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Aigner zur erneuten Kandidatur Seehofers
"Eine große Erleichterung, dass die Entscheidung gefallen ist"

Viele in der CSU hätten die Entscheidung von Horst Seehofer, als Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender weiterzumachen, mit großer Erleichterung aufgenommen, sagte die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner im DLF. Auch bei den anstehenden Wahlen sei es wichtig, auf "unser stärkstes Zugpferd" zu setzen.

Ilse Aigner im Gespräch mit Sarah Zerback | 25.04.2017
    Die CSU-Politikerin und bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner.
    Die CSU-Politikerin und bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. (dpa / Andreas Gebert)
    Sarah Zerback: Es ist der Rückzug vom Rückzug. Mit 67 Jahren will es Horst Seehofer noch mal wissen und hat gestern angekündigt, doch wieder anzutreten als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender. Auch wenn er eigentlich angekündigt hatte, in den Ruhestand zu gehen im kommenden Jahr. Eine wirkliche Überraschung war diese Rolle rückwärts nicht. Ich begrüße jetzt am Telefon Ilse Aigner, die stellvertretende Ministerpräsidentin in Bayern und Wirtschaftsministerin der CSU. Guten Morgen, Frau Aigner.
    Ilse Aigner: Schönen guten Morgen, Frau Zerback.
    Zerback: Frau Aigner, haben Sie jemals daran geglaubt, dass Seehofer sich von seinem Chefposten ernsthaft zurückziehen könnte?
    "Das wird unser stärkstes Zugpferd sein bei den Wahlen"
    Aigner: Ja, man hat es schon vermuten können. Aber es hat sich auch einiges verändert in der letzten Zeit und ich begrüße ausdrücklich, dass Horst Seehofer sich noch mal bereitstellt. Er hat sich das auch gut überlegt und weiß ja auch, was auf ihn "zukommt". Es ist ja auch durchaus eine anspruchsvolle Tätigkeit, Ministerpräsident und Parteivorsitzender. Aber ich freue mich sehr, weil das unser stärkstes Zugpferd auch sein wird bei den Wahlen, und er hat eine bundespolitische Bedeutung, Durchschlagskraft, was nicht alle in Deutschland immer so freut, aber für Bayern gut ist. Und deshalb ausdrücklich: Gut so!
    Zerback: Das stärkste Zugpferd und auch das einzige. Gibt es in der CSU niemanden, der es sonst könnte?
    Aigner: Nein. Wir haben natürlich eine breite Aufstellung. Gerade gestern haben wir auch beschlossen zum Beispiel, dass Joachim Herrmann, der für innere Sicherheit steht für ganz Deutschland, ein ausgewiesener Sicherheitsexperte, auch mit in den Bundestagswahlkampf zieht, mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestags, sie also weiter verstärkt. Also eine breite Formation, die wir hier aufstellen können, mit unseren drei Bundesministern natürlich, mit Generalsekretär. Wir haben schon viele Kräfte.
    Zerback: Sie wollen derzeit keine Personaldebatten? Das höre ich da heraus. Wann wäre denn ein geeigneter Zeitpunkt, um auch mal über Ihre eigenen Ambitionen zu reden?
    "Das ist die Beobachtung der Beobachter"
    Aigner: Den gibt es momentan definitiv nicht, weil wir gerade gestern beschlossen haben, dass wir froh sind, dass Horst Seehofer noch mal kandidiert. Und noch mal ausdrücklich: Ich bin auch Bezirksvorsitzende von Oberbayern, seiner Heimatregion. Ich begrüße das ausdrücklich, weil hier ein Drittel der Bevölkerung auch wohnt und entscheidet, und auch das wird für uns im Landtag ein starkes Zugpferd sein.
    Zerback: Aber Sie sind doch persönlich extra 2013 nach Bayern zurückgegangen, um sich dort eine gute Ausgangsposition zu verschaffen. So haben das zumindest viele Beobachter wahrgenommen. Was ist daraus geworden?
    Aigner: Das ist genau die Beobachtung der Beobachter. Aber die eigentliche entscheidende Frage war, wie können wir überhaupt die Wahlen in Bayern wieder gewinnen, und dazu konnte ich einen Beitrag leisten, einen nicht unerheblichen Beitrag. Das hat auch geklappt, gemeinsam im Team, und so verstehe ich das auch, dass wir gemeinsam im Team die beste Aufstellung bekommen, um wieder die Wahlen gewinnen zu können, und zwar sowohl in Bayern, aber erst mal jetzt im Bundestag ein bestmögliches Ergebnis für die CSU zu erreichen, dass wir künftig auch mitbestimmen können. Das ist unser Ziel.
