Schenker: Guten Morgen.
Gerner: Herr Schenker, stehen die Zeichen nach dem was Sie beobachten können auf Bürgerkrieg?
Schenker: Es ist noch nicht jede Hoffnung aufgegeben. Die Zeichen stehen auf gespanntes Warten auf den EU-Gesandten Léotard, der heute in Skopje ankommen soll und in den sehr große Hoffnungen gesetzt werden, dass er dem politischen Dialog wieder auf die Beine helfen könnte.
Gerner: Unser ARD-Korrespondent hat gestern Abend gesagt, die Zivilisten in Skopje und anderen Städten seien inzwischen bewaffnet. Väter brächten ihre Frauen und Kinder in Sicherheit. Man hat Fernsehbilder sehen können, die wie Vorboten früherer Balkankriege aussahen. Trügt dieser Eindruck?
Schenker: Nein. Die äußeren Zeichen sehen in der Tat so aus. Die Hoffnung, die wir hier noch haben, ist, dass der Wille des größten Teils der Bevölkerung zu kämpfen nicht da ist. Die Hoffnung ist, dass die politisch Verantwortlichen auf beiden Seiten der ethnischen Barriere, wenn Sie so wollen, sich dieser Verantwortung stellen und doch noch zu einem Kompromiss finden, der dann zu einem Waffenstillstand führen könnte.
Gerner: Sie haben ja eben eine Radikalisierung der Bevölkerung angedeutet. Nehmen wir mal Tetovo, seit jeher eine Hochburg der albanischen Minderheit. Vor einem halben Jahr sind dort viele noch gegen die UCK gewesen. Inzwischen - da beziehe ich mich auch auf unseren Korrespondenten - sagt er, dass die Menschen dort mit der UCK sympathisieren. Was ist dort passiert?
Schenker: Es gibt natürlich so etwas wie einen sozialen Druck, besonders in der albanischen Gesellschaft. Es gibt natürlich auch das Phänomen, dass den Leuten langsam die Hoffnung ausgeht, dass die politischen Verantwortlichen noch eine Lösung finden. Nichts desto trotz sind die internationalen Organisationen, die hier aktiv sind, nach wie vor damit beschäftigt, diesen Dialog auf die Beine zu bringen, weil es die einzige Chance ist, einen Ausweg aus diesem Konflikt zu bekommen. Dazu muss natürlich auf beiden Seiten Kompromissbereitschaft vorhanden sein.
Gerner: Sehen Sie die?
Schenker: Ich nehme an, dass es sie noch gibt. Es gibt natürlich Hardliner auf beiden Seiten, aber wie gesagt, der Wille ist in großen Teilen der Bevölkerung und auch der politischen Szene ist da, einen wie auch immer gearteten Kompromiss zu finden, aufgrund dessen man dann weiter aufbauen kann.
Gerner: Haben nicht auch EU und NATO selbst unbeabsichtigt Öl ins Feuer gegossen, indem sie in Aracinovo den UCK-Rebellen in Luxusbussen Geleitschutz zum Abzug gegeben haben und die Rebellen durften ihre Waffen behalten? Dies hat ja auch die Aufruhr in Mazedonien gesteigert.
Schenker: Ja, die Reaktion in der Bevölkerung war, wie Sie sehen konnten, ziemlich heftig. Die OSZE hat dabei ihren Schaden auch davongetragen. Allerdings war die Idee dieses Abzuges, ein Umfeld zu schaffen, in dem man weitere Waffenstillstände aushandeln kann, die möglicherweise zu einem kompletten Waffenstillstand führen würden.
Gerner: Diesen Waffenstillstand, gerade weil ich Sie als Sprecher der OSZE am Telefon habe, hatte die OSZE doch schon einmal ausgehandelt, nämlich durch den Beauftragten Frowick im Mai. Der hatte schon die Unterschrift der UCK zur Abgabe der Waffen. Die hätten nur noch an die mazedonische Seite übergeben werden müssen. Warum hat das damals nicht funktioniert?
