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Airbus-Krise: SPD-Politiker fordert mehr Einsatz der Polltik

Angesichts der Airbus-Krise um die verschobene Auslieferung des A380 hat sich der ehemalige Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde für ein stärkeres Engagement der Politik ausgesprochen. Die Vorsitzende der IG Metall Küste, Jutta Blankau, verlangte ebenfalls, die Verunsicherung der Beschäftigten über eine mögliche Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland müsse ein Ende haben.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Airbus also, bis zu 40.000 deutsche Arbeitsplätze in ganz Deutschland würde eine Produktionsverlagerung für den A380 kosten, das schätzt die deutsche Industrie - also Zulieferer sind inbegriffen. Die Krise beim europäischen Flugzeughersteller hat die Politik erreicht. Die Bundesregierung hat gestern bereits Vertreter des Konsortiums gewarnt, Arbeitsplätze aus Deutschland zu verlagern. Man darf gespannt sein, wie das die anderen Länder dann handhaben. <im_34739>Airbus-Mitarbeiter in Deutschland</im_34739>Aus Frankreich ist ja schon ein ziemlich deutliches "Non" zu hören gewesen. Auf jeden Fall will der Bundeswirtschaftsminister heute sprechen mit Airbuschef Streif; morgen beraten in Hamburg dann Arbeitnehmervertreter sämtlicher Airbusstandorte. Was sind die Ursachen dieser Krise, was ist zu tun? Dazu bin ich jetzt im Gespräch mit Jutta Blankau, sie ist IG-Metallvorsitzende Küste und Ortwin Runde, er war erster Bürgermeister in Hamburg, als dieser Vertrag perfekt gemacht wurde, gehört jetzt dem Bundestag an, für die SPD, und dort dem Finanzausschuss. Einen schönen guten Tag, guten Morgen eher, Ihnen beiden.

    Ortwin Runde: Guten Morgen.

    Jutta Blankau: Guten Morgen.

    Durak: Die Subventionen verschiedener Länder haben ja diese vielen Standorte für Airbus erst möglich gemacht. Herr Runde, war das ein Fehler?

    Runde: Nein, das war keineswegs ein Fehler, wenn man sie sich ansieht, die Luftfahrtindustrie, dann hat Boeing das ganze beherrscht über Jahrzehnte. Und nur dadurch, dass die europäischen Länder gemeinsam diese Anstrengungen unternommen haben, ist es gelungen, aus dem Monopol ein Duopol zu machen und ist Airbus in den letzten Jahren, hat Airbus gleichgezogen mit Boeing. Das wäre ohne die Aktivität all der verschiedenen europäischen Länder, vor allem von Deutschland und Frankreich, nicht möglich gewesen.

    Durak: Frau Blankau, hat sich diese Investition Deutschlands aus Sicht der Beschäftigten wirklich gelohnt, wenn Sie jetzt hören, was jetzt passieren soll?

    Blankau: Also die Subventionen haben sich sicherlich gelohnt, weil in den letzten Jahren sind gerade in Norddeutschland sehr viele Arbeitsplätze auch durch die Luft- und Raumfahrtindustrie, vor allen Dingen durch Airbus, geschaffen worden. Und es hat bislang ja auch immer eine Erfolgsgeschichte gegeben, das sind die kleinen Flugzeuge gewesen, die ja maßgeblich auch zum Gewinn von Airbus beigetragen haben. Und jetzt ist Airbus durch den A380 in die Krise geschlittert und das hat sicherlich nichts mit den Beschäftigten, sondern eher mit Managementfehlern zu tun.

    Durak: Herr Runde, sehen Sie das auch so, eher ein Managementfehler?

    Runde: Ja, man muss eines feststellen, es ist ja nicht nur die Situation um den A380, die bei Airbus zum Nachdenken führen muss, sondern gleichermaßen die Situation beim 350. Hier hatte Airbus nicht die notwendigen Ingenieurkapazitäten, aber vielleicht auch nicht die notwendigen Investitionskapazitäten, um zeitgleich zum A380 dann auch den 350 so zu entwickeln, dass er auf der Höhe der Zeit, der Modernität ist, und auf der Höhe der Ansprüche der Fluggesellschaften. Hier gab es also Mängel im Bereich von Ingenieurkapazitäten und zwar bei Airbus in Gesamteuropa.

