Donnerstag, 25. April 2024

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Afrikanische Schweinepest in Deutschland
Im Zwei-Schichtsystem gegen den Virusausbruch

Kadaver suchen, Zäune ziehen und Wildschweine erlegen - mit großem Einsatz versuchen die deutschen Behörden an der Grenze zu Polen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern. Hoffnung macht ein Lebendimpfstoff - doch der muss noch Sicherheitstests durchlaufen.

Von Sophia Wagner | 04.01.2021
Wildschweine im Wald
Wildschweine im Wald (imago/Martin Wagner)
"Also seit September arbeiten wir jetzt hier so gut wie im Zwei-Schichtsystem über die Wochenenden durch. Mit 70 Leuten in dem Krisenzentrum. Das ist schon ne Hausnummer." - Petra Senger ist Amtstierärztin im Landkreis Oder-Spree, im Süden von Brandenburg, an der Grenze zu Polen. Knapp südlich ihres Landkreises wurde Anfang September der erste deutsche Fall nachgewiesen - ein mit dem Afrikanischen Schweinepest-Virus infizierter Wildschwein-Kadaver. Wenige Tage später gab es auch im Landkreis Oder-Spree die ersten positiven Funde.
"Also Tierseuchenbekämpfung sind immer sehr arbeitsintensive Prozesse. Wir kannten das schon aus der Geflügelpest-Bekämpfung, BSE, solche Dinge. Aber was jetzt hier so eine Wildseuche mit so einer Ausbreitungstendenz bedeutet, davon kriegt man dann wirklich erst eine Vorstellung, wenn es real ist."

Intensive Suche nach Wildschwein-Kadavern

Das ASP-Virus kann sowohl im Körper verstorbener Tiere, als auch im Boden unter den Kadavern überleben - je nach Wetterlage tage- oder wochenlang. Tiere, die mit dem Kadaver in Kontakt kommen, können sich also infizieren und das Virus verbreiten. Aufgrund der hohen Wildschweindichte in Deutschland könnte sich die Afrikanische Schweinepest deshalb schnell ausbreiten. Es sei denn, man hindert das Virus daran.
Nach den ersten positiven Funden im Süden von Brandenburg wurde deshalb sofort eine intensive Suche nach weiteren Wildschwein-Kadavern gestartet, erklärt Petra Senger: "Das ist in einem unwegsamen Gebiet wo wirklich sehr, sehr naturbelassene Landschaft ist, wo viel Gebüsch ist, wo viele sumpfige Gebiete sind, Schilfgürtel sind, keine einfache Unternehmung."

Mit Hilfe von Suchhunden, Wärmebildkameras, Drohnen und vielen Freiwilligen wurden in Deutschland in den vergangen drei Monaten über 300 ASP-positive Wildschweine gefunden. Allein 180 im Landkreis Oder-Spree (Stand 16.12). Daneben gibt es noch zwei weitere Hotspots entlang der deutsch-polnischen Grenze. Einen etwas nördlicher in Brandenburg und einen in Sachsen.
Afrikanische Schweinepest - Wie man die Ausbreitung verhindern kann
Ein Wildschweinkadaver im Landkreis Spree-Neiße in Brandenburg nahe der polnischen Grenze ist positiv auf Afrikanische Schweinepest getestet worden. Damit ist das Virus ist in Deutschland angekommen. Eine Impfung gibt es bislang nicht.

Virus aus Polen eingeschleppt

Um eine weitere Ausbreitung durch wandernde Wildschweine zu vermeiden, werden um die Fundorte in einem drei Kilometer-Radius Zäune aufgebaut. In einem Abstand von fünf Kilometern zu diesen Kerngebieten wird ein weiterer Zaun errichtet. Diese Mehrfach-Umzäunung erwies sich zum Beispiel in Belgien als effektiv. Nachdem die Afrikanische Schweinepest dort im Jahr 2018 zum ersten Mal auftrat, gilt das Land seit November wieder offiziell als frei davon.
Allerdings sei die Situation in Deutschland etwas anders, erklärt Sandra Blome. Sie ist Expertin für die Afrikanische Schweinepest am Friedrich-Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Insel Riems: "Das, was wir in Belgien und Tschechien gesehen haben, das waren ja punktuelle Einträge. Das hat sich etwas anders verhalten. Wir wurden ja eher wie das Baltikum, ich sag mal, von einer Welle getroffen und nicht von irgendetwas, was von den Menschen einfach irgendwo eingeschleppt wurde."
In Deutschland haben nicht Menschen sondern die Wildschweine selbst das Virus eingeschleppt, über die Grenze aus Polen - und zwar nicht nur einmal, sondern mehrmals. Das heißt, dass das Virus immer wieder neu eingetragen werden könnte. Das können wahrscheinlich auch die mittlerweile installierten Grenzzäune nicht komplett verhindern. Weil durch Straßen und den Grenzverkehr immer Lücken bleiben. "Das ist so. Aber man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben."

Vielversprechender Impfstoffkandidat

Gute Nachrichten gebe es allerdings an andere Stelle, sagt Sandra Blome: "Wir haben in letzter Zeit vergleichende Impfstoff-Studien gemacht mit internationalen Kandidaten, und die geben durchaus Anlass zur Hoffnung, dass es einen Impfstoff geben wird." Und zwar einen Impfstoff für Wildschweine, der zum Beispiel mit einem Mais-Köder im Wald verteilt werden könnte. "Wir wissen, dass die gut angenommen werden und die würden dann halt unter der Erde, in Anführungsstrichen, ausgebracht. Also die werden von den Jägern verbuddelt, wenn man das ganz lapidar sagt."
Bis dahin dürfte aber noch mindestens ein Jahr vergehen, eher mehr. Denn bei den vielversprechenden Kandidaten handelt es sich um Lebendimpfstoffe. Also um ein Afrikanisches Schweinepest-Virus, das gentechnisch so verändert wurde, dass es zwar einen Immunantwort provoziert, aber nicht mehr krank macht. Bevor man einen solchen gentechnischen Impfstoff im Freien ausbringen darf, müssen noch etliche Sicherheits-Tests durchlaufen werden.
"Dort geht es um Überdosierungen. Dort geht es um Langzeitfolgen. Und wir würden nochmal schauen: Wie viel Impfvirus brauche ich denn, um wirklich einen Schutz zu generieren?" Dazu kommen weitere Tests und Probleme bei der standardisierten Vermehrung des Virus im Labor.

Wildscheine in Kerngebieten werden erlegt

Für die Wildschweine im Landkreis Oder-Spree wird der Impfstoff auf jeden Fall zu spät kommen. Nachdem der Schutzzaun um eines der Kerngebiete in den letzten Tagen geschlossen wurde, werden die jetzt massenhaft erlegt. "Das sind Großfang-Anlagen dort. Das ist ein relativ großer Radius, den die haben und dort versucht man eben wirklich, eine ganze Rotte mit rein zu locken und darin zu fangen und die werden dann sehr schnell und Tierschutzgerecht erlegt."
Kadaver suchen, Zäune ziehen und alle Wildschweine in den Kerngebieten und der erweiterten Schutzzone töten: Bis es eine Impfung gibt, sind das die einzigen Möglichkeiten, um das Virus los zu werden. Und um zu verhindern, dass es sich über die betroffenen Gebiete hinaus ausbreitet. "Wenn man nächstes Jahr Weihnachten über die ersten grundsätzlichen Erfolge sprechen kann, denke ich, werden wir alle zusammen sehr froh sein. Aber bis dahin werden wir auch wirklich zu tun haben."