage dafür liefern, dass die Ansteckung schneller vor sich geht; und hat dann ganz früh schon chronische Wurminfektionen im Verdacht gehabt, nur ist der Beweis so einer Hypothese relativ schwierig."
    Denn die meisten Wurminfektionen lassen sich schnell heilen. Zu schnell, um Interaktionen mit anderen Erregern untersuchen zu können.
    HIV-Infektionsrisiko bei Wurminfektion um das 2,3-fache erhöht
    Bei den Filarien jedoch kann eine herkömmliche Behandlung mehrere Jahre dauern:
    "Die sitzen nämlich nicht im Darm. Im Unterschied zu den Würmern, die man so kennt, wandern die erwachsenen Larven in dieses lymphatische System des zum Beispiel Urogenitaltraktes und dort leben sie dann so für zehn, zwölf Jahre und produzieren Nachkommen, die Mikrofilarien, die dann nötig sind für die Übertragung."
    Als Mikrofilarien bezeichnet man die Larven, schon sie sind winzige Fadenwürmer. Sie wandern nachts ins Blut. Stechmücken saugen sie bei ihren Mahlzeiten auf und verteilen sie weiter.
    Inge Kroidl und ihre Kollegen haben fünf Jahre lang Menschen im Südwesten Tansanias auf Infektionen mit Filarien, HIV und eine Reihe anderer Krankheiten getestet. 40 Prozent der Untersuchten waren mit den Würmern infiziert:
    "Da war die Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren, circa 2,3-fach erhöht. Und wenn man sich bestimmte Altersgruppen anguckt, dann war die Wahrscheinlichkeit, HIV zu bekommen, bei Jugendlichen von 14 bis 25 Jahren im Vergleich zu der gleichaltrigen Gruppe ohne Wurminfektion sogar bis über das Dreifache erhöht."
    Wie die Filarien dem HI-Virus die Infektion erleichtern, wissen die Münchner Forscher noch nicht. Es gebe lediglich einen Anhaltspunkt, sagt Professor Michael Hölscher: Das Immunsystem von Filarien-Patienten ist aktiver, weil es die Parasiten bekämpft:
    "Wenn ich exponiert bin, Sex mit jemandem hatte, der HIV hatte, dass ich mich dann anstecke, hängt eigentlich daran, wie viele aktivierte Immunzellen ich in zum Beispiel der Vagina habe. Und wenn da jetzt mehrere Zellen sind, dann ist einfach die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man sich infizieren kann.
    Ob das jetzt genau der kausale Zusammenhang ist, kann man noch nicht sagen, da wollen wir Studien dazu machen und wir wollen auch herausfinden, welche Voraussetzungen bei der Filarieninfektion gegeben sein müssen, ob das eher die Mikrofilarien sind oder die erwachsenen Würmer, das wollen wir jetzt genauer untersuchen."
    Neue Therapien gegen Fadenwürmer
    Die neue Erkenntnis der Tropenmediziner könnte schon bald Auswirkungen auf die Filarienbehandlung haben, sagt Inge Kroidl:
    "Bislang war es halt immer so, dass in den afrikanischen Ländern die Regierungen sich sehr viel Mühe gegeben haben, die Neuinfektionen zu verhindern, aber die Leute natürlich trotzdem dann noch zehn, 15 Jahre gelebt den im Körper hatten und damit auch die Immunveränderung dann auch noch vorhanden war. Und das könnte sich jetzt mit neuen Therapien ändern."
    Denn neue Studien haben gezeigt, dass eine Kombination gängiger Medikamente auch die erwachsenen Würmer schnell töten kann. Das würde gleich zwei drängende Probleme in Afrika verkleinern, erklärt Inge Kroidl:
    "Die Krankheit an sich ist schon schlimm, deswegen hatte sich die Weltgemeinschaft auch schon im Jahr 2000 zusammengetan um die Krankheit von der Welt zu schaffen, und dass damit gleichzeitig das HIV-Risiko sinkt, ist natürlich super."