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Weltagrarkulturerbe
Die Welterbe-Stätten der Landwirtschaft

Wasser und Boden schonend nutzen, Investitionsentscheidungen an die Ökosysteme anpassen, uralte Anbaumethoden gemeinsam weiterentwickeln - diese Eigenschaften zeichnen Regionen aus, die die UN-Ernährungsorganisation FAO als landwirtschaftliches Welterbe bezeichnet: Kleinode der Agrarkultur mit jahrhundertealten Wurzeln.

    Die Reisterrassen der Hani in der chinesischen Provinz Yunnan
    Die Reisterrassen der Hani in der chinesischen Provinz Yunnan (AFP Photo)
    Ist es ein Berghang oder eine Art Meer? In sanften Wellen ziehen sich die Reisterrassen der durch Chinas Gebirgslandschaft, ein ausgefeiltes System aus bewässerten Feldern, von Lehmwällen gesichert. Hunderte sind es, Jahrhunderte alt. Wenn sich das Morgenlicht in den Terrassen spiegelt, leuchten die Hänge weiß wie Schnee, am Spätnachmittag wie Gold und nachts im Mondlicht wie Silber.
    Jahrhunderte alt sind auch die Kartoffelsorten, die die Kleinbäuerin Mirna Salivia Perez anbaut, leuchtend auch sie: tiefes Blau-Lila, deftiges Rot, glänzendes Schwarz. Dona Mirnas Kartoffeln wachsen auf Chiloé, der zweitgrößten Insel im Südosten Chiles. Im kühl-feuchten Pazifikklima regnet es viel übers Jahr, Chiloé liegt gebettet in ein sattes Grün. Nur die Hauptstraßen sind asphaltiert, zu den Kartoffelbauern führen holprige Wege. Die Bäuerinnen bauen diese ursprünglichen Kartoffeln - papas nativas - auf kleinen Parzellen an, zusammen mit anderen Nahrungspflanzen. Verkauft werden sie fast nur in der Region, angepflanzt wird mit Körperkraft: Dona Mirna nimmt die ganze Kartoffel und steckt sie in die Erde.
    Ein Erbe mit weltweiter Bedeutung
    Die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO bezeichnet die Agrarlandschaften von Chiloé und des Hani-Volks als Agrarkulturerbe-Systeme von weltweiter Bedeutung, als Globally Important Agricultural Heritage Systems, kurz GIAHS genannt. Diese Kategorie, die wir Ihnen im August in der DLF-Sendung "Umwelt & Verbraucher" vorstellen, hatte die FAO im Nachgang zur UN-Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung 2002 in Johannesburg entwickelt. Das Anliegen: der Weltgemeinschaft mehr Respekt für die Jahrhunderte alte Kulturleistung der traditionellen Bauern nahe zu bringen. In den Entwicklungsländern versorgen diese zu 80 Prozent die lokalen Lebensmittelmärkte. 500 Millionen Kleinbauernfamilien sichern so ihre Existenz: Indem sie auf einem kleinen Stückchen Erde Landwirtschaft betreiben - Lebensgrundlage für insgesamt 2,5 Milliarden Menschen.
    Anders als die UNESCO, die mit ihren hochoffiziellen Welterbetiteln eher in die Vergangenheit schaut und ausdrücklich Kultur- oder Natur-Denkmäler auszeichnet, geht es der FAO keinesfalls um Agrartechniken fürs Museum, sondern um Systeme, die heute noch produktiv sind. In den zu GIAHS ernannten Regionen nutzen Dorfgemeinschaften dank ausgeklügelter Techniken die Ressourcen Land und Wasser vorbildlich schonend, sie fördern die Artenvielfalt und bewahren die Funktionsfähigkeit ihrer Ökosysteme. Gemeinschaftlich werden das Jahrhunderte alte landwirtschaftliche Wissen in Wert gesetzt und die angepassten Technologien weiterentwickelt - ohne riesigen technischen und energetischen Einsatz.
    Kultur bewahren und nutzen
    In Zeiten von teuer entwickeltem Hochleistungssaatgut und GPS-gesteuerten Megatraktoren ist das keine Selbstverständlichkeit. Die alten Kartoffelsorten von Chiloé waren fast verschwunden. In mühevoller Arbeit wurde inzwischen eine Saatgutbank angelegt, aus der sich die Bäuerinnen und Bauern bedienen können. Die Reis-Terrassen der Hani werden von älteren Dorfbewohnern bewirtschaftet, die Jugend zieht lieber in die Städte. Kulturlandschaften und seltene Kartoffelsorten zu bewahren, Trinkwasser, Bienen und Molche quasi nebenbei zu schützen, damit verdient niemand Geld, weil all dies in einer Marktwirtschaft erst einmal keinen Preis hat. Ohne staatliche Hilfen, wie sie bei uns die Bergbauern in den Alpen oder Winzer in den Steillagen der Mosel erhalten, werden diese besonderen Agrarkulturlandschaften wohl nicht mit der modernen Intensivlandwirtschaft konkurrieren können.
    Jule Reimer

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