    Zerback: Jetzt haben Sie in einem Interview kürzlich gesagt, das macht es nun auch nicht leichter, nicht verheiratet zu sein in der CSU. Ist Bayern noch nicht bereit für eine Ministerpräsidentin?
    "Bayern ist sehr fortschrittlich, was viele nicht glauben"
    Aigner: Nein, das kann ich immer wieder sagen, abgesehen davon, dass sich die Frage jetzt nicht stellt, dass Bayern dort sehr fortschrittlich ist, was viele nicht glauben. Wir haben hier wirklich eine sehr, sehr hohe Quote der Frauen, die arbeiten.
    Zerback: Bayern vielleicht. Aber auch die CSU?
    Aigner: Ja! Ich meine auch, dass die CSU durchaus bereit wäre. Aber wie gesagt, die Frage stellt sich jetzt schlicht und ergreifend nicht. Ich habe meines Erachtens einen guten Job hier abgeliefert. Bayern steht glänzend dar als Wirtschaftsnation, hätte ich beinahe gesagt, kann man ja schon fast so sagen. Wir haben blendende Zahlen.
    Zerback: Ein freudscher Versprecher, Frau Aigner.
    Aigner: Na ja, gut. Wenn man jetzt im europäischen Vergleich schaut, ist Bayern, wenn man es allein rechnen würde, ein relativ großes Gebiet. Da gibt es nicht allzu viele im Ostblock, die zum Beispiel größer sind, im ehemaligen Ostblock, muss man sagen, in den neuen Bundesländern, in den ehemaligen europäischen Staaten. Da kann man durchaus sagen, dass wir schon eine Macht sind, was den Export betrifft und was die Wirtschaft betrifft. Das hat auch was mit der Politik zu tun und einer langfristigen Politik übrigens. Es ist nicht nur meine Leistung, sondern über viele Jahrzehnte, die hier aufgebaut wurde, über sechs Jahrzehnte vom Armenhaus der Republik jetzt zur führenden letztendlichen Region in Deutschland.
    "Söder hat sich voll in den Dienst der Partei gestellt"
    Zerback: Nun fällt mir jetzt mindestens ein Parteikollege von Ihnen ein, dem eine solche Personaldebatte aktuell durchaus recht gewesen wäre. Wird denn mit der Entscheidung von gestern nicht vor allem Markus Söder am Aufstieg gehindert?
    Aigner: Markus Söder weiß genau, dass wir erst einmal die Wahlen gewinnen müssen, und deshalb weiß er, dass wir gemeinsam im Team das nur gewinnen können, und er hat das gestern auch eindeutig mit begrüßt.
    Zerback: Leidenschaftlich klang das aber nicht. Lässt sich der, nennen wir ihn mal ruhig, ewige Kronprinz das gefallen?
    Aigner: Erstens noch mal: Er weiß, dass wir nur gemeinsam überhaupt etwas erreichen können, und das hat wirklich gezeigt, dass er gestern sich voll hier in den Dienst der Partei gestellt hat, und das habe ich so zumindest beobachtet.
    Zerback: Tatsächlich gab es ja auch nur relativ positive Rückmeldungen und Reaktionen gestern. Gestern h hat sich niemand offen kritisch geäußert. Von glühenden Anhängern gab es ebenso Zustimmung wie von internen Kritikern. Leidenschaft war das, glaube ich, nicht. War das schlicht Pragmatismus?
    "In Amerika waren beide Kandidaten deutlich älter"
    Aigner: Ich habe gestern eigentlich schon eine große Erleichterung bei vielen erlebt. Was heißt Erleichterung? Aber dass jetzt die Entscheidung gefallen ist, war schon eine Erleichterung für viele. Und dass es so ausgefallen ist, war für viele die beste Entscheidung, die hier gefällt worden ist, und das hat sich auch im Applaus meines Erachtens eindeutig ausgedrückt. Wir haben alle mit Spannung natürlich darauf gewartet, dass die Entscheidung jetzt fällt. Das war schon auch eine Zeit, die für die Partei herausfordernd war. Das will ich jetzt nicht bestreiten.
