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Albrecht: NSA-Affäre ist noch nicht ausgestanden

Er habe nicht das Gefühl, dass diese Affäre ausgestanden sei, sagt der Grünen-Europaparlamentarier Jan Philipp Albrecht. Offenbar hielten die US-Geheimdienste derzeit daran fest, die Massenüberwachung europäischer Bürger fortzusetzen.

Jan Philipp Albrecht im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die Empörung in Europa angesichts immer neuer Berichte über Abhöraktionen des US-Geheimdienstes NSA gegenüber Regierungsvertretern in der "Alten Welt" beginnt in den USA offenbar Wirkung zu zeigen. Am Montag hatte die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Senats Diane Feinstein die Nachrichtendienste ihres Landes kritisiert und indirekt die Handyausspähung von Bundeskanzlerin Merkel bestätigt. Nun musste NSA-Chef Alexander im Kongress aussagen, der ging in die Offensive, und mittendrin steckt der Präsident.

    Der grüne Europaparlamentarier Jan Philipp Albrecht ist Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheit und Justiz sowie Sprecher der Datenschutzgruppe im Europäischen Parlament. Schon lange hatten Mitglieder einen Besuch in den USA geplant, um über das Thema Datensicherheit mit Kongressabgeordneten zu sprechen, und nun hat die Affäre um das offensichtliche US-Abhören des Handys von Bundeskanzlerin Merkel der Visite neue Brisanz gegeben. Guten Morgen, Herr Albrecht.

    Jan Philipp Albrecht: Guten Morgen!

    Engels: Wie sind Ihnen denn die Politiker beim Thema Kanzlerinnenhandy gegenübergetreten?

    Albrecht: Ich glaube, da herrscht erst mal Verunsicherung aufseiten der US-Amerikaner über die Reaktion aus Europa, die nicht als überzogen angesehen wird, sondern von vielen durchaus verstanden wird, aber die überraschend kommt für die Amerikaner. Und ich denke, es ist wichtig, dass wir als Europäer jetzt ganz klar sagen, wo unsere Bedingungen sind und was wir denn verbessert sehen wollen.

    Engels: Hat man Ihnen denn das Abhören dieses Handys direkt oder indirekt bestätigt?

    Albrecht: Nein. Das wird auch nie gemacht werden. Im Bereich der nationalen Sicherheit, der Geheimdienste, da wird im Geheimen agiert. Das ist die Natur dieser Sache. Die Frage ist nur, ob am Ende es wirklich auch Regeln gibt, die eingehalten werden und deren Einhaltung auch überwacht wird, und darüber müssen wir diskutieren. Und dann muss es auch darum gehen, welche Grenzen solche Überwachung letztendlich haben muss.

    Engels: Mit in Ihrer Delegation ist auch der EU-Parlamentarier Elmar Brok und er hat sich nach den Gesprächen mit NSA-Chef Alexander und der Geheimdienstkoordinatorin des US-Senats Feinstein optimistisch gezeigt, ein Abkommen zu erreichen. Das solle die Ausspähaktivitäten der USA in Europa beenden. Sind Sie auch so optimistisch?

    Albrecht: Na ich würde da vorsichtig sein, weil hier reden wir ja über zwei unterschiedliche Sachen, die gleichzeitig diskutiert werden. Das eine ist das Überwachen von Staatschefs und Institutionen der Europäischen Union, also Angela Merkels Diensthandy zum Beispiel. Da kann man mit sogenannten No-Spy-Abkommen natürlich vereinbaren, dass man sich gegenseitig nicht mehr so überwacht, wie das vielleicht im Kalten Krieg der Fall war. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Geheimdienste, auch die NSA, auch Herr Alexander ganz offensichtlich daran festhalten wollen, die Massenüberwachung europäischer Bürgerinnen und Bürger, und zwar Millionen von europäischen Bürgerinnen und Bürgern, fortzusetzen. Und wenn die europäischen Politik sich an der Stelle jetzt hier abspeisen lässt mit einem No-Spy-Abkommen für die Institutionen, dann ist den Bürgerinnen und Bürgern in Europa damit überhaupt nicht geholfen und es wäre viel zu kurz gesprungen und würde diese Situation letztendlich nicht angemessen nutzen.

    Engels: Das heißt, in diesem Bereich, Schutz für die Bürger, sind Sie keinen Schritt weiter gekommen bei Ihren Gesprächen in Washington?