Schenker: Das ist eine sehr gute Frage. Die wird irgendwann mal noch geklärt werden müssen. Ich glaube, dass der Zeitpunkt einfach zu früh war und die Aktion nicht ausreichend nach allen Seiten hin abgesichert war. In der Substanz unterscheidet sich natürlich der Plan von Frowick nicht sehr stark von dem Friedensplan des Präsidenten Trajkovski, aber wie gesagt, vielleicht war es zu früh und nicht gut genug abgesichert.
Gerner: Spielten dort auch, ohne dass Sie jetzt aus dem Nähkästchen plaudern, Eitelkeiten zwischen EU, NATO und OSZE eine Rolle?
Schenker: Es ist natürlich immer ein bisschen schwierig, internationale Organisationen untereinander abzustimmen. Aber was gesagt werden muss ist, dass die Zusammenarbeit hier im Augenblick viel besser klappt als in früheren Konflikten. Es mag sich jetzt ein bisschen optimistisch anhören, aber ich glaube, dass solche Organisationen aus früheren Fehlern lernen.
Gerner: Es könnte sich jedoch rächen, dass mit Frowick damals nicht unterzeichnet wurde?
Schenker: Ich glaube der Zeitpunkt war nicht da. Was jetzt wichtig ist, dass ein Umfeld geschaffen wird, in dem eben ein Waffenstillstand da sein kann. Dazu muss aber wie gesagt dieser politische Dialog, der unter der Ägide des Präsidenten geführt wird, Ergebnisse bringen.
Gerner: Kurze Abschlussfrage noch an Sie, Herr Schenker. Die Bundesregierung schließt einen Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen von NATO-Truppen nicht mehr aus. Würden Sie das begrüßen?
Schenker: Klar, warum nicht. Das deutsche KFOR-Kontingent, das hier in Tetovo stationiert war, hatte einen ziemlich positiven Anklang in Teilen der Bevölkerung und ich glaube, dass sie eine ganz gute Arbeit geleistet haben. Der Plan der NATO ist ja zudem, Truppen hier herzusenden, um den Rückzug beziehungsweise die Entwaffnung der Rebellen zu beobachten und zu erleichtern, sollte eine Übereinkunft darüber existieren. Das ist eben die Voraussetzung, dass diese Übereinkunft da ist.
Gerner: Herr Schenker, herzlichen Dank. - Das war der Sprecher der OSZE-Mission in Skopje und mitgehört hat Jordan Boskov, Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses im mazedonischen Parlament. Guten Morgen!
Boskov: Guten Morgen.
Gerner: Herr Boskov, Sie haben mitgehört. Was teilen Sie, wo widersprechen Sie Herrn Schenker?
Boskov: Im Grunde genommen sind die Ausführungen von Herrn Schenker sehr präzise und treffen den Punkt. Allerdings haben wir Differenzen, weil wir ja davon ausgehen, dass unser Staat einer Aggression ausgesetzt worden ist.
Gerner: Sie gehören zu einer Partei, die mit den rechten Rand der mazedonischen Regierung bildet. Gehören Sie zu den Falken, wie man das in der deutschen Sprache nennt, die die UCK militärisch besiegen wollen, oder sehen Sie noch einen diplomatischen Ausweg?
Boskov: Was die Parteien angeht, die regierende Partei ist nicht mehr so nach rechts. Sie ist eher in der Mitte zu finden. Ich bin aber der Meinung, bei diesen Rebellen kann man nicht klammheimlich vorgehen. Wenn Sie sich darauf zurückbesinnen, wie sich die Demokratie in der Bundesrepublik gegenüber der RAF gezeigt hat, dann müssen wir einfach ähnlich handeln.
Gerner: Das heißt kein Dialog, sondern militärisch besiegen?
Boskov: Dialog schon. Allerdings muss man genau wissen, was die Trümpfe sind und auch die Gründe. Wenn die Ausgangslage schon von vornherein so dargestellt wird, als ob in Mazedonien Menschenrechte mit Füßen getreten worden seien, dann kann man keinen offenen Dialog anfangen. Für das Aufwarten der UCK gibt es überhaupt keinen triftigen Grund.
