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AI: Deutschland ist zu nachsichtig beim Thema Folter

Eines ist für sie klar: Die US-Administration unter George W. Bush hat Menschen verschleppt und gefoltert, die deutsche Bundesregierung davon profitiert. Imke Dierßen von Amnesty International erhofft sich deshalb, dass die Mitverantwortung der Bundesregierung bei der heutigen Anhörung beim Anti-Folter-Komitee der UNO deutlich herausgestellt wird.

Imke Dierßen im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Wie genau nimmt es die Bundesregierung mit der Bekämpfung der Folter weltweit? Gucken deutsche Behörden vielleicht nicht genau genug hin, wenn in befreundeten Staaten Gefangene misshandelt werden? Das sind Fragen, die man in diesen Tagen bei den Vereinten Nationen in Genf stellt. Dort beim Anti-Folter-Komitee der UNO sind heute Vertreter der Bundesregierung eingeladen, sie sollen einige kontroverse Fälle der vergangenen Jahre erklären, unter anderem die umstrittene Zusammenarbeit mit amerikanischen Behörden bei der Entführung von Terrorverdächtigen nach dem 11. September 2001.

    Wir sind gleich verabredet mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, zunächst aber können wir mit Imke Dierßen sprechen von Amnesty International. Die Gefangenenhilfsorganisation ist bei dieser Anhörung in Genf ebenfalls präsent und darf Fragen stellen an die Vertreter der Bundesregierung. Schönen guten Morgen, Frau Dierßen.

    Imke Dierßen: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Frau Dierßen, wir reden über die Zusammenarbeit mit US-Behörden beim Kampf gegen den Terrorismus. Was ist Ihr Vorwurf an die Bundesregierung?

    Dierßen: Die US-Administration unter Bush hat Menschen verschleppt und in Geheimgefängnisse überstellt und auch dort gefoltert. Das wissen wir heute mit Sicherheit. Die deutsche Regierung hat damals davon profitiert, beispielsweise in einem Fall eines Syrers, der in Syrien in Haft war. Dort ist der deutsche Geheimdienst zusammen mit den Strafermittlungsbehörden des BKA hingereist, hat diese Person befragt in einem Gefängnis, das berüchtigt ist, dass dort gefoltert wird. Die Bundesregierung hat vor dem Untersuchungsausschuss im Parlament zugeben müssen, dass sie von diesen Folterungen in dem Gefängnis in Syrien wusste. Das haben wir massiv kritisiert und wir hoffen, das wird der Ausschuss in Genf auch tun.

    Armbrüster: Das heißt, Sie fordern im Grunde oder Sie erwarten hier eine Wiederholung des BND-Untersuchungsausschusses im Bundestag?

    Dierßen: Der Ausschuss in Genf, der UN-Ausschuss, kann diese Untersuchung natürlich nicht wiederholen, aber wir erhoffen uns, dass er anmahnt, dass eine solche Untersuchung noch aussteht. Die Untersuchung im Parlament hier in Deutschland war sehr wichtig, hat aber doch gezeigt, dass sie nicht wirklich unabhängig war. Die Regierung hat auch nicht, so wie es nötig gewesen wäre, kooperiert. Das Bundesverfassungsgericht hat das 2009 massiv kritisiert, genauso wie wir auch. Wir wünschen uns eine neue Untersuchung, wo ganz klar noch einmal festgehalten wird, welche Mitverantwortlichkeit die Bundesregierung in diesem Programm hatte, in dem auch die Opfer zu ihrem Recht kommen und gegebenenfalls auch entschädigt werden. Das hat der BND-Untersuchungsausschuss alles nicht geleistet.

    Armbrüster: Welche Mitverantwortlichkeit hatte die Bundesregierung denn?

    Dierßen: Die Bundesregierung ist an die UN-Anti-Folter-Konvention gehalten. Das bedeutet, dass man auch in fremden Staaten, in denen man agiert, wie in Syrien oder heutzutage beispielsweise auch in Usbekistan oder Pakistan, nicht mit Geheimdiensten kooperiert, von denen man weiß, diese Geheimdienste foltern. Unserer Auffassung nach dürfen deutsche Behörden gar nicht in diese Länder reisen und dort Zeugen befragen, wenn diese sich in einer Zwangssituation befinden, wenn man davon ausgehen kann, dass diese Menschen gefoltert wurden, oder auch noch gefoltert werden. Man darf mit solchen Geheimdiensten auch keine Informationen austauschen, oder sie sogar bitten, in ihren Verhören Fragen zu stellen. Alles das ist passiert, all das hat die Bundesregierung getan beziehungsweise ihre Behörden, und damit verletzt man die Anti-Folter-Konvention.

    Armbrüster: Ist Deutschland zu nachsichtig beim Thema Folter?

    Dierßen: Deutschland ist da in der Tat zu nachsichtig. Es ist schon richtig, dass deutsche Behörden sich natürlich durchaus bemühen auch um die Einhaltung des absoluten Folterverbots. In der Außenpolitik spielt das eine große Rolle. Da gibt es auch sehr viele positive Ansätze durch die Bundesregierung. Sie macht sich allerdings nicht besonders glaubwürdig, wenn sie Dritten wie beispielsweise Usbekistan gegenübertritt und die Einhaltung des Folterverbots einerseits einfordert und andererseits mit dem usbekischen Geheimdienst kooperiert, von dem man weiß – und das ist kein Geheimnis -, dass dort systematisch gefoltert wird.

    Armbrüster: So weit Imke Dierßen, Abteilungsleiterin bei Amnesty International.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.