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Agrarwissenschaftler
Invasive Schädlinge sind meldepflichtig

Invasive Pflanzen und Tiere richten in der heimischen Fauna erhebliche Schäden an, sagte der Agrarwissenschaftler Bernhard Carl Schäfer im Dlf. Urlaubsmitbringsel seien aber nur ein Grund für die Verbreitung fremder Arten. Ein viel größeres und kaum bekanntes Problem sei Verpackungsholz.

Bernhard Carl Schäfer im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 21.07.2020
Die Orientalische Zackenschote (Bunias orientalis)
Die Orientalische Zackenschote ist erst seit den 50er-Jahren in Deutschland heimisch geworden. (Imago/blickwinkel)
Ob durch Radtouren, Wandern oder mitgebrachte Samen und Pflanzen: Die Zahl der eingeschleppten sogenannten invasiven Pflanzen nimmt auch in Deutschland zu. Diese können heimische Arten schädigen oder sogar verdrängen. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2020 zum Internationalen Jahr der Pflanzengesundheit erklärt.
Bernhard Carl Schäfer ist Agrarwissenscahftler und leitet das Institut für Pflanzengesundheit im Julius-Kühn-Institut in Braunschweig
Als blinde Passagiere eingeschleppt
Susanne Kuhlmann: Wie können Pflanzen eingeschleppt werden?
Bernhard Schäfer: Da gibt es eine ganze Menge von Wegen, die möglich sind. Sie haben das Thema Reisende schon angesprochen. Das heißt: Jeder, der Urlaub macht und was mitbringt, geht damit potenziell ein kleines Risiko ein. Das kann auch ein großes sein, je nachdem was man da mitbringt.
Es gibt die internationalen Handelsströme. Da sehen wir, dass immer mehr an Pflanzenschädlingen eingeschleppt wird, weil das eine immer größere Bedeutung gewinnt. Das sind Pflanzen oder auch pflanzliche Nahrungsmittel oder Pflanzenteile.
Der Internet-Handel: Viele wissen gar nicht, wenn sie Pflanzen bestellen, dass sie möglicherweise von ganz weit her kommen und aus Regionen, wo es Schädlinge gibt, die wir bisher hier nicht haben.
Es gibt aber auch blinde Passagiere, die an Maschinen, an Flugzeugen, an Autos mitreisen und sich dann bei uns ausbreiten.
Und ein weiterer Bereich, der wenig bekannt ist: Verpackungsholz. Stichwort China-Granit, der in vielen Fußgängerzonen in Deutschland verlegt wird. Das kommt in der Regel auf Paletten und Holzgerüsten zu uns. Wenn das Holz nicht behandelt ist, besteht auch da ein hohes Risiko, dass hier Schädlinge eingeschleppt werden, die wir nicht haben wollen.
Feldhase auf einer Ackerfläche vor einem blühenden, gelben Rapsfeld in der Uckermark, Brandenburg
Artenvielfalt in Europa - Worum geht es bei der neuen Biodiversitätsstrategie?
Die Artenvielfalt soll besser geschützt und Lebensmittel umweltfreundlicher hergestellt werden: Dafür will die EU-Kommission mit der Biodiversitätsstrategie sorgen.
Kuhlmann: Welche machen Ihnen denn am meisten Sorgen?
Schäfer: Es gibt den asiatischen Laubholzbockkäfer, um bei dem anzufangen, was ich gerade eben gesagt habe: die Paletten oder das Holz, das hier als Verpackung verwendet wird. Da kann dieser Käfer, der relativ imposant aussieht – der wird auch vergleichsweise groß – drinsitzen, oder die Larve, die sich dort über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren entwickeln kann und dann bei uns schlüpft. Dieser Käfer befällt im Gegensatz zu unseren heimischen Bockkäfer-Arten auch lebende Bäume und kann erhebliche Schäden auslösen.
Ein Hinweisschild auf den Asiatischen Laubholzbockkäfer in Bayern
Ein Hinweisschild auf den Asiatischen Laubholzbockkäfer in Bayern (picture alliance / Bildagentur-online / Widmann)
Schädlinge stecken oft im Verpackungsmaterial
Kuhlmann: Was passiert denn da zum Beispiel?
Schäfer: Da können ganze Bäume absterben. Wenn er sich zum Beispiel von der Stadt in den Wald ausbreitet, können da massive Schäden entstehen. Das ist etwas, was wir in Nordamerika beobachten. Dort ist er eingeschleppt worden. Wir haben in Deutschland auch an einigen Orten bereits Befall und sehen, dass da Allee-Bäume absterben.
Es ist ganz typisch, dass wir den Befall häufig von Orten in einer Stadt ausgehend haben, zum Beispiel einem Steinguthändler, der solches Material importiert hat.
Ein Mann zersägt in einem Garten einen gefällten Baum
Schäden durch invasive Pflanzen nehmen zu (picture-alliance / dpa / blickwinkel / E. Teister)
Kuhlmann: Wenn man jetzt als Ferienreisender in meinetwegen Italien oder Griechenland unterwegs ist, eine schöne Pflanze sieht, denkt, die könnte sich auf dem Balkon oder im Garten auch ganz gut machen, und nimmt Samen oder Ableger mit, was könnte man da denn mitbringen?
Schäfer: Solange wir uns innerhalb der EU bewegen, ist das durchaus unkritisch, von einigen Ausnahmen abgesehen. Wir haben ein paar Regionen, wo wir Brennpunkte haben. Wir haben ein Bakterium zum Beispiel, das in Italien zum Absterben der Olivenbäume führt. Das ist auch auf den Balearen vertreten. Von dort sollte man natürlich keine Pflanzen mitbringen. Innerhalb der EU haben wir eine relativ liberale Regelung. Da können wir was mitbringen. Aber sobald wir die EU verlassen, gibt es andere Regeln, und da ist das Mitbringen von Pflanzen an sich nur möglich, wenn man ein Pflanzengesundheitszeugnis vorlegen kann, beziehungsweise gibt es auch Pflanzen, die man überhaupt nicht mitbringen kann. Da gibt es besondere Regelungen, die zu beachten sind.
"Die Mango aus einem Drittstaat ist strengstens verboten"
Kuhlmann: Wird man als Reisender an Grenzen kontrolliert?
Schäfer: Man wird als Einreisender aus Drittstaaten kontrolliert und wenn Sie Pflanzen dabei haben und kein Pflanzengesundheitszeugnis, dann müssen Sie damit rechnen, dass die Pflanzen beschlagnahmt werden und Sie auch ein Bußgeld bezahlen.
Es gibt wenige Ausnahmen. Wir haben ein paar Früchte, die wir mitbringen können. Dazu zählen Kokosnüsse, Datteln, Durian-Früchte, Ananas oder auch die beliebte Banane. Die dürfen Sie mitbringen, aber zum Beispiel die Mango aus einem Drittstaat ist strengstens verboten. Hier gibt es bestimmte Fruchtfliegenarten, die man auch auf Anhieb nicht erkennt, die sich daran vermehren können und die wir über diesen Weg einschleppen können.
Eingeschleppte Pflanzenschädlinge sind meldepflichtig
Kuhlmann: An wen kann ich mich wenden, wenn ich denke, einen Pflanzenschädling mitgebracht zu haben, wenn ich den zum Beispiel gesehen habe?
Schäfer: Es gibt in jedem Bundesland die regionalen Pflanzenschutzdienste. Die kann man ansprechen. Gut, dass Sie diese Frage stellen. Sie sind heute sogar verpflichtet, den zu melden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.