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Akademische Weiterbildung im Argen

Dass Weiterbildung immer wichtiger wird, das müsste inzwischen eigentlich bekannt sein - welche Rolle dabei aber die staatlichen Hochschulen spielen, das wissen nicht so viele. Kein Wunder, denn auf dem Gebiet der Weiterbildung tun diese Hochschulen viel zu wenig. Das sagt der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. In dem Verband sind die Spitzen fast der gesamten Wirtschaft und Wissenschaft vertreten, um gegen Probleme in der Wissenschaftswelt anzugehen.

Von Esther Körfgen | 18.09.2008
    Es hagelt Kritik am Weiterbildungsangebot der öffentlichen Hochschulen - und zwar von Seiten der Wirtschaft. Sie war vom Stifterverband befragt worden, was ihr Bedarf ist und an welchen Stellen er nicht gedeckt wird. 160 deutsche Unternehmen haben geantwortet. Kritikpunkt Nummer eins: das Weiterbildungsangebot sei viel zu wenig auf die Bedürfnisse der Wirtschaftsunternehmen zugeschnitten. Udo Bodahl von der Firma Deloitte:

    "Dort tun sich Unternehmen wirklich schwer, einen Ansprechpartner zu finden, der sie wirklich als Berater aus der Universität heraus berät und mit ihnen eventuell individualisierte Bildungsangebote diskutiert. Es ist viel Basisangebot, was intransparent ist, wo man eigentlich nur nach Preiskriterien unterscheiden kann, aber was die Unternehmen wirklich an Kompetenzen für ihre Mitarbeiter brauchen, was individualisiert sein sollte, dazu gibt es ganz wenig."

    So hätten die Unternehmen zum Beispiel Bedarf an Weiterbildung in Sachen interkulturelle Kompetenzen oder auch Aufarbeitung ständiger Veränderungen im Arbeitsleben - Angebote dazu fänden sie aber nur im Ausland oder bei privaten Hochschulen. Na und? Könnte man sagen. Dann überlässt man dieses Feld eben den Privaten. Nichts da, sagt der Stifterverband.

    Hochschulen müssen sich heute mehr denn je als Stätten lebenslangen Lernens verstehen. Und das endet bekanntlich nicht mit dem Examen. Weiterbildung gebe den Hochschulen ganz neue Chancen, sich der Arbeitswelt zu öffnen, so Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband:

    "Dadurch dass sie nah an der Forschung sitzen, hier Angebote zu stricken und dies auch den Unternehmen zu vermitteln, dass diese Angebote durch die Forschungsnähe oder andere Kompetenzen, die an den öffentlichen Hochschulen vorhanden sind, nicht an den privaten, den Unternehmen nutzen könnten."

    Dass dazu vor allem eines fehlt: Geld, ist allen Beteiligten klar. Weiterbildung ist in den Landes-Hochschulgesetzen als staatlicher Auftrag definiert, aber die Länder stellen dafür kein Geld zur Verfügung. Sie verpflichten vielmehr die Hochschulen, kostendeckende Gebühren für die Angebote zu erheben. Was bei großen wirtschaftsorientierten Weiterbildungs-Angeboten funktionieren mag - bei kleinen Nischenangeboten aber nicht. Der Stifterverband fordert deshalb nichts geringeres als ein Investitionsprogramm des Bundes und der Länder im dreistelligen Millionenbereich. Dieses Geld sei nötig, um an den Hochschulen die notwendigen neuen Strukturen zu schaffen.

    "Zunächst mal muss man innerhalb der Hochschule Anreize schaffen, damit sich die Professoren, die sich - nebenbei bemerkt - auf dem privaten Markt sehr heftig engagieren im Weiterbildungssektor, auch an der eigenen Hochschule engagieren. Dann bedarf es natürlich Servicestrukturen. Man kann es nicht den Professoren aufbürden, neben dem, was sie ohnehin schon an Forschung und Lehre leisten, sondern sie brauchen Serviceeinheiten, die sich um Marketing, Vertrieb und Qualität dieser Produkte kümmern, um die Ansprache von Unternehmen."

    Ein Blick an die Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft zeigt: Auch hier gibt es keine interkulturellen Angebote, wie sie die Wirtschaft wünscht. Dafür aber eine breite Palette von Kursen in Wirtschaftsenglisch, Online-Marketing, Motivationsstrategien und Verhandlungstechniken, dazu berufsbegleitende Fernstudiengänge oder Aufbaustudiengänge etwa von Methodik im Maschinenbau. Letzteres:

    "In Kooperation mit großen Wirtschaftsunternehmen, und wir finden keine Teilnehmer. Das zeigt: die Begehrlichkeit ist groß, aber die faktische Nachfrage ist dann noch mal was anderes."

    Und das, so Vizepräsident Klaus Semlinger, obwohl dieses Programm an die Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft angepasst sei wie kein zweites. Ist mangelnde Kommunikation schuld an dem Misserfolg des Angebots? Gut möglich, aber das liege nicht nur an der Hochschule.

    "Häufig sind Weiterbildungsbedarfe in kleineren und mittleren Unternehmen auch eher ad hoc identifiziert und sollen dann ganz schnell bedient werden, das heißt für eine entsprechende Vorlaufzeit einer seriösen Programmentwicklung gibt es keine Zeit, und es fehlt ein Stückweit an Kommunikation."

    Die Berliner Fachhochschule wird jetzt ein eigenes Institut für ihre Weiterbildung aufbauen. Um das Angebot aus der Nische heraus für alle sichtbar zu machen und um das Personal effektiver einsetzen zu können.