    Durak: Nun arbeiten ja Ingenieure nicht einfach so vor sich hin, sie werden beaufsichtigt, das Unternehmen wird geführt. Frau Blankau, es sind ja auch Arbeitnehmervertreter in entsprechenden Gremien dabei. Haben die da nicht aufgepasst?

    Blankau: In den entsprechenden Gremien - im Airbusboard, der beispielsweise am Dienstag getagt hat, sitzt überhaupt kein Arbeitnehmervertreter dabei. Das, was wir als Aufsichtsrat haben, hier bei Airbus in Deutschland - ich habe im März getagt, das war die erste Sitzung in diesem Jahr. Und die Sitzung, die jetzt im Oktober stattfindet, die ist auf unseren Antrag zustande gekommen. Damals im März deutete sich schon wieder eine Verzögerung an, die dann ja auch offenkundig wurde. Aber das Management muss schon sehr deutlich erkennen wie lange es braucht, dass Dinge nachgeholt werden, die offensichtlich nicht funktioniert haben. Und dazu ist offensichtlich die Zentrale in Toulouse nicht in der Lage gewesen. Aber offensichtlich ist auch die Unternehmenskultur dazu nicht in der Lage gewesen, vernünftig mit den unterschiedlichen Ebenen zu kommunizieren und herauszukriegen, wie lange eine Entwicklung, beziehungsweise die Behebung der Fehler beim A380, auch tatsächlich dauert.

    Durak: Herr Runde, hat denn die Politik alle Möglichkeiten genutzt Einfluss zu nehmen, um eine solche unternehmerische Krise zu verhindern? Oder endet sozusagen die Verantwortung der Politik in dem Augenblick, wenn der Vertrag unterzeichnet wird, also alle möglichen Vorleistungen erbracht wurden?

    Runde: Also da endet die Verantwortung nicht, aber in das operative Geschehen bei Airbus kann Politik nur begrenzt eingreifen. Und ich gebe Frau Blankau völlig recht: Wenn es zu Fehlentwicklungen kommt, beispielsweise zu zeitlichen Verzögerungen, dann ist es ein Unterschied, ob das sofort auch gemeldet wird, bis an die Spitze. Noel Forgeard nimmt ja für sich in Anspruch, davon gar nichts gewusst zu haben. Das ist ja ein erstaunlicher Fakt, wenn das so stimmt. Hier gibt es ganz offenkundig eine Unternehmenskultur, wo die Kommunikation nicht funktioniert hat. Das muss Airbus abstellen. Das ist in der Tat ein Managementfehler. Politik, was deutsche Politik angeht, muss wachsam natürlich bleiben, weil es immer Bestrebungen gegeben hat, dann Arbeitsanteile nach Frankreich zu verschieben. Und die Franzosen identifizieren sich mit Airbus, als wäre es allein ihr Werk, das ist einfach so und mit der Situation muss man sich auseinandersetzen. Da muss man ständig wachsam sein, muss ständig aufpassen. Das ist die Aufgabe deutscher Politik.

    Durak: Jetzt ist aber offensichtlich das Kind in den Brunnen gefallen, Herr Runde, und es wird ja darüber spekuliert, dass die Bundesregierung eingreifen sollte. Sollte Sie das allein deshalb tun, weil auch die französische Regierung sich stark macht, oder weil die Bundesregierung doch eine gewisse Verantwortung hat?

    Runde: Alleine aus dem Grund: Das ist ein europäisches Industrieprojekt, in das Deutschland nicht unbeträchtlich in den letzten Jahrzehnten investiert hat. Es ist also ein gemeinsames europäisches Projekt und wir müssen ein Interesse daran haben, dass dieses Projekt auch weiterhin erfolgreich ist. Und es ist ein hocherfolgreiches Projekt bis zu diesem Problem bei der Auslieferung des A380 und dem Problem auch bei der Entwicklung des 350 gewesen.

    Durak: Frau Blankau, der Staat zieht sich ja immer mehr und deutlicher aus eigenen Unternehmen zurück, was den Einfluss betrifft. Soll er hier nun eine Kehrwende einlegen und von mir aus über Käufe durch die KfW oder über anderes dann doch wieder mehr Einfluss nehmen und einfach deutsche Anteile kaufen? Ist das im Interesse der Beschäftigten?