Gerner: Es gibt eine Sache, die die UCK und die Politiker bis hin zu Gerhard Schröder verbindet, nämlich die Forderung, dass der albanischen Minderheit in Mazedonien mehr Rechte als bisher gewährt werden müssten. Warum ist das bisher nicht ausreichend geschehen?
Boskov: Diese Forderungen stehen ja sowieso im täglichen politischen Geschäft. Die Albaner haben in den vergangenen Jahren gewaltig an Rechten zugesprochen bekommen. Allerdings ist dies eine Angelegenheit, ob man das zu schätzen weiß, erst recht unter den Albanern.
Gerner: Sie meinen, die albanische Minderheit sei undankbar. Auf der anderen Seite steht die Anerkennung zum zweiten gleichberechtigten Staatsvolk noch aus?
Boskov: Der Dank in der Politik wird meistens sowieso nicht entgegengebracht. Aber die Forderung nach einer staatstragenden Nation ist einfach nicht sehr realitätsnah. Sofern wir uns damit abgeben, dann gibt es sehr viel Unstimmigkeiten wie überhaupt in Südosteuropa. Dann werden Fragen gestellt, wieso das in den Nachbarstaaten nicht genauso geschieht. Außerdem gefällt es mir überhaupt nicht, dass die Waffen jemanden zum legitimen Gesprächspartner machen kann.
Gerner: Herr Boskov, Skopje wird jetzt auch von der UCK bedroht, dass die Gefechte dort hineingetragen werden. Es gibt Berichte, dass viele Menschen Skopje verlassen, die der albanischen Minderheit angehören, dass sie sich nicht mehr trauen, in gemischten Vierteln zu übernachten und zu schlafen. Sind das die Vorboten einer ethnischen Teilung in Mazedonien?
Boskov: Ich fürchte, die Entwicklung geht eher in die negative Richtung. Es ist ja sehr deutlich, dass die Mittel, die von der UCK eingesetzt werden, in erster Linie Terror für die albanischen Mitbürger bedeuten, aber dann auch für alle anderen. Und dass jetzt albanische Bewohner von Skopje sowie auch aus anderen Gegenden irgendwie das Weite suchen, das ist einzig und allein der UCK zuzuschreiben.
Gerner: Was erwarten Sie vom neuen Sonderbeauftragten, dem Franzosen Léotard, der heute ins Land kommt? Er hat sich gestern - so wurde er in einem Interview zitiert - weit aus dem Fenster gehängt, die UCK müsste wieder an den Verhandlungstisch kommen. Dann hat er das dementiert. Nehmen Sie so einen Mann ernst?
Boskov: Ich möchte mich diesmal zurückhalten. Ich müsste den Herrn Léotard etwas besser kennen und prüfen, womit er sich früher befasst hat.
Gerner: Was ich fragen wollte: Steigert es die Glaubwürdigkeit - das war eben vielleicht etwas harsch formuliert -, macht es ihn glaubwürdig, wenn er zunächst dies eine sagt und das dann später dementiert?
Boskov: Wenn er davon ausgeht, dass die UCK mit an den Verhandlungstisch gehört, dann hat er einfach schlechten Dienst gemacht.
Gerner: Wie ist überhaupt der Blick auf EU und NATO? Was erwarten Sie? Haben die beiden Kredit verspielt? Ich habe Aracinovo eben angesprochen.
Boskov: In Bezug auf die NATO kann ich mich nicht so sehr äußern, aber in Bezug auf die EU bin ich mir sehr, sehr gewiss, dass sie sich hier als eine kleine Macht benimmt und nicht als eine Großmacht. Es ist vieles verpasst worden. Wir haben zu viele Arbeitslose. Es wurden keine Kredite vergeben. Die Arbeitslosigkeit liegt weiterhin bei schrecklichen 40 oder 50 Prozent.
Gerner: Jordan Boskov war das, der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses im mazedonischen Parlament. - Danke dafür nach Skopje!
