Sandra Schulz: Reis, Weizen und Mais sind weltweit so teuer wie noch nie. In nur wenigen Monaten hatten sich die Preise für diese Grundnahrungsmittel im Frühjahr mancherorts mehr als verdoppelt - mit der Konsequenz, dass Millionen Menschen hungern. Aids und Malaria sind weitere drängende Probleme Afrikas - Probleme, die heute beim Treffen der wichtigsten Industrieländer und Russlands auf der japanischen Insel Hokkaido im Mittelpunkt stehen. Am Telefon begrüße ich nun Uschi Eid, für Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss und in der rot-grünen Regierung war sie ab 2001 G8-Afrikabeauftragte des Bundeskanzlers. Guten Tag!
Uschi Eid: Guten Tag!
Schulz: Frau Eid, Sie haben es gehört. Es gibt Zusagen in Milliardenhöhe. Aber sind die mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein?
Eid: Dass jetzt aus der Notlage heraus hier mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss, ist eine Sache. Das ist richtig. Aber es ist im Prinzip auch ein Eingeständnis der Tatsache, dass man jahrelang nicht das Richtige gemacht hat. Wir haben zum Beispiel beim G8-Gipfel 2002 ein umfassendes Paket mit den Afrikanern, mit den Reformstaaten Afrikas vereinbart und da waren zum Beispiel Landwirtschaft oder Wasser oder Bildung und Gesundheit Schwerpunkte und ich weiß gar nicht, warum man diese Dinge, die 2002 beschlossen worden sind, nicht konsequent umgesetzt hat. Jetzt hat man sozusagen das Nachsehen und das finde ich mehr als ärgerlich.
Schulz: Rechnen Sie denn damit, dass die Zusagen so wie sie jetzt in Japan gemacht werden auch tatsächlich umgesetzt werden, denn es gibt ja gerade diese Diskrepanz zwischen Zusagen und dem Handeln dann?
Eid: Was zum Glaubwürdigkeitsverlust der G8 beiträgt sind ständig neue Versprechungen, ohne dass man wirklich mal Bilanz zieht: Was hat man denn von den alten Versprechungen eingelöst. Das kommt einem so vor, als würden die G8 dann immer nur Feuerwehr spielen. Ich hoffe nur, dass natürlich jetzt, das was in Japan beschlossen wird, dann auch wirklich systematisch umgesetzt wird. Aber das heißt natürlich auf der anderen Seite, dass die Partner ihrerseits auch das umsetzen müssen, wozu sie sich verpflichtet haben - zum Beispiel die afrikanischen Staaten.
Schulz: Frau Eid, wie viel Selbstkritik schwingt mit in Ihren Worten? Vor drei Jahren am Ende der rot-grünen Regierung hatte die "Alliance 2015" ja Ihrer Entwicklungsarbeit auch nicht gerade ein gutes Zeugnis ausgestellt mit dem Befund, dass Berlin den Millenniums-Zielen stärker hinterherhinke als andere Länder.
Eid: Nein. Das Problem, was ich insgesamt sehe, das ist sowohl bei denen, die etwas versprechen, als auch bei jenen, die dann beklagen, dass die Versprechen nicht eingehalten worden sind, dass sie sich immer nur an Zahlen festhalten. Es werden immer nur Quantitäten eigentlich auf den Prüfstein gestellt und das ist schon mal grundsätzlich verkehrt. Ich finde man muss schauen, ob zum Beispiel in der Afrika-Politik der G8 eingehalten worden ist, dass man mit Reformstaaten stärker kooperiert, dass man sie auf ihrem Weg der Reformen unterstützt. Das heißt Korruptionsbekämpfung. Das heißt transparente Regierungsführung. Das heißt natürlich auch - und da ist nun Simbabwe gerade mal das allerschlechteste Beispiel -, dass man jene Regierungen isoliert, die Menschenrechte verletzen. Also ich denke schon, dass da die Qualität auch auf den Prüfstand gestellt werden muss.
Schulz: Lassen Sie uns den Blick auf den ganzen Kontinent ausweiten. Im schottischen Glen Eagles hatten die Industriestaaten ja vor drei Jahren schon zugesagt, die Entwicklungshilfe weltweit bis 2010 um jährlich 50 Milliarden Dollar zu steigern. Es gibt jetzt um eben jene Klausel Streit in Japan. Welches Signal ginge denn davon aus, wenn der Verweis auf Glen Eagles im Abschlussprotokoll überhaupt nicht mehr vorkäme?
