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Album "Winter"
New Model Army geben sich betont kämpferisch

Auf ihrer neuen Platte "Winter" versammelt die britische Rockband New Model Army vor allem gesellschaftskritische Lieder: Wütende Songs gegen die Politik der Mächtigen, Brexit und die Generation der Baby-Boomer, der die Mitglieder der Gruppe selbst angehören. Ihr Motto für 2016: Harte Zeiten verlangen ebensolche Töne.

Von Marcel Anders | 27.08.2016
    Die britische Band New Model Army
    Die britische Band New Model Army (Trust A Fox)
    "Das letzte Album ist so gut gelaufen, dass wir uns entschieden haben, noch eins zu machen - aber eins, das das komplette Gegenteil darstellt. Denn das ist typisch New Model Army: Statt erneut mit einem bekannten Produzenten zu arbeiten, erledigen wir alles alleine und basteln nicht groß im Studio herum, sondern schreiben ein paar simple Songs und erzeugen eine Kakophonie aus aggressivem Krach."
    Justin Sullivan könnte es nicht treffender formulieren. Der Vorgänger "Between Dog And Wolf" war hymnischer, eingängiger Rock. "Winter" dagegen, das 14. Studio-Album von New Model Army, ist eine überraschend raue, harsche und erfrischende Angelegenheit. Mit 13 Songs, in denen sich die Band aus dem englischen Industrie-Zentrum Bradfod betont kämpferisch gibt und - mit Ausnahme von ein paar akustischen Stücken - ihre wütenden Post-Punk-Wurzeln beschwört.
    "Vielleicht ist es so, dass sich Affen vom Frieden gelangweilt fühlen."
    Eine Kampfansage – nicht nur musikalisch, sondern auch lyrisch. In "Burn The Castle", "Part The Waters" oder "Drifts" lassen New Model Army kein gutes Haar an der modernen Welt, die sie als düster und kalt empfinden. Die von skrupellosen Politikern, gierigen Wirtschaftsmogulen und religiösen Fanatikern geprägt ist. Und in denen die 68er, die eigentlich alles besser machen wollten, kläglich gescheitert seien. Wobei Justin Sullivan, inzwischen auch schon 60, sich selbst miteinschließt.
    "Vielleicht ist es so, dass sich Affen vom Frieden gelangweilt fühlen. Vielleicht haben sie auch vergessen, wie Kriege sind. Jedenfalls gibt es einen Hang zu Katastrophen und Zerstörungen. Weshalb es vollkommen legitim ist, dass sich die heutige Jugend zu meiner Generation umdreht und sie beschimpft. Wir haben wirklich alles zerstört."
    Eine Einsicht mit Folgen: Um dem Demokratieverdruss und der wachsenden Angst der Jugend entgegenzuwirken, muss man sie wachrütteln und motivieren. Mit klaren, deutlichen Worten: Die Reichen gehören aus ihren Schlössern und Villen vertrieben, singt Sullivan. Ihr Vermögen sollte den Armen und Bedürftigen übergeben werden und die Politik muss von Dolchstoßlegenden und Volksverführern befreit werden, die alles noch viel schlimmer machen. Nicht nur im Großbritannien des Brexits.
    "In der gesamten westlichen Welt ist vieles im Argen"
    "Es ist falsch, nur nach England zu schauen, das sich im politischen Chaos befindet. In der gesamten westlichen Welt ist vieles im Argen. Da ist Trump in Amerika, da ist Marie Le Pen in Frankreich. Da ist die österreichische Wahl, die wiederholt werden muss. Und da sind eine Menge Leute, die sich zu nutzen machen wollen, dass die Menschen unzufrieden mit der alten Ordnung sind. Nämlich üble Demagogen, die nur darauf warten, die Macht an sich zu reißen."
    Nigel Farage, David Cameron und Boris Johnson – Die führenden Köpfe des Brexit, die hier auf der Anklagebank sitzen, als Beispiele für Dummheit, Egomanie und Machtgier in der Politik. Womit New Model Army sagen, was sich viele nicht trauen, auch wenn es bisweilen arg radikal und anarchistisch anmutet, weshalb die Band in den Medien wie beim breiten Publikum polarisiert - und wohl immer eine Underground-Formation bleiben wird. Doch damit – so Justin Sullivan – scheinen sie ganz zufrieden.
    "Wir waren kurz davor, eine richtig große Band zu werden. Aber wir sind es nie geworden. Einfach, weil wir nicht wollten. Die Leute fragen immer, was da schiefgelaufen ist. Und ich kann nur sagen: 'Ich finde eher, da ist vieles richtig gelaufen.' In dem Sinne, dass wir 2016 haben und immer noch hier sind. Wir können machen, was wir wollen, wann wir wollen, wie wir wollen. Besser kann es gar nicht sein. OK, wir hätten mehr Alben und Konzert-Tickets verkaufen können – na und? Das macht doch keinen Unterschied."