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Airbus-Chef räumt Fehler bei Militärtransporter-A400M ein

Es geht um fünf Milliarden Euro: so viel mehr soll der jahrelang verzögerte Airbus A400M die auftraggebenden Staaten kosten. Airbus könne diese Kosten nicht tragen, warnt dessen Chef Thomas Enders - und die Auftraggeber, darunter Deutschland, bräuchten den Militärtransporter.

15.12.2009
    Gerwald Herter: Aus dem 787, dem Dreamliner, ist für den amerikanischen Flugzeughersteller Boeing schon fast ein Albtraum geworden. Probleme mit Zulieferungen, Verzögerungen, abgesprungene Kunden kosten Boeing Milliarden. Trotzdem soll der Dreamliner heute seinen Jungfernflug absolvieren.
    Dem europäischen Flugzeugbauer Airbus ist es mit seinem neuesten Flugzeug ähnlich ergangen wie dem amerikanischen Konkurrenten. Allerdings handelt es sich um keinen Langstrecken-Jet, sondern um einen Militärtransporter. Vergangenen Freitag hob der Airbus A400M im spanischen Sevilla ab. Nun stehen harte Verhandlungen mit den Regierungen an, die das Flugzeug kaufen wollen oder kaufen sollen. Darüber und über die Konkurrenz, also Boeing, habe ich mit Airbus-Chef Thomas Enders gesprochen. Guten Morgen, Herr Enders.

    Thomas Enders: Guten Morgen, Herr Herter.

    Herter: Herr Enders, was halten Sie vom Produkt Ihres größten Konkurrenten, dem Boeing Dreamliner?

    Enders: So genau kenne ich das natürlich nicht, aber ich bin sicher, dass das eines Tages ein sehr interessantes Produkt sein wird, dem wir ein noch besseres entgegenhalten werden.

    Herter: Noch besseres, damit meinen Sie den Airbus A380?

    Enders: Sorry! Damit meine ich den Airbus A350, den wir derzeit in der Entwicklung haben.

    Herter: Okay. – Der Dreamliner ist nicht ganz so groß wie der A380. Warum glauben Sie, dass sich solch ein Megaflugzeug durchsetzen wird?

    Enders: Ganz einfach deshalb, weil aufgrund der demografischen Trends, aufgrund der ökonomischen Trends, aufgrund der Tatsache, dass die Flugfrequenzen an vielen Flughäfen auf der Welt heute schon stark begrenzt sind, geht der Trend hin zu größeren Flugzeugen.

    Herter: Sicherheit spielt da keine Rolle, die Gefahr von Anschlägen etc.?

    Enders: Das haben sie bei jedem Flugzeug, ob das nun ein 380 ist oder ein 787 oder 330. Da tun wir das, was wir können, zusammen mit den Behörden, zusammen mit den Luftaufsichtsämtern, das zu reduzieren, aber die Gefahr besteht immer.

    Herter: Wenn Sie erlauben, kommen wir noch mal zurück zum Produkt von Boeing, 787. Da gab es Verzögerungen und Boeing erklärt das mit der Unzuverlässigkeit der Zulieferer. Ist das aus Ihrer Sicht nachvollziehbar und glaubwürdig?

    Enders: Nein. Das war sicherlich ein sehr, sehr ambitioniertes Projekt, in dem in vielerlei Hinsicht, nicht nur bei den Zulieferern, Neuland betreten worden ist, auch was die Materialien anbetrifft. Insofern gibt es wahrscheinlich nicht nur einen Grund für die Verzögerungen. Aber noch einmal: Ich äußere mich lieber zu den Produkten meines eigenen Konzerns als zu denen des Konkurrenten.

    Herter: Selbstverständlich. Sie haben aber auch Probleme mit Zulieferern, unter anderem beim Militärtransportflugzeug A400M. Sind diese Probleme der Hauptgrund für die Verzögerung?