Link: Interview als RealAudio
Gerner: Herr Schenker, stehen die Zeichen nach dem was Sie beobachten können auf Bürgerkrieg?
Schenker: Es ist noch nicht jede Hoffnung aufgegeben. Die Zeichen stehen auf gespanntes Warten auf den EU-Gesandten Léotard, der heute in Skopje ankommen soll und in den sehr große Hoffnungen gesetzt werden, dass er dem politischen Dialog wieder auf die Beine helfen könnte.
Gerner: Unser ARD-Korrespondent hat gestern Abend gesagt, die Zivilisten in Skopje und anderen Städten seien inzwischen bewaffnet. Väter brächten ihre Frauen und Kinder in Sicherheit. Man hat Fernsehbilder sehen können, die wie Vorboten früherer Balkankriege aussahen. Trügt dieser Eindruck?
Schenker: Nein. Die äußeren Zeichen sehen in der Tat so aus. Die Hoffnung, die wir hier noch haben, ist, dass der Wille des größten Teils der Bevölkerung zu kämpfen nicht da ist. Die Hoffnung ist, dass die politisch Verantwortlichen auf beiden Seiten der ethnischen Barriere, wenn Sie so wollen, sich dieser Verantwortung stellen und doch noch zu einem Kompromiss finden, der dann zu einem Waffenstillstand führen könnte.
Gerner: Sie haben ja eben eine Radikalisierung der Bevölkerung angedeutet. Nehmen wir mal Tetovo, seit jeher eine Hochburg der albanischen Minderheit. Vor einem halben Jahr sind dort viele noch gegen die UCK gewesen. Inzwischen - da beziehe ich mich auch auf unseren Korrespondenten - sagt er, dass die Menschen dort mit der UCK sympathisieren. Was ist dort passiert?
Schenker: Es gibt natürlich so etwas wie einen sozialen Druck, besonders in der albanischen Gesellschaft. Es gibt natürlich auch das Phänomen, dass den Leuten langsam die Hoffnung ausgeht, dass die politischen Verantwortlichen noch eine Lösung finden. Nichts desto trotz sind die internationalen Organisationen, die hier aktiv sind, nach wie vor damit beschäftigt, diesen Dialog auf die Beine zu bringen, weil es die einzige Chance ist, einen Ausweg aus diesem Konflikt zu bekommen. Dazu muss natürlich auf beiden Seiten Kompromissbereitschaft vorhanden sein.
Gerner: Sehen Sie die?
Schenker: Ich nehme an, dass es sie noch gibt. Es gibt natürlich Hardliner auf beiden Seiten, aber wie gesagt, der Wille ist in großen Teilen der Bevölkerung und auch der politischen Szene ist da, einen wie auch immer gearteten Kompromiss zu finden, aufgrund dessen man dann weiter aufbauen kann.
Gerner: Haben nicht auch EU und NATO selbst unbeabsichtigt Öl ins Feuer gegossen, indem sie in Aracinovo den UCK-Rebellen in Luxusbussen Geleitschutz zum Abzug gegeben haben und die Rebellen durften ihre Waffen behalten? Dies hat ja auch die Aufruhr in Mazedonien gesteigert.
Schenker: Ja, die Reaktion in der Bevölkerung war, wie Sie sehen konnten, ziemlich heftig. Die OSZE hat dabei ihren Schaden auch davongetragen. Allerdings war die Idee dieses Abzuges, ein Umfeld zu schaffen, in dem man weitere Waffenstillstände aushandeln kann, die möglicherweise zu einem kompletten Waffenstillstand führen würden.
Gerner: Diesen Waffenstillstand, gerade weil ich Sie als Sprecher der OSZE am Telefon habe, hatte die OSZE doch schon einmal ausgehandelt, nämlich durch den Beauftragten Frowick im Mai. Der hatte schon die Unterschrift der UCK zur Abgabe der Waffen. Die hätten nur noch an die mazedonische Seite übergeben werden müssen. Warum hat das damals nicht funktioniert?