    Zerback: Mit Spannung wartet man auch immer noch darauf, dass die CSU sich nun endlich mal verjüngt. Das hat Horst Seehofer ja auch unlängst angekündigt. Jetzt macht er noch mal weiter, hat er angekündigt, kurz vor seinem 68. Geburtstag. Das muss man dann schon als Kurswechsel verstehen, oder?
    Aigner: Insgesamt muss man die CSU anschauen, wie wir in der Breite viele, viele Personen haben in allen Altersbereichen. Wir haben jetzt erst vor kurzem zum Beispiel den stellvertretenden Generalsekretär neu berufen, Markus Blume, der ist Anfang 40. Wir haben eine breite Palette. Ich würde das jetzt auch nicht überbewerten. Übrigens, wenn ich nach Amerika schaue: Da waren beide Kandidaten deutlich älter.
    Zerback: Dann schauen wir vielleicht noch mal gemeinsam nach Berlin. Da gibt es auch jemanden, der sich – das ist jetzt meine Interpretation – nur semifreuen dürfte, dass Horst Seehofer noch mal in die Verlängerung geht. Die CSU bleibt der Stachel im Fleisch von Frau Merkel, so hat es die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley ausgedrückt und spielt natürlich an auf diesen monatelangen Dauerstreit. Legt sich die CSU da nicht selbst Steine in den Weg, diese Debatte weiterzuführen?
    "Wir können nur gemeinsam mit der CDU gewinnen"
    Aigner: Nein, ganz im Gegenteil. Wir wissen, dass wir nur gemeinsam mit der CDU gewinnen können. Übrigens die CDU weiß auch, dass sie nur mit der CSU gemeinsam gewinnen kann. Und wir haben wirklich weit, weit überwiegend deckungsgleiche Ansichten. Es gibt einen kleinen Punkt, wo wir uns noch nicht einig geworden sind, aber das werden wir dann…
    Zerback: Obergrenze.
    Aigner: Genau. Aber wie gesagt,…
    Zerback: So klein ist der Punkt ja nicht.
    Aigner: So vieles haben wir jetzt gemeinsam erreicht, dass auch hier eine Umkehr, eine Trendumkehr gekommen ist, was die Flüchtlingssituation betrifft, hatte auch damit zu tun, dass wir viele Forderungen gerade von der CSU gemeinsam mit der CDU umgesetzt haben. Da hat sich ja einiges verändert und das wäre mit Verlaub auch ohne die CSU vielleicht nicht in dieser Geschwindigkeit dann geschehen.
    Zerback: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, Frau Aigner? Horst Seehofer ist und bleibt das Zugpferd der CSU. Ist er auch für die Bundestagswahl das Gesicht der CSU, egal, wer da jetzt formal eventuell auf dem ersten Listenplatz steht?
    "Gezeigt, dass Sicherheit in Bayern funktioniert"
    Aigner: Der Parteivorsitzende ist immer das Gesicht der Partei. Das ist systemimmanent. Aber wir haben mit Joachim Herrmann jemand, der mehrfach bewiesen hat, seit fast zehn Jahren in Bayern, dass innere Sicherheit ein Kernthema unserer Partei ist, dass hier schwierigste Situationen auch gerade in den letzten Monaten gemeistert worden sind, von einem Amoklauf bis über Attentate bis hin zu einer Sicherheitskonferenz oder auch dem G7-Gipfel in Garmisch. Wir konnten hier wirklich zeigen, dass Sicherheit funktioniert in Bayern, bestens funktioniert, und übrigens auch die Organisation dieser großen Herausforderung bei der Flüchtlingssituation im Herbst und im Frühjahr 2016 und vorher 2015. Das hat schon auch einen Ausweis gebracht, wie leistungsfähig nicht nur der Staat ist, unsere Polizistinnen und Polizisten, der ganze Sicherheitsapparat, aber wie gut und besonnen auch unser Joachim Herrmann dieses durchsteuert. Das ist ein Kernthema mit Sicherheit auch für die Bundestagswahl. Deswegen kann er den Wahlkampf hier perfekt verstärken.
    Zerback: … sagt die stellvertretende Ministerpräsidentin in Bayern und Wirtschaftsministerin der CSU ist sie auch, Ilse Aigner. Besten Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Aigner: Vielen Dank, Frau Zerback. Schönen Tag!
    Zerback: Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.