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Aggressives Verhalten
Mädchen sind Meinungsführer

Treten, Lästern oder Schlagen: Auf Schulhöfen und in Klassenzimmern kommt das durchaus vor. Schüler und Schülerinnen sind aggressiv, lassen ihrer Wut freien Lauf. Natürlich sanktionieren Lehrer solche Verhalten. Doch nicht immer hilft das. Potsdamer Psychologen wollten daher wissen, wie die gesamte Klasse solche Aggressionen beeinflusst. Das Ergebnis ist erstaunlich.

Von Thomas Gith |
    Zehntklässler telefonieren auf einem Schulhof
    Angriffe unter Schülerinnen und Schülern können auch darin bestehen, jemand anderem in den sozialen Beziehungen zu schädigen. (dpa / picture alliance / Sebastian Kahnert)
    Pause in der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin. Schüler laufen durch die Flure, unterhalten oder necken sich. Es ist eine äußerlich gepflegte integrierte Sekundarschule, in der auf klare Regeln und ein soziales Miteinander sehr geachtet wird. Aggressives Verhalten wie Lästern, Gerüchte verbreiten oder Schlagen haben die Siebtklässer Noah und Judy dennoch schon mal erlebt.
    Judy: "Ja also, bei uns wird meistens immer gelästert in den Klassen oder so."
    Noah: "Ja, es wird halt schon in den Klassen gelästert, aber es ist meistens eigentlich nur Spaß und hinterher lachen die meisten auch darüber."
    Judy: "Na, es gibt Streitereien, und so. In meiner alten Schule wurde man auch manchmal geschlagen oder richtig ausgelacht oder so."
    Einem Mitschüler ein Bein stellen, sich gegenseitig an den Haaren ziehen oder Gerüchte über einen anderen Jugendlichen verbreiten. Für Professorin Barbara Krahé von der Universität Potsdam zählt all das zu klar aggressivem Verhalten. Zentral dabei ist, dass Jugendliche anderen Mitschülern bewusst schaden wollen:
    "Die Schädigung kann dann entweder in einer körperlichen Attacke sich niederschlagen oder sie kann eben darin bestehen, jemand anderem in den sozialen Beziehungen zu schädigen. Also zum Beispiel was Hässliches über die Person zu sagen, oder nicht zum Geburtstag einzuladen oder aus der Gruppe auszuschließen."
    Mehr als 1.300 Schulen untersucht
    Die Sozialpsychologen Barbara Krahé und Robert Busching haben solch aggressives Verhalten in der Gruppe untersucht. Mehr als 1300 Berliner Schüler ab der 7. und 8. Klasse wurden dafür über drei Jahre hinweg viermal befragt. Das Ergebnis: Nicht der einzelne Schüler, sondern die Klasse als Ganzes beeinflusst, wie aggressiv es zugeht. Barbara Krahé:
    "Normalerweise sieht es in einer Klasse so aus, da sind einzelne Kinder drin, die fallen auf durch Aggressionen, die stören, die machen Ärger. Was ist eine naheliegende Reaktion? Man schnappt sich diese Schüler und versucht, an deren Verhalten was zu ändern. Und vergisst dabei oft, das aber ich sage mal die Behandlung des Einzelnen, das Problem nur zu einem ganz geringen Teil löst. Dass wäre langfristig wesentlich effizienter zu versuchen, die vorherrschenden Einstellungen zu Aggressionen in der Klasse insgesamt zu verändern."
    Denn wenn die Klasse Aggressionen ablehnt, dann gebe es auch keinen Spielraum für aggressives Verhalten, fanden die Forscher heraus. Ein Ergebnis, das der Schulleiter der Friedrich-Bergius-Schule Michael Rudolph nur bestätigen kann. Seit mehr als 35 Jahren arbeitet er als Lehrer, allein 25 Jahre davon an Berlin-Kreuzberger Hauptschulen:
    "Das heißt, uns ist es wichtig, ein vernünftiges Lernumfeld zu schaffen. Das beginnt einfach damit zum Beispiel, Sauberkeit zu haben, klar Regeln zu haben, an die sich alle halten. Und dann dafür zu sorgen, dass Schüler dann auch diesen Regeln, die wir uns gegeben haben, folgen."
    Aggressivem Verhalten in den Klassen konsequent vorbeugen, ist hier die Regel. Die Forscher fanden heraus, dass dabei vor allem den Mädchen eine entscheidende Rolle zukommt. Denn auch sie beeinflussen maßgeblich, wie sehr Aggressionen in einer Klasse geduldet sind. Der Grund: Sie stimmen in ihrer Einstellung häufig überein. Lehnen Schlagen oder Gerüchte verbreiten gemeinsam ab oder befürworten es. Ganz anders die Jungen. Robert Busching:
    "Die Jungen sind sich nicht wirklich einig, was ist innerhalb der Klassen akzeptabel. Und wenn sie sich untereinander auch nicht einig sind, dann haben sie auch nach außen weniger Einfluss."
    Mädchen geben den Ton an
    Die Mädchen geben also vor allem in der untersuchten Altersklasse der 13- und 14-Jährigen maßgeblich den Ton an, so die Psychologen. Gerade die Jungen lassen sich in diesem Alter stärker von den Mädchen beeinflussen als anders herum. Um aggressives Verhalten zu verhindern, könnten Lehrer bei dieser Gruppendynamik ansetzen, meinen die Forscher.
    Gabriele Engel, Lehrerin an der Berliner Friedrich-Bergius-Schule, versucht genau das umzusetzen.
    "Also meiner Meinung nach ist es ausgesprochen wichtig, auf aufkommende Aggressionen einzugehen und die aufzugreifen. Dann notfalls dann halt auch mal den Unterricht Unterricht sein zu lassen und versuchen, den Schülern einen Umgang miteinander zu zeigen, wie man Missverständnisse, Streitigkeiten auch auf anderem Wege bereinigen kann, weil viele bringen das von zu Hause nicht mit."