    Enders: Nein. Ich würde mal sagen, es ist ein wesentlicher Grund gewesen, dass wir den Erstflug jetzt erst mit der ewigen Verspätung haben durchführen können. Wir haben ihn immerhin am letzten Freitag durchgeführt unter blauem Himmel in Sevilla, sind 3 Stunden und 45 Minuten geflogen mit einem sehr guten Ergebnis. Das hing ganz wesentlich damit zusammen, dass wir die Triebwerke nicht verfügbar hatten. Sonst hätten wir schon vor einem Jahr diesen Flieger in die Luft bringen können. Aber es hatten auch die Schwierigkeiten bei diesem Projekt ganz wesentlich damit zu tun, dass wir beim Start des Projektes die Komplexität deutlich unterschätzt haben und uns zum anderen auch von den Regierungskunden gewisse Vorgaben haben machen lassen, wen wir als Zulieferer verwenden dürfen und wen nicht.

    Herter: Sie haben also auch selbst Fehler gemacht?

    Enders: Aber sicher!

    Herter: Der A400M ist Jahre zu spät in die Luft gegangen, er leistet weniger als gefordert, und jetzt wollen Sie außerdem noch fünf Milliarden Euro zusätzlich haben. Das kann doch – und dafür werden Sie Verständnis haben – eigentlich kein Politiker akzeptieren, der wenigstens den Anschein erwecken will, mit Steuergeldern sorgsam umzugehen, oder?

    Enders: Ich darf zunächst einmal sagen, dass die Entwicklungszeit von null bis zum Erstflug etwa sechseinhalb Jahre war. Das lässt sich absolut vergleichen mit anderen großen Militärprojekten und liegt da sozusagen noch in der Spitzengruppe. Der Urfehler war der, dass wir beim Start des Projektes eben zu viel versprochen haben auf der Zeitleiste und auch das Budget nicht ausreichend war. Dass der Flieger zu wenig leistet, ist beim besten Willen nicht richtig. Das ist falsch. Es wird ein Flieger sein, wenn man Äpfel mit Äpfeln vergleicht, wo die Leistungsfähigkeit dieses Fliegers mit anderen Produkten, die auf dem Markt sind, absolut in der Spitzengruppe liegt. Wir haben ja gerade – ich sprach von der Komplexität – sehr viele unterschiedliche Kundenanforderungen hier in einem Flieger zusammenbringen müssen und das macht die Entwicklung so schwierig.

    Herter: Die Reaktion der Kanzlerin am letzten Freitag wollen wir uns mal kurz anhören.

    O-Ton Angela Merkel: Wenn das Flugzeug schon mal abgehoben hat, dann ist ja schon mal gut. Darauf haben wir ja schon sehr lange gewartet. Dass wir ein Transportflugzeug brauchen, ist klar, aber wir können uns natürlich auch nicht beliebig lange nun auf die Wartebank setzen, denn irgendwann wird mal ein Produkt gebraucht.

    Herter: So weit also die Bundeskanzlerin. – Herr Enders, hört sich so Begeisterung an?

    Enders: Nein, sicherlich nicht. Ich kann das gut nachvollziehen. Aber dafür haben wir ein sehr viel begeisternderes Statement von Präsident Sarkozy bekommen am gleichen Tag.

    Herter: Es gibt Verträge, an die wollen Sie sich halten. Wie kommen Sie trotzdem auf die Idee, dass da irgendetwas nachzuverhandeln wäre?

    Enders: Weil der Startpunkt falsch gewählt war und, wie ich vorhin sagte, wir für einen viel zu niedrigen Preis den Kunden ein exzellentes Produkt versprochen haben und weil die Überkosten, die das Produkt verursacht, der Konzern nicht alleine tragen kann.

    Herter: Ist Airbus ein Unternehmen mit Sonderrechten?

    Enders: Ganz bestimmt nicht, aber das müssen Sie dann vergleichen mit vergleichbaren Flugzeugproduzenten überall auf der Welt. Dann werden Sie feststellen, dass wir uns keineswegs außerhalb des Rahmens bewegen.

    Herter: Wie können Sie Druck auf die Käuferstaaten ausüben?