Schenker: Das ist eine sehr gute Frage. Die wird irgendwann mal noch geklärt werden müssen. Ich glaube, dass der Zeitpunkt einfach zu früh war und die Aktion nicht ausreichend nach allen Seiten hin abgesichert war. In der Substanz unterscheidet sich natürlich der Plan von Frowick nicht sehr stark von dem Friedensplan des Präsidenten Trajkovski, aber wie gesagt, vielleicht war es zu früh und nicht gut genug abgesichert.
Gerner: Spielten dort auch, ohne dass Sie jetzt aus dem Nähkästchen plaudern, Eitelkeiten zwischen EU, NATO und OSZE eine Rolle?
Schenker: Es ist natürlich immer ein bisschen schwierig, internationale Organisationen untereinander abzustimmen. Aber was gesagt werden muss ist, dass die Zusammenarbeit hier im Augenblick viel besser klappt als in früheren Konflikten. Es mag sich jetzt ein bisschen optimistisch anhören, aber ich glaube, dass solche Organisationen aus früheren Fehlern lernen.
Gerner: Es könnte sich jedoch rächen, dass mit Frowick damals nicht unterzeichnet wurde?
Schenker: Ich glaube der Zeitpunkt war nicht da. Was jetzt wichtig ist, dass ein Umfeld geschaffen wird, in dem eben ein Waffenstillstand da sein kann. Dazu muss aber wie gesagt dieser politische Dialog, der unter der Ägide des Präsidenten geführt wird, Ergebnisse bringen.
Gerner: Kurze Abschlussfrage noch an Sie, Herr Schenker. Die Bundesregierung schließt einen Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen von NATO-Truppen nicht mehr aus. Würden Sie das begrüßen?
Schenker: Klar, warum nicht. Das deutsche KFOR-Kontingent, das hier in Tetovo stationiert war, hatte einen ziemlich positiven Anklang in Teilen der Bevölkerung und ich glaube, dass sie eine ganz gute Arbeit geleistet haben. Der Plan der NATO ist ja zudem, Truppen hier herzusenden, um den Rückzug beziehungsweise die Entwaffnung der Rebellen zu beobachten und zu erleichtern, sollte eine Übereinkunft darüber existieren. Das ist eben die Voraussetzung, dass diese Übereinkunft da ist.
Gerner: Herr Schenker, herzlichen Dank. - Das war der Sprecher der OSZE-Mission in Skopje und mitgehört hat Jordan Boskov, Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses im mazedonischen Parlament. Guten Morgen!
Boskov: Guten Morgen.
Gerner: Herr Boskov, Sie haben mitgehört. Was teilen Sie, wo widersprechen Sie Herrn Schenker?
Boskov: Im Grunde genommen sind die Ausführungen von Herrn Schenker sehr präzise und treffen den Punkt. Allerdings haben wir Differenzen, weil wir ja davon ausgehen, dass unser Staat einer Aggression ausgesetzt worden ist.
Gerner: Sie gehören zu einer Partei, die mit den rechten Rand der mazedonischen Regierung bildet. Gehören Sie zu den Falken, wie man das in der deutschen Sprache nennt, die die UCK militärisch besiegen wollen, oder sehen Sie noch einen diplomatischen Ausweg?
Boskov: Was die Parteien angeht, die regierende Partei ist nicht mehr so nach rechts. Sie ist eher in der Mitte zu finden. Ich bin aber der Meinung, bei diesen Rebellen kann man nicht klammheimlich vorgehen. Wenn Sie sich darauf zurückbesinnen, wie sich die Demokratie in der Bundesrepublik gegenüber der RAF gezeigt hat, dann müssen wir einfach ähnlich handeln.
Gerner: Das heißt kein Dialog, sondern militärisch besiegen?
Boskov: Dialog schon. Allerdings muss man genau wissen, was die Trümpfe sind und auch die Gründe. Wenn die Ausgangslage schon von vornherein so dargestellt wird, als ob in Mazedonien Menschenrechte mit Füßen getreten worden seien, dann kann man keinen offenen Dialog anfangen. Für das Aufwarten der UCK gibt es überhaupt keinen triftigen Grund.