    Blankau: Wenn das anstehen würde, dann wäre es möglicherweise im Interesse der Beschäftigten. Vorrangig ist aber, dass sich der deutsche Staat in dem Sinne einmischt, wie es Herr Runde eben beschrieben hat. Airbus ist entstanden als europäisches Projekt und es kann nicht sein, dass das jetzt wegen dieser einen Krise tatsächlich auseinander fliegt. Weil, nichts anderes wäre es, wenn der deutsche Staat sich nicht einmischen würde in diese Entwicklungen und in Fragestellungen, die offensichtlich jetzt in den nächsten Monaten anstehen werden. Und wenn es denn nötig ist, halte ich es sehr wohl für sinnvoll, wenn der Staat auch seine Anteile zeichnet. Der französische Staat hat das auch getan. Aber zur Zeit sehe ich das nicht, dass das überhaupt ansteht. Zur Zeit sehe ich, was ansteht ist, dass der Staat sich einmischt, im Interesse der Beschäftigten und im Interesse des europäischen Projektes Airbus.

    Durak: Werden sich die Beschäftigten, wenn sie dann morgen, die Arbeitnehmervertreter in Hamburg alle zusammenkommen, aller Airbusstandorte, werden sie sich auf Streiks einigen, oder andere Maßnahmen?

    Blankau: Also jetzt geht es erst einmal darum, mit den Kolleginnen und Kollegen darüber zu diskutieren, was eigentlich passieren wird. Bis heute haben wir ja noch keine konkreten Informationen. Es wabert seit Monaten alles durch die Presse, deswegen haben wir auch diese Sonderaufsichtsratssitzung beantragt, weil wir eigentlich wissen wollen, was los ist, damit die Verunsicherung der Kolleginnen und Kollegen aufhört. Und ich kann Ihnen nur sagen, wir werden entsprechende Forderungen stellen. Uns ist ganz wichtig, dass alle Standorte erhalten bleiben, auch in Europa. Uns ist ganz wichtig, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Und natürlich ist uns hier in Hamburg auch wichtig, dass der A380 hier ausgeliefert wird. Das werden wir diskutieren und wenn das Konzept etwas anderes vorsieht, dann werden wir auch über Maßnahmen reden, die sicherlich dann Aktionen sind - wahrscheinlich kein Streik, weil, wir unterliegen der Friedenspflicht - aber wir werden Aktivitäten ergreifen, um deutlich zu machen, dass wir alle gemeinsam hinter unseren Standorten stehen.

    Durak: Herr Runde, können Sie sich vorstellen, dass die Bundesregierung Geld in die Hand nimmt, um Airbus zu helfen? Geld, dem ja die Parlamentarier unter Umständen zustimmen müssten, das muss ja von irgendwo her genommen werden.

    Runde: Das sehe ich gegenwärtig nicht. Worauf es jetzt ankommt ist doch, die Verzögerung bei der Auslieferung wieder aufzuholen, beziehungsweise zeitlich zu begrenzen. Dazu bedarf man einer hoch motivierten Belegschaft, dazu muss das Management jetzt auch eine andere Kommunikationspolitik gegenüber der Belegschaft dort führen. Denn diese Verunsicherungen tragen ja nicht dazu bei, dass die Verzögerungen sich verkürzen. Natürlich muss Politik und deutsche Politik darauf achten, wie sind die Gesellschafterstrukturen. Sind die Gesellschafterstrukturen geeignet, um dann auch die deutschen Interessen bei diesem Projekt zu vertreten und durchzusetzen? Da müssen wir aufpassen. Subventionen in der gegenwärtigen Situation sind nicht gefordert.

    Durak: Sollte Hamburg Vorleistungen zurückfordern?

    Runde: Nein, warum? Es ist bisher alles vertragsgemäß gelaufen. Es war damals ein großer Erfolg, dass Hamburg gegen fünf andere Standorte bestanden hat, und die Fertigung des A380 zum Teil in Hamburg und auch die Endauslieferung in Hamburg dann stattfindet. Hier gilt es, darauf zu bestehen, dass die vertraglichen Vereinbarungen eingehalten werden. Und diese vertraglichen Vereinbarungen sind ja auch manifest geworden in dem Planfeststellungsverfahren. Das war ja die Begründung des öffentlichen Interesses. Da gibt es klare Zusagen, an die müssen sich alle Beteiligten halten.

    Durak: Die Airbuskrise. Besten Dank an Jutta Blankau, sie ist IG-Metallvorsitzende Küste und Ortwin Runde, Mitglied des Bundestages für die SPD, ehemaliger erster Bürgermeister von Hamburg. Auf Wiederhören, allen beiden.