    Albrecht: Nein, zumindest nicht so, dass ich das Gefühl hätte, wir könnten jetzt sagen, diese Affäre ist ausgestanden und die Konsequenzen würden gezogen. Davon sind wir weit entfernt und ich glaube, deswegen ist es unglaublich wichtig, dass die europäische Politik jetzt an der Stelle nicht sofort wieder einknickt, so wie es in den letzten Monaten immer wieder der Fall war, dass man gesagt hat, na ja, ist alles nicht so schlimm, oder wir haben da nette Antworten bekommen, dass man sich da natürlich zusammensetzt und darüber redet. Am Ende ist wichtig, was rauskommt, auf dem Papier genauso wie in der Praxis, werden wir tatsächlich Gesetzesänderungen auf US-Seite bekommen, die von dieser Massenüberwachung endlich absieht, und werden wir vor allen Dingen auch Transparenz darüber bekommen, was die Geheimdienste hier überhaupt treiben.

    Engels: NSA-Chef Alexander hat sich bislang nicht zu solchen Schritten bereit erklärt. Im Gegenteil: Er ist nun zum verbalen Gegenangriff übergegangen. Er hat das eigene Handeln gegenüber dem Kongress als gesetzestreu beschrieben und umgekehrt europäische Verbündete der Spionage in den USA bezichtigt. Wie reagieren Sie darauf?

    Albrecht: Ja, das ist jetzt das "Schwarzer-Peter"-Spiel. Man schiebt sich gegenseitig die Verantwortung zu. Klar ist, dass allen europäischen Parlamentariern, also im Europäischen Parlament und in den nationalen Parlamenten, ganz eindeutig jetzt ein Licht aufgehen sollte, dass wir nämlich daran arbeiten müssen, die Arbeit von Geheimdiensten ganz generell besser zu überwachen, sie auch enger an die Leine zu nehmen und vor allen Dingen gemeinsame Datenschutzstandards auch für diesen Bereich zu erlassen, denn es ist sicherlich auch so, dass auch die Geheimdienste in Europa nicht mehr nach dem Anspruch von Recht und Gesetz agieren, den wir eigentlich mal formuliert haben in den europäischen Staaten, sondern sich gegenseitig die Daten zuschieben. Das muss aufhören, ansonsten kommen wir direkt in den Überwachungsstaat, und ich glaube nicht, dass das Sinn und Zweck dieser Maßnahme ist.

    Engels: Welche nächsten Schritte wollen Sie als EU-Parlamentarier unternehmen? Das Datenaustauschabkommen SWIFT wollen ja EU-Parlamentarier aussetzen. Da gibt es aber noch andere Abkommen, da gibt es auch Debatten darum, ob man das Freihandelsabkommen, über das ja verhandelt wird, zunächst auf Eis legen soll. Welches sind Ihre Vorschläge?

    Albrecht: Ich glaube erst mal, was das Wichtigste ist – und das ist auch die beste Handhabe, die wir haben -, in Europa brauchen wir starke einheitliche Datenschutzstandards. Die müssen verabschiedet werden, und zwar so schnell wie möglich. Damit gäbe es die Möglichkeit für europäische Bürgerinnen und Bürger, besser zu entscheiden, welche Daten überhaupt von ihnen in Umlauf kommen und damit überhaupt Geheimdiensten zur Verfügung gestellt werden können. Dann brauchen wir sicherlich auch innerhalb Europas einheitliche oder gemeinsame Regeln von Mindeststandards auch für die Verarbeitung von Daten durch Geheimdienste und gegenüber den USA ist doch klar, dass wir als Europäer keine Gesetze für die USA machen können, sondern wir müssen Druck ausüben, und da gilt es eben, sich wie gesagt nicht abspeisen zu lassen mit irgendwelchen Zusicherungen, sondern ganz klar zu sagen: Wenn ihr uns nicht einheitliche Standards oder gleichwertige Standards bieten könnt und wenn ihr nicht garantieren könnt, dass EU-Bürger gleiche Rechte auch in den USA haben, dann haben gemeinsame Kooperationsmaßnahmen wie zum Beispiel die Bankdatenaustauschabkommen oder das Safe-Harbor-Abkommen, wo vereinfachter Zugang für amerikanische Unternehmen ermöglicht wird, keine Zukunft, sondern dann müssen wir als europäische Parlamentarier daraus sicherstellen, dass unsere Rechte und die unserer Bürgerinnen und Bürger tatsächlich gewahrt bleiben.

    Engels: Jan Philipp Albrecht, er ist grüner Europaparlamentarier, Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheit und Justiz und gerade in den USA unterwegs. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Gespräch genommen haben.

    Albrecht: Vielen Dank auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.