Gerner: Es gibt eine Sache, die die UCK und die Politiker bis hin zu Gerhard Schröder verbindet, nämlich die Forderung, dass der albanischen Minderheit in Mazedonien mehr Rechte als bisher gewährt werden müssten. Warum ist das bisher nicht ausreichend geschehen?
Boskov: Diese Forderungen stehen ja sowieso im täglichen politischen Geschäft. Die Albaner haben in den vergangenen Jahren gewaltig an Rechten zugesprochen bekommen. Allerdings ist dies eine Angelegenheit, ob man das zu schätzen weiß, erst recht unter den Albanern.
Gerner: Sie meinen, die albanische Minderheit sei undankbar. Auf der anderen Seite steht die Anerkennung zum zweiten gleichberechtigten Staatsvolk noch aus?
Boskov: Der Dank in der Politik wird meistens sowieso nicht entgegengebracht. Aber die Forderung nach einer staatstragenden Nation ist einfach nicht sehr realitätsnah. Sofern wir uns damit abgeben, dann gibt es sehr viel Unstimmigkeiten wie überhaupt in Südosteuropa. Dann werden Fragen gestellt, wieso das in den Nachbarstaaten nicht genauso geschieht. Außerdem gefällt es mir überhaupt nicht, dass die Waffen jemanden zum legitimen Gesprächspartner machen kann.
Gerner: Herr Boskov, Skopje wird jetzt auch von der UCK bedroht, dass die Gefechte dort hineingetragen werden. Es gibt Berichte, dass viele Menschen Skopje verlassen, die der albanischen Minderheit angehören, dass sie sich nicht mehr trauen, in gemischten Vierteln zu übernachten und zu schlafen. Sind das die Vorboten einer ethnischen Teilung in Mazedonien?
Boskov: Ich fürchte, die Entwicklung geht eher in die negative Richtung. Es ist ja sehr deutlich, dass die Mittel, die von der UCK eingesetzt werden, in erster Linie Terror für die albanischen Mitbürger bedeuten, aber dann auch für alle anderen. Und dass jetzt albanische Bewohner von Skopje sowie auch aus anderen Gegenden irgendwie das Weite suchen, das ist einzig und allein der UCK zuzuschreiben.
Gerner: Was erwarten Sie vom neuen Sonderbeauftragten, dem Franzosen Léotard, der heute ins Land kommt? Er hat sich gestern - so wurde er in einem Interview zitiert - weit aus dem Fenster gehängt, die UCK müsste wieder an den Verhandlungstisch kommen. Dann hat er das dementiert. Nehmen Sie so einen Mann ernst?
Boskov: Ich möchte mich diesmal zurückhalten. Ich müsste den Herrn Léotard etwas besser kennen und prüfen, womit er sich früher befasst hat.
Gerner: Was ich fragen wollte: Steigert es die Glaubwürdigkeit - das war eben vielleicht etwas harsch formuliert -, macht es ihn glaubwürdig, wenn er zunächst dies eine sagt und das dann später dementiert?
Boskov: Wenn er davon ausgeht, dass die UCK mit an den Verhandlungstisch gehört, dann hat er einfach schlechten Dienst gemacht.
Gerner: Wie ist überhaupt der Blick auf EU und NATO? Was erwarten Sie? Haben die beiden Kredit verspielt? Ich habe Aracinovo eben angesprochen.
Boskov: In Bezug auf die NATO kann ich mich nicht so sehr äußern, aber in Bezug auf die EU bin ich mir sehr, sehr gewiss, dass sie sich hier als eine kleine Macht benimmt und nicht als eine Großmacht. Es ist vieles verpasst worden. Wir haben zu viele Arbeitslose. Es wurden keine Kredite vergeben. Die Arbeitslosigkeit liegt weiterhin bei schrecklichen 40 oder 50 Prozent.
Gerner: Jordan Boskov war das, der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses im mazedonischen Parlament. - Danke dafür nach Skopje!
Link: Interview als RealAudio