    Enders: Was heißt Druck? Wir sind in Gesprächen mit den Käuferstaaten, wir sind in Verhandlungen. Die haben durchaus nicht alle die gleiche Position. Der eine hat mehr Verständnis für unsere Forderungen als der andere. Wir haben uns vorgenommen, bis Ende des Jahres mit Hochdruck zu verhandeln, um eine Lösung zu finden, und ich hoffe, dass uns das in den nächsten Wochen auch möglich ist.

    Herter: Mit dem Einen, könnten Sie da Deutschland meinen, die genug Transportflugzeuge oder ausreichend jedenfalls noch im Moment zur Verfügung haben, im Gegensatz zu Spanien und Großbritannien?

    Enders: Noch einmal: Ich will in diesem Interview und auch bei anderer Gelegenheit nicht mit dem Finger auf eine ganz bestimmte Nation oder Regierung zeigen. Wir sind in Gesprächen, die ich immer noch für aussichtsreich halte, und dann werden wir sehen, wo wir rauskommen. Aber der Punkt ist klar, ich habe das beim Erstflug am Freitag auch sehr deutlich angesprochen, dass Airbus alleine diese Mehrkosten nicht tragen kann und einen signifikanten Beitrag der Kunden braucht.

    Herter: Wenn Sie das Programm einfach einstellen, was bedeutet das für das Unternehmen?

    Enders: Das würde bedeuten, dass das Unternehmen die Entwicklungskosten in circa sechs Milliarden Höhe zurückzahlen müsste.

    Herter: Das wäre ein Disaster?

    Enders: Aber sicherlich! Das ist nicht das von uns angestrebte Ergebnis, aber ohne Kostenbeitrag der Kunden mit den Risiken, die die Entwicklung in den nächsten Jahren noch in sich birgt, mit der Tatsache, dass der Konzern schon zweieinhalb Milliarden zugeschossen hat, zu Beginn des Projektes sogar eine Milliarde Rabatt den Regierungskunden gegeben hat, lässt sich abschauen, dass bei uns eine Linie erreicht ist, wo wir nicht mehr wesentlich mehr zubuttern können.

    Herter: Die Spielräume sind also eng. Unsere Agenturkollegen zitieren jemanden aus dem Airbus-Umfeld, der sagt, dass die Verhandlungen eine Sache zwischen zwei ehemaligen Gebirgsjägern sein werden, zwischen Ihnen und Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg. Sehen Sie das auch so?

    Enders: Ich war Fallschirmjäger. Ich weiß nicht, welcher Waffengattung Herr zu Guttenberg angehörte. Die Medien neigen immer dazu, Dinge zu personalisieren. Hier geht es noch einmal um Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und der gesamten EADS-Gruppe und den Regierungskunden. Das ist mehr als eine Regierung, auch wenn die deutsche Regierung natürlich besonderes Gewicht hat, weil sie der größte Einzelkunde für das A400M-Projekt ist.

    Herter: Herr Enders, abschließend: Sind von Armeen, die solch ein Flugzeug anschaffen, den A400M, noch viele Auslandseinsätze zu erwarten?

    Enders: Das ist ja gerade der Punkt, dass all diese Armeen dringend ein leistungsfähiges modernes Transportflugzeug brauchen, ein Flugzeug, das sozusagen multitaskingfähig ist, und dementsprechend haben wir den A400M auch entwickelt. Wenn die Regierungen zu dem Ergebnis gekommen wären, dass sie dieses Flugzeug nicht brauchen, dann wäre wahrscheinlich schon im Sommer die Kündigung des Vertrages erfolgt, denn dass die Regierungen den Vertrag kündigen können, das ist die Situation seit März diesen Jahres, nachdem wir sozusagen über die Kulanzfrist mit dem Erstflug hinausgekommen sind.

    Herter: Airbus-Chef Thomas Enders im Deutschlandfunk über den Jungfernflug des Boeing Dreamliners und das Transportflugzeug A400M. Herr Enders, vielen Dank.

    Enders: Ich danke!