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Air Berlin
Hausgemachte Krise

Air Berlin kommt nicht raus aus den roten Zahlen. Das liege am schlechten Management von Ex-Chef Stefan Pichler, lauten interne Vorwürfe. Eine katastrophale Streckenpolitik mit hohen Wartungskosten, zu wenige Verbindungen in die USA und der Wechsel des Buchungssystems, der weiter Probleme verursache, gingen auf sein Konto.

Von Thomas Weinert | 31.01.2017
    Ein Flugzeug von Air Berlin in Frankfurt am Main
    Als Frankreich-Chef der Lufthansa bot Stefan Pichler Billigangebote von Nizza und Marseille in die USA an – über Frankfurt am Main. Geografisch mache das wenig Sinn, so DLF-Autor Thomas Weinert. (dpa / picture-alliance / Daniel Reinhardt)
    Ende September des letzten Jahres warten deutsche Journalisten in einer Telefonpressekonferenz auf den Chef von Air Berlin, Stefan Pichler. Thema: die Zerschlagung der Fluggesellschaft in drei Teile und die Gesundschrumpfung mit Schwerpunkt auf die Flughäfen Berlin und Düsseldorf. Thema aber auch:
    "Werden Sie jetzt Air Berlin verlassen?" "Ich bin natürlich als Mitbegründer, Verursacher dieser Strategie hier voll engagiert bei der Sache und da fühle ich mich voll im Obligo. Es ist verantwortungslos aus meiner Sicht, wenn man etwas aufsetzt und dann nicht zu den Konsequenzen steht."
    Wenige Wochen später schon kommt das Aus für Pichler, selbst im sonst lukrativen Sommergeschäft konnte er den Sinkflug nicht stoppen, Air Berlin kommt einfach nicht raus aus den roten Zahlen.
    "Als ich an Türen klopfte, um das zu recherchieren, sagten sehr viele Menschen: Endlich fragt mal jemand, weil Herr Pichler die Klaviatur einer Airline sehr intelligent gespielt hatte, aber nur zu seinem eigenen persönlichen Nutzen und nicht zum Nutzen der Airline."
    Vorwurf schwerer Managementfehler gegen Ex-Chef Pichler
    Ein ehemaliger Luftfahrtmanager, der Pichler erlebt hat, berichtet von schweren Managementfehlern. Er möchte, dass wir seinen Namen nicht nennen. Pichler scheint sich damit einzureihen in Fehlentscheidungen seiner Vorgänger. Manche sind bekannt wie eine vollkommen strategielose Flottenpolitik verbunden mit hohen Wartungskosten, manche werden aber auch nur hinter vorgehaltener Hand erzählt, wie beispielsweise der Wechsel von Amadeus zu Sabre: Das Erstere ist ein in Europa sehr gut etabliertes Buchungssystem, das zweite die Konkurrenz aus den USA, wohin Air Berlin aber nur mit vergleichsweise wenigen Verbindungen fliegt. Die technische Migration von Amadeus zu Sabre machte große Schwierigkeiten, die anscheinend bis heute anhalten.
    Am Flughafen Berlin-Tegel, dem Drehkreuz der Gesellschaft, erzählt man sich, dass nun auch der Wechsel bei der Bodenabfertigung bevorsteht, aus Kostengründen wohl vom Marktführer am Platz zu einem wesentlich kleineren Anbieter. Dies wäre ein weiterer Risikofaktor mitten in der Restrukturierungsphase von Air Berlin und ebenfalls mit möglichen Auswirkungen im direkten Kundenkontakt.
    Berichterstattung bedeutet Buchungsrückgang
    Und schließlich eine zumindest gewöhnungsbedürftige Öffentlichkeitsarbeit: Jede Interviewanfrage zur Zukunft von Air Berlin wird abgeblockt – Mitarbeiter sagen: Berichterstattung bedeutet bei uns Buchungsrückgang! Auf der anderen Seite bezahlt die Fluggesellschaft großformatige Anzeigen in überregionalen Zeitungen mit dem Hinweis, dass jeder gebuchte Flug auch durchgeführt wird. Besser kann man die prekäre Finanzlage einer Fluggesellschaft kaum bewerben.
    In der beruflichen Vergangenheit von Stefan Pichler stehen ansonsten Strategien im Vordergrund, die Umsatz und Auslastung steigern, nicht aber den Ertrag. Als Frankreich-Chef der Lufthansa beispielsweise bot er Billigangebote von Nizza oder Marseille in die USA an – über Frankfurt. Schon geografisch ein Irrsinn:
    "Der Effekt war natürlich, dass sich die Wettbewerber das angeguckt haben und innerhalb von einigen Monaten reagiert haben und die Preise gesenkt haben auf das Niveau der Lufthansa, die Marktanteile sich wieder eingependelt haben wie sie vor dieser Erschütterung waren und sich dann aber auf einem Niveau von 20 Prozent weniger Erlös für die Airlines abspielten."
    Katastrophale Streckenpolitik
    Ähnlich katastrophal war die bisherige Streckenpolitik von Air Berlin, die auf Masse setzte und nicht auf Kosteneffizienz. Die Lufthansa konnte es damals verkraften, für Air-Berlin riss Pichler das Ruder wohl zu spät herum:
    "Und als Drittes hat er es dann auch noch geschafft, dass mehr Kapazitäten hin und her geflogen sind, das ist Alles für seinen eigenen Erfolg sehr intelligent, für die Airline überhaupt nicht."
    Der neue Chef, Thomas Winkelmann, kommt ebenfalls von der Lufthansa. Nach Medienberichten läuft sein Vertrag nur anderthalb Jahre.