"Ich wollte mit diesem Soloalbum eine etwas melancholischere Seite von mir zeigen. Bei Maxïmo Park versuche ich das auch manchmal, aber nicht so intensiv. Hier will ich kleine Momentaufnahmen machen, eine romantische Welt schaffen, die es vielleicht so gar nicht gibt, aber in der man Kleinigkeiten festhält, die das Leben erst zu etwas Besonderem machen. Ich bin mit Bands wie "Ride" und den "Cocteau Twins" aufgewachsen. Die könnten das auch sehr gut, und daran wollte ich mich versuchen."
Und bei diesem Versuch, melancholisch zu sein, hat Paul Smith ein wenig übertrieben. Denn an manchen Stellen klingt sein zweites Solo-Album "Contradictions" doch etwas zu sehr nach den Shoegazern von "Ride", den verträumten "Cocteau Twins", aber auch "Morrissey" und "Blue Öyster Cult" klingen durch. Dieser Eindruck verfliegt allerdings sehr schnell, wenn man sich in seine einzigartigen Songtexte vertieft. Er beschreibt meisterhaft das Romantische, das Authentische, das Berührende - selbst an Orten oder in Situationen, wo es eigentlich nichts dergleichen zu geben scheint.
Im verträumten Stück "The Mezzanine Floor" schildert Smith, wie er aus dem Fenster schaut, während das Licht auf einer Wand reflektiert. Nebenher hört er seine Freundin duschen, und das gibt ihm ein heimeliges, vertrautes Gefühl. Genau dieses Gefühl vermitteln seine Songs sehr gekonnt. Auch die Erinnerung, wie er mit seinem Großvater an einem verdreckten und verseuchten Fabrikgebäude steht, wird bei Smith zur verklärten Idylle:
"Im Song "All The Things You'd Like To Be" geht's nicht nur um meinen Großvater und mich. Da gibt's die Textstelle: "Die Bürogebäude: verseucht von Asbest - doch die Firma ernährt die Familie." Was ich damit meine, ist, dass die Firma einerseits dafür sorgt, dass man überhaupt leben und eine Familie gründen kann, aber andererseits ist das auch total gefährlich, weil es giftig ist, dort zu arbeiten. In dem Lied ging's um die Fabrik am Ende der Straße, in der ich aufgewachsen bin. Das Gebäude steht da immer noch und es erinnert mich an die "gute, alte Zeit." Es ist wie eine Art Symbol für die Geschäftigkeit und den Tatendrang der Leute, aber andererseits auch die vielen Todesfälle. Es hat etwas Romantisches und Trauriges zugleich."
Man hört immer den Sound von Maxïmo Park
Das Herzstück des Albums macht dem Titel "Contradictions" alle Ehre - es geht darin nicht um Biografisches von Paul Smith, und es geht auch nicht um die Lebenswirklichkeit in Großbritannien. Der Song "People on Sunday" geht zurück auf einen deutschen Filmklassiker - und Smith singt sogar auf Deutsch.
"Es gibt einen Stummfilm aus dem Jahr 1930 der "Menschen am Sonntag" heißt. Ich hab ihn gesehen, und war so unglaublich davon beeindruckt. Die Macher sind fast alle kurz vor dem Nazi-Regime geflohen. Aber dieser Film zeigt die Ruhe, die Unbeschwertheit vor der schlimmen Zeit, die bald danach sollte. Es zeigt Berlin 1930 an einem Sonntag, an dem die Leute ihr tragbares Grammophon mitnehmen, sich in die Sonne setzen und Spaß haben. Die Tatsache, dass der Film einen Sonntag zeigt, war für mich auch ausschlaggebend. Der Sonntag symbolisiert den letzten freien Tag, bevor der Stress losgeht, die Arbeit, das Einerlei. Das Schöne daran ist, dass man davon im Film selbst nichts merkt, nichts von kommendem Unheil, einfach nur Spaß! Man versteht den Sinn dahinter, wenn man den Zeitgeist der Weimarer Republik und der 20er-Jahre versteht oder die Geschichte kennt. Gleichzeitig dachte ich aber auch, dass jeder, der das nicht versteht, sich wenigstens mit dem Song identifizieren kann. Denn einen iPod mitnehmen und sich in die Sonne setzen tut man in Berlin heute noch. Und so schaffe ich vielleicht auch etwas so Unschuldiges."
Unschuldig und doch widersprüchlich wirkt auch das Album. "Contradictions" ist kein musikalischer Geniestreich. Man hört immer den Sound von Maxïmo Park, und es bleibt auch nicht verborgen, dass sich Smith von anderen Musikern hat inspirieren lassen. Doch das Album berührt wegen seiner Unbedarftheit. "Contradictions" fügt sich doch zu einem Gesamtbild zusammen, einer Art Zeitraffercollage von verschiedenen Lebenssituationen, die jeder schon mal erlebt hat. Ob das Album sich gut verkauft kann Paul Smith egal sein - um Charterfolge geht es ihm weniger als darum, eine andere Seite von sich zu zeigen. Und dass gelingt ihm mit "Contradictions" auf jeden Fall.