Freitag, 19. April 2024

Archiv

Al-Bustan-Festival in Beirut
Frauenpower gegen Fundamentalismus

Vor über 20 Jahren hat die libanesische Hotelbesitzerin und Millionärin Myrna Bustani das Al-Bustan-Festival gegründet. Inzwischen zählt es zu den wichtigsten Musikfestivals des Nahen Osten. In diesem Jahr stehen Heldinnen, Königinnen und Kaiserinnen im Mittelpunkt. Bustani hält damit den Ewiggestrigen unter ihren Landsleuten einen Spiegel vor.

Von Thomas Migge | 06.03.2017
    Blick auf die libanesische Hauptstadt Beirut
    Beherbergt das Al-Bustan-Festival: Beirut (picture alliance/dpa/Wael Hamzeh)
    Kriegerin. Königin. Superweib. Venus Mesopotamiens. Ehefrau und Witwe. Wer war Semiramis? Jene etwa um 850 vor Christus in einer syrisch-palästinensischen Ortschaft geborene Frau.
    Einige Historiker gehen davon aus, dass es sich bei der legendären Semiramis und die assyrische Königin Sammuramit handeln könnte. Der italienische Mezzosopran Anna Bonitatibus präsentierte im Auditorium des Al-Bustan-Hotels - das sich, hoch über der Metropole Beirut, im christlichen Stadtteil Beit Mery erhebt - verschiedene Gesichter der altorientalischen Heldin und mythischen Königin.
    Arien aus dem 18. Jahrhundert, etwa von Antonio Caldara und Nicola Porpora, und aus dem 19. Jahrhundert, von Giacomo Meyerbeer und Gioacchino Rossini. In dem Konzert waren auch Semiramis-Arien zu hören, die zum ersten Mal überhaupt in der Neuzeit wieder gesungen wurden. Von heute kaum noch bekannten Komponisten wie Andrea Bernaschoni, Francesco Bianchi und Manuel Garcia.
    Es existieren mehr als 100 Semiramiskompositionen aus zwei Jahrhunderten. Deshalb wollte Myrna Bustani unbedingt auch dieses Konzert für ihr diesjähriges Festival.
    Frauen als Festivalthema
    1994 gründete die Politikerwitwe, Millionärin, Hotelbesitzerin und Musikliebhaberin in ihrem Hotel ein eigenes Musikfestival. Dieses Jahr steht dieses Festival im Zeichen von, so der Titel, "Queens & Empresses of the Orient", den legendären und realen Königinnen und Kaiserinnen des Orients:
    "Ich hatte die Idee zu diesem Festivalthema, weil es mir um die Frauen hier in meinem Land geht. Die Frauen, die in diesen Opern beschrieben werden, hatten damals Macht und Einfluss. Die Frauen heute im Libanon und in anderen Nahost-Staaten sind längst nicht so einflussreich wie die Frauen in der Frühzeit der Geschichte."
    Myrna Bustani weiß, wovon sie redet. Sie aber als Feministin zu bezeichnen, weist sie entschieden von sich. Sie war die erste Frau, die ins libanesische Parlament gewählt wurde. Eine Revolution in dem bis heute immer noch von Männern dominierten Land. Von 1963 bis 64 war die heute 80-jährige Abgeordnete im Parlament in Beirut. Seitdem gilt sie als kritische Beobachterin der Rolle der Frauen in ihrem Land:
    "Ich glaube nicht an einen Fortschritt in Sachen Frauenrechten. Nicht nur in diesem Land hier, sondern generell. Männer betrachten Frauen immer noch als Objekte. Sie weigern sich immer noch, Frauen Rollen zuzugestehen, die sie innehaben."
    Myrna Bustani wünscht sich starke Frauen für den Libanon – Frauen wie Thais, wie die Königin von Saba, wie Aida und Herodias, wie Semiramis, Scheherazade, Dalia und andere.
    Von Semiramis bis Maria
    Und so stellte sie mit ihrem künstlerischen Direktor, dem italienischen Dirigenten Gianluca Marcianò, ein fast vier Wochen dauerndes Konzert- und Konferenzprogramm zusammen, das sich hauptsächlich mit mythologischen und realen Frauenfiguren aus dem Orient beschäftigt. Auch mit Aida und auch mit Maria, der christlichen Gottesmutter. Aufgeführt wurde deshalb Rossinis "Stabat Mater".
    "Diese Frauen hatten ja nicht nur eine Vorbildfunktion, sondern haben sie immer noch. Alle Frauen, die in der Musikgeschichte behandelt wurden, haben vier Dinge gemeinsam: eine große Persönlichkeit, ein immenses Charisma, die Kraft nie aufzugeben und den Willen zu gewinnen."
    Frauen also, die Myrna Bustani den ewiggestrigen unter ihren Landsleuten wie einen Spiegel vorhält. Der Libanon hat seit dem blutigen und von 1975 bis 1990 dauernden Bürgerkrieg endlich eine gewisse innenpolitische Stabilität gefunden. Das Land ist eine Demokratie mit 18 anerkannten Religionsgemeinschaften. Eine der größten darunter im Land ist der Islam, orthodox ausgelegt von der im Libanon starken und vom Iran unterstützen schiitischen Partei Hisbollah. Deren führende Mitglieder schicken zwar ihre Kinder auf Jesuitenschulen, weil die die beste Ausbildung im Libanon garantieren, propagieren aber eine deutlich weniger flexiblere Rolle für Frauen.
    Myrna Bustani ist zu diplomatisch, um offen von einer islamistischen Gefahr für die Rechte der Frauen im Libanon zu sprechen, aber das diesjährige Thema ihres Festivals zeigt überdeutlich, worum es ihr geht.
    Protest gegen Fundamentalismus
    In diesem Sinn sei das Festival ein Protest gegen jene religiösen und gesellschaftlichen Kräfte, die nichts unversucht lassen, Frauen aus der öffentlichen Verantwortungssphäre zu verdrängen - erklärt Laura Lahoud, Tochter von Myrna Bustani und Ko-Organisatorin des Festivals:
    "Normalerweise gelangt bei uns eine Frau nur dann ins Parlament, wenn ihre Ehemänner oder Väter sterben. Dann werden sie, aufgrund der Prominenz der Namen ihrer Männer oder Väter, von einer Partei nominiert. Wie im Fall meiner Mutter: Ihr Vater starb bei einem Flugzeugunglück und die Partei drängte sie, seine politische Rolle zu übernehmen."
    An diesem Vorgehen habe sich, erklärt Laura Lahoud, bis heute nichts Wesentliches geändert. Und so verwundert es nicht, dass es religiös orthodoxen Kräften, vor allem in der starken islamischen Bevölkerung des Libanon, gar nicht gefällt, dass Künstler im Hotel der Ex-Politikerin vorislamische Heldinnen, Königinnen, Kaiserinnen und sonstige starke Frauen präsentieren, die sich von keinem Mann ein X für ein U vormachen ließen.