Eid: Um ehrlich zu sein: Ich hielte das nicht für besonders schlimm, weil nämlich schon die 50 Milliarden bei Glen Eagles eine Scheinzahl war. Selbst Oxfam, die britische Nichtregierungsorganisation, hat damals nachgewiesen, dass 40 Milliarden von diesen 50 Milliarden schon vorher versprochen worden waren, also gar kein neues Geld war. Insofern finde ich es auch von den Nichtregierungsorganisationen inkonsequent, sich dann auch auf Zahlen zu berufen, die sie vorher als eigentliche Traumzahlen bezeichnet haben. Ich finde man muss klar machen, dass man die afrikanischen Staaten, aber auch andere, die es nötig haben, auf ihrem Weg unterstützt und dann muss man auch realistische Zahlen beschließen und die umsetzen.
Eid: Die Regierungen, Frau Eid, müssen nicht an ihren Zusagen gemessen werden? Verstehe ich Sie da richtig?
Eid: Doch. Da haben Sie Recht. Das ist ja das Problem. Aber die Regierungen müssen dann auch sich nicht als Feuerwehr ausgeben und Dinge versprechen, die sie nicht einhalten können. Hier haben die G8 in der Tat Dinge versprochen, die sie nicht einhalten können, und das Dramatische ist, dass sie damit eben auch an Legitimation und an Glaubwürdigkeit verlieren.
Schulz: Ein großes Thema in Japan ist auch der Streit um den Biosprit. Die Weltbank beziffert den Anteil der Lebensmittelverteuerung auf 75 Prozent. Rächt sich da auch rot-grüne Politik?
Eid: Nein, das sehe ich gar nicht so, denn die Frage ist ja: Welche Pflanzen nimmt man, um Biosprit herzustellen? Man ist in der Forschung schon viel weiter. Ich komme selber von der landwirtschaftlichen Universität in Stuttgart-Hohenheim. Da macht man sehr gute Forschungsarbeit, wo man zum Beispiel die Jatropha-Pflanze anbauen kann. Die wächst auf ariden und semiariden Böden. Die ist überhaupt keine Konkurrenz zu Nahrungsmittelpflanzen und ich finde dahin muss der Weg gehen, dass man solche Pflanzen anbaut, die weder im Wasser noch in Fläche Konkurrenz sind zu Nahrungsmittelpflanzen.
Schulz: Warum hat sich das bisher so wenig rumgesprochen?
Eid: Das frage ich mich auch, um ganz ehrlich zu sein. Ich meine aber Brasilien ist ja durchaus auch ein gutes Beispiel, weil in Brasilien hat man sehr viele Kleinbauern auf sehr schlechten Böden ein Einkommen dadurch geschaffen, dass sie dort zu Biosprit verarbeitbare Pflanzen anbauen. Das heißt wir müssen gucken, dass eben nicht Weizen in Nordamerika oder Raps oder was auch immer, was zu Nahrungsmitteln genutzt werden kann, zu Biosprit verarbeitet wird, sondern dass man andere Pflanzen nimmt und dahin muss der Weg gehen.
Schulz: Uschi Eid war das heute im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Sie sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss. Haben Sie vielen Dank!
Uschi Eid: Guten Tag!
Schulz: Frau Eid, Sie haben es gehört. Es gibt Zusagen in Milliardenhöhe. Aber sind die mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein?
Eid: Dass jetzt aus der Notlage heraus hier mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss, ist eine Sache. Das ist richtig. Aber es ist im Prinzip auch ein Eingeständnis der Tatsache, dass man jahrelang nicht das Richtige gemacht hat. Wir haben zum Beispiel beim G8-Gipfel 2002 ein umfassendes Paket mit den Afrikanern, mit den Reformstaaten Afrikas vereinbart und da waren zum Beispiel Landwirtschaft oder Wasser oder Bildung und Gesundheit Schwerpunkte und ich weiß gar nicht, warum man diese Dinge, die 2002 beschlossen worden sind, nicht konsequent umgesetzt hat. Jetzt hat man sozusagen das Nachsehen und das finde ich mehr als ärgerlich.
Schulz: Rechnen Sie denn damit, dass die Zusagen so wie sie jetzt in Japan gemacht werden auch tatsächlich umgesetzt werden, denn es gibt ja gerade diese Diskrepanz zwischen Zusagen und dem Handeln dann?
Eid: Was zum Glaubwürdigkeitsverlust der G8 beiträgt sind ständig neue Versprechungen, ohne dass man wirklich mal Bilanz zieht: Was hat man denn von den alten Versprechungen eingelöst. Das kommt einem so vor, als würden die G8 dann immer nur Feuerwehr spielen. Ich hoffe nur, dass natürlich jetzt, das was in Japan beschlossen wird, dann auch wirklich systematisch umgesetzt wird. Aber das heißt natürlich auf der anderen Seite, dass die Partner ihrerseits auch das umsetzen müssen, wozu sie sich verpflichtet haben - zum Beispiel die afrikanischen Staaten.
Schulz: Frau Eid, wie viel Selbstkritik schwingt mit in Ihren Worten? Vor drei Jahren am Ende der rot-grünen Regierung hatte die "Alliance 2015" ja Ihrer Entwicklungsarbeit auch nicht gerade ein gutes Zeugnis ausgestellt mit dem Befund, dass Berlin den Millenniums-Zielen stärker hinterherhinke als andere Länder.
Eid: Nein. Das Problem, was ich insgesamt sehe, das ist sowohl bei denen, die etwas versprechen, als auch bei jenen, die dann beklagen, dass die Versprechen nicht eingehalten worden sind, dass sie sich immer nur an Zahlen festhalten. Es werden immer nur Quantitäten eigentlich auf den Prüfstein gestellt und das ist schon mal grundsätzlich verkehrt. Ich finde man muss schauen, ob zum Beispiel in der Afrika-Politik der G8 eingehalten worden ist, dass man mit Reformstaaten stärker kooperiert, dass man sie auf ihrem Weg der Reformen unterstützt. Das heißt Korruptionsbekämpfung. Das heißt transparente Regierungsführung. Das heißt natürlich auch - und da ist nun Simbabwe gerade mal das allerschlechteste Beispiel -, dass man jene Regierungen isoliert, die Menschenrechte verletzen. Also ich denke schon, dass da die Qualität auch auf den Prüfstand gestellt werden muss.
Schulz: Lassen Sie uns den Blick auf den ganzen Kontinent ausweiten. Im schottischen Glen Eagles hatten die Industriestaaten ja vor drei Jahren schon zugesagt, die Entwicklungshilfe weltweit bis 2010 um jährlich 50 Milliarden Dollar zu steigern. Es gibt jetzt um eben jene Klausel Streit in Japan. Welches Signal ginge denn davon aus, wenn der Verweis auf Glen Eagles im Abschlussprotokoll überhaupt nicht mehr vorkäme?
Eid: Um ehrlich zu sein: Ich hielte das nicht für besonders schlimm, weil nämlich schon die 50 Milliarden bei Glen Eagles eine Scheinzahl war. Selbst Oxfam, die britische Nichtregierungsorganisation, hat damals nachgewiesen, dass 40 Milliarden von diesen 50 Milliarden schon vorher versprochen worden waren, also gar kein neues Geld war. Insofern finde ich es auch von den Nichtregierungsorganisationen inkonsequent, sich dann auch auf Zahlen zu berufen, die sie vorher als eigentliche Traumzahlen bezeichnet haben. Ich finde man muss klar machen, dass man die afrikanischen Staaten, aber auch andere, die es nötig haben, auf ihrem Weg unterstützt und dann muss man auch realistische Zahlen beschließen und die umsetzen.
Eid: Die Regierungen, Frau Eid, müssen nicht an ihren Zusagen gemessen werden? Verstehe ich Sie da richtig?
Eid: Doch. Da haben Sie Recht. Das ist ja das Problem. Aber die Regierungen müssen dann auch sich nicht als Feuerwehr ausgeben und Dinge versprechen, die sie nicht einhalten können. Hier haben die G8 in der Tat Dinge versprochen, die sie nicht einhalten können, und das Dramatische ist, dass sie damit eben auch an Legitimation und an Glaubwürdigkeit verlieren.
Schulz: Ein großes Thema in Japan ist auch der Streit um den Biosprit. Die Weltbank beziffert den Anteil der Lebensmittelverteuerung auf 75 Prozent. Rächt sich da auch rot-grüne Politik?
Eid: Nein, das sehe ich gar nicht so, denn die Frage ist ja: Welche Pflanzen nimmt man, um Biosprit herzustellen? Man ist in der Forschung schon viel weiter. Ich komme selber von der landwirtschaftlichen Universität in Stuttgart-Hohenheim. Da macht man sehr gute Forschungsarbeit, wo man zum Beispiel die Jatropha-Pflanze anbauen kann. Die wächst auf ariden und semiariden Böden. Die ist überhaupt keine Konkurrenz zu Nahrungsmittelpflanzen und ich finde dahin muss der Weg gehen, dass man solche Pflanzen anbaut, die weder im Wasser noch in Fläche Konkurrenz sind zu Nahrungsmittelpflanzen.
Schulz: Warum hat sich das bisher so wenig rumgesprochen?
Eid: Das frage ich mich auch, um ganz ehrlich zu sein. Ich meine aber Brasilien ist ja durchaus auch ein gutes Beispiel, weil in Brasilien hat man sehr viele Kleinbauern auf sehr schlechten Böden ein Einkommen dadurch geschaffen, dass sie dort zu Biosprit verarbeitbare Pflanzen anbauen. Das heißt wir müssen gucken, dass eben nicht Weizen in Nordamerika oder Raps oder was auch immer, was zu Nahrungsmitteln genutzt werden kann, zu Biosprit verarbeitet wird, sondern dass man andere Pflanzen nimmt und dahin muss der Weg gehen.
Schulz: Uschi Eid war das heute im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Sie sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss. Haben Sie